Aber jetzt, da die Ölpreise um mehr als 50 Prozent gefallen sind, stecken viele afrikanische Volkswirtschaften in großen Schwierigkeiten. "Die Ölindustrie steht unter einem globalen Schock", sagt der renommierte Erdölfachmann Duncan Clarke. Er ist einer der Redner auf der heute (30.10.2015) zu Ende gehenden 22. Afrika-Ölwoche im südafrikanischen Kapstadt. Von Montag an waren hier Ölfirmen und Regierungen zusammen gekommen, um über die anhaltenden Turbulenzen in der Branche zu beraten. "Alle ölproduzierenden Staaten und auch Staaten, die selbst kein Öl fördern, werden weniger Einnahmen haben", sagt Clarke.
Wachstum hängt am Öl-Tropf
Angola gehört zu den größten Erdölproduzenten Afrikas - entsprechend hart trifft der Preisverfall die Wirtschaft des südwestafrikanischen Landes. Im Durchschnitt hatte das Wachstum seit dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2002 bislang bei rund elf Prozent gelegen, jetzt ist es dramatisch eingebrochen. Angola musste seine ambitionierten Pläne, die vom Krieg völlig zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen, auf Eis legen. Benzinsubventionen wurden gekürzt, viele Menschen verloren ihre Jobs.
Nigeria, der größte Ölproduzent Afrikas, scheint in einer noch schwierigeren Lage zu stecken. Das Land fördert rund zwei Millionen Barrel am Tag. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds kommen 90 Prozent der Exporterträge aus dem Ölgeschäft. Kurz nachdem Muhammadu Buhari die Präsidentschaftswahlen im April dieses Jahres gewonnen hatte, kam die Wirtschaft des Landes zum Erliegen. Die Staatseinnahmen werden um voraussichtlich 40 Prozent fallen.
Einige Analysten sagen voraus, dass sinkende Ölpreise durchaus positive Effekte für ein Land haben könnten. "Es gibt weniger Korruption , weil das Geld, das den Anreiz dazu bietet, fehlt", sagt Ese Avanoma, Leiter der nigerianischen Beratungsfirma Brade Consulting.
Angst vor unkalkulierbaren Risiken
Viele afrikanische Staaten hoffen dennoch, Investoren für die Förderung von Öl und Gas anlocken zu können. Neben den "alten Hasen" wie Nigeria oder Angola werben auf der 22. Ölwoche auch Länder wie Malawi oder Simbabwe, die neu im Geschäft sind, um Kunden. Ölstratege Duncan Clarke, der selbst aus Simbabwe stammt, glaubt jedoch nicht, dass sein Heimatland viel Interesse bei potenziellen Investoren weckt: Seit die Regierung im Jahr 2000 begann, weiße Siedler zu enteignen, machen ausländische Investoren oft einen Bogen um das Land.
Fast 90 Prozent aller afrikanischen Staaten fördern Öl, Gas oder Kohle. Investoren seien jedoch kaum bereit, inmitten von weltweiten Turbulenzen große Risiken einzugehen, glaubt Clarke. Der Slogan vom aufstrebenden Afrika sei eine Werbestrategie gewesen, habe aber nicht immer der Realität entsprochen. "Die Prognosen, die in der Vergangenheit getroffen wurden, wurden zu teuer verkauft", sagt Clarke. Aber: "Es gibt immer noch Wachstum und es gibt immer noch Möglichkeiten." Die Länder, die sich am schnellsten anpassten, würden am erfolgreichsten sein: "Die Märkte haben sich über Nacht an die Ölpreise angepasst. Die Firmen haben ein bisschen länger gebraucht, aber auch sie haben alle ihr Portfolio angepasst, sie haben Mitarbeiter entlassen. Jetzt sind die Regierungen an der Reihe."
Sich anpassen oder untergehen
Viele afrikanische Volkswirtschaften stellen sich bereits breiter auf, auch Rekordexporteure wie Nigeria. Dienstleistungen machen inzwischen 60 Prozent des nigerianischen Bruttoinlandsprodukts aus. Mobilfunk, Bau und Banken sind nur einige Branchen, in denen das Geschäft brummt.
"Die Ölindustrie kennt seit sechs Jahren nur eine Richtung: abwärts", sagt der nigerianische Berater Ese Avanoma. "Es ist Zeit für eine Neujustierung. Es ist an der Zeit, sich die Projekte anzusehen und zu sehen, was wachstumsfähig ist. Es ist an der Zeit, sich Zukunftsstrategien zu überlegen. Es ist also ein guter Zeitpunkt, um sich zu treffen." Die Botschaft aus Kapstadt an die Industrie lautet: sich anpassen oder untergehen.
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