Opium für die Taliban

  23 Oktober 2016    Gelesen: 1934
Opium für die Taliban
Die diesjährige Opiumernte in Afghanistan ist nach einem UN-Bericht wieder einmal gestiegen. Der Anbau der Droge ist nicht nur ein einträgliches Geschäft für die islamistischen Taliban im Land, sondern auch ein zunehmendes globales Problem.
In Afghanistan führt der Vormarsch der Taliban zu einem deutlichen Anstieg der Opiumproduktion. Wie die Vereinten Nationen am Sonntag mitteilten, wuchs die Fläche zum Anbau von Schlafmohn in dem Land 2016 um zehn Prozent auf 201.000 Hektar. Das sei das dritthöchste Niveau seit mehr als 20 Jahren. Die Ernte werde in diesem Jahr um 43 Prozent höher ausfallen als 2015, schätzte das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). Die Regierung habe wegen der Erfolge der radikalislamischen Taliban einen deutlichen Rückschlag erlitten in ihren Bemühungen, Schlafmohnfelder zu vernichten. Opium ist der Rohstoff für Heroin. Die größten Mengen der Droge stammen aus Afghanistan.

Auf nur zwölf Seiten ist in dürren Zahlen und einigen Grafiken das wohl größte Versagen aller Beteiligten in Afghanistan seit 2002 verewigt. Das Faktum: Nach Milliarden der Anti-Drogen-Kampagnen hat Afghanistan wieder eine fette Opiumernte hervorgebracht. Die Botschaft: Das Land wird zum Narko-Staat, die radikalislamischen Taliban werden zu schwerreichen Drogen-Fürsten, die weltgrößte Opiumindustrie wächst weiter – ungehindert.

Hauptlieferant ist nach wie vor die bitter umkämpfte Provinz Helmand. Aber auch im Norden, wo in vielen Provinzen lange die Bundeswehr stationiert war, explodiert der Anbau. Die Mohnfelder haben sich hier mehr als verdreifacht.

Der Opiumertrag ist kontinuierlich gestiegen

Seit Jahren ist der afghanische Opiumertrag, mit gelegentlichen Ausreißern nach unten, kontinuierlich gestiegen - von 3276 Tonnen im Jahr 2000, über 5800 Tonnen im Jahr 2011, auf 6400 Tonnen im Jahr 2014. 2015 war die Ernte stark eingebrochen, vor allem wegen Pflanzenkrankheiten. Das hat aber nur dazu beigetragen, in diesem Jahr Preise und Nachfrage nach oben zu treiben. Um die 4800 Tonnen Opium könnte die Ernte bringen. Und möglicherweise sei das noch unterschätzt, heißt in einer Fußnote, die von mangelndem Zugang zu Provinzen spricht. Zu viel Blutvergießen - vor allem in jenen mit den meisten Drogen.

Es ist kein Zufall, dass es mehr Opium gibt, seit die radikalislamischen Taliban 2006 ihr Comeback begonnen haben. „Da ist ein gut dokumentierter Zusammenhang zwischen Unsicherheit und Mohnanbau“, sagt Jelena Bjelica vom Rechercheinstitut Afghanistan Analysts Network. „Mohn hat wenige Risiken in einer Hochrisiko-Umgebung. Es ist eine natürliche Wahl für Bauern im Krieg.“

Drei statt nur zwei Ernten im Jahr
Bei dem aktuellen Bericht macht die ehemalige UNOCD-Mitarbeiterin vor allem auf die erhöhte Ernte pro Hektar im Süden und Westen aufmerksam - ein Plus von mehr als 35 Prozent. Es gebe Anzeichen, sagt sie, dass es dort neue Pflanzen gebe, die nicht mehr nur zwei, sondern drei Ernten im Jahr erlaubten.

Das zementiert eine gefährliche und mittlerweile fast unumkehrbar erscheinende Entwicklung. Das afghanische Opium ist nicht nur ein globales Gesundheits- oder Kriminalitätsproblem. Es ist auch ein Sicherheitsrisiko. Denn Opium und Terrorismus sind eng miteinander verquickt. Die radikalislamischen Taliban sind Teil der Drogenmafia. In der Provinz Helmand kontrollieren sie mittlerweile 85 Prozent der 14 Bezirke - und damit Mohnanbaugebiete und Schmuggelrouten.

Hat die internationale Gegenwehr aufgegeben

Schon 2009 sollen die Taliban laut UN 155 Millionen Dollar am Drogengeschäft verdient haben. Im vergangenen Jahr sollen es mindestens 500 Millionen gewesen sein, sagt ein in Südafghanistan ansässiger Sicherheitsexperte. Der Operationsleiter der Antidrogen-Polizei, Abdul Bakhtiar, hatte schon vor Bekanntwerden der neuen Zahlen gesagt, dass die Taliban „mit noch mehr territorialer Kontrolle in Helmand noch tiefer in das Geschäft einsteigen“ könnten - zum Beispiel in die Heroin-Produktion.

Gleichzeitig scheinen die afghanische Regierung und ihre internationalen Unterstützer die Gegenwehr aufgegeben zu haben - gezwungenermaßen. Aus dem UNODC-Bericht geht hervor, dass 2016 gerade mal 355 Hektar Schlafmohn vernichtet wurden - ein Rückgang von 91 Prozent. Der Bericht erwähnt die „extrem schlechte Sicherheitssituation“. Anti-Drogen-Polizist Bakhtiar klagt, dass „die UN und die anderen Internationalen“ seinen Einheiten in den vergangenen Jahren immer weniger Geld gegeben hätten.

Kaum Alternativen, um Geld zu verdienen

Das könnte daran liegen, dass Experten sich heute einig sind, dass das Abbrennen von Feldern sowieso kontraproduktiv ist. Denn für viele Hunderttausende bitterarmer Menschen in Afghanistan ist das Opium die einzige Einnahmequelle. Den Schlafmohn wegzunehmen, ohne Alternativen anzubieten, habe jahrelang „bloß dazu beigetragen, verzweifelte Bauern in die Arme der Taliban zu treiben“, schreibt die Afghanistan-Expertin Vanda Felbab-Brown in einer 2016 erschienen Studie für das Recherche-Institut Brookings.

Aber Alternativen lassen sich schlecht anbieten in Landesteilen, aus denen Hilfsorganisationen sich schon lange zurückgezogen haben. Sie wurden dort immer wieder bedroht. Ohne Frieden stehen die Anti-Drogen-Initiativen damit vor der Wand. Der Frieden aber rückt weiter weg je voller die Kriegskasse der Taliban wird.


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