Wünsch dir was in Wuppertal
In "Wishlist", der neuen Mystery-Webserie im funk-Programm, lässt sich eine Schar junger Menschen trotzdem auf den dubiosen Düsterhandel ein, der in dieser Neu-Interpretation des guten, alten Teufelspaktes verlockenderweise absolut zeitgemäß und unkompliziert per App abgewickelt wird. Eine Gruppe von Schülern entdeckt eine Handy-App namens "Wishlist", die eines Tages plötzlich auf ihren Smartphones aufploppt und ihnen die Erfüllung aller ihrer Wünsche verspricht: Einfach die Anwendung öffnen, die sogleich mit säuseliger Siri-Stimme zu einem spricht, dann den aktuellen Wunsch äußern und die höfliche Appstimme berechnet sogleich die Gegenleistung, die dafür erbracht werden muss. Wünscht man sich etwa einen rosa Elefanten, der als handliche Stofftierversion geliefert wird, muss man dafür nur einmal bei fremden Leuten den Müll rausbringen, will man eine vermisste Person wiederfinden, wird das deutlich teurer: "Deine Aufgabe: Ersetze den Kölner Dom durch die Freiheitsstatue."
Hauptfigur ist die 17-jährige Mira (Vita Tepel, "Der Lehrer"), eine tendenziell eher grummelige Weltenzweiflerin. "Es ist nicht so, dass ich etwas gegen Menschen hätte, aber ich bevorzuge sie am anderen Ende einer 100-Mbit-DSL-Leitung", sagt sie über ihre Mitschüler, von deren Oberflächlichkeiten sie meistens genervt ist. "Wishlist" vergesellschaftet sie dann zwangsweise mit vier Mitschülern, als alle fünf dieselbe Gegenleistung für einen Wunsch erbringen müssen. Sehr gruselig ist das für eine selbst ernannte Mystery-Serie alles noch nicht, doch von Folge zu Folge werden die Jugendlichen immer abhängiger von der rätselhaften App, deren Spur sich in einem (zugegebenermaßen nicht besonders diabolischen) Möbelhaus verliert. Aber ein paar Folgen hat die Serie ja noch Zeit, um den Düsteraspekt zu schüren. Die Grundbotschaft ist jetzt schon klar: Sei auf der Hut, mit wem du Geschäfte machst, du könntest es teuer bezahlen.
Auch wenn das dramaturgische Grunddilemma der 10-teiligen Serie nicht neu ist, die Gestaltung und Ausstattung ist es allemal: Das beginnt mit der Länge der einzelnen Folgen, die mit 15 Minuten nicht nur klassisches Webserienformat hat, sondern zielgruppengerecht auch ungefähr die Länge anpeilt, die auch ein typischer Youtube-Vlog hat - außer in der funk-App werden die neuen Folgen jeweils donnerstags um 15 Uhr auch auf der Videoplattform hochgeladen. In den Dialogen der Figuren spürt man deutlich, dass hier Produzenten am Werk waren, die der jungen Zielgruppe selbst erst knapp entwachsen sind: "Wishlist" wurde für funk von der Produktionsfirma "Outside the Club" realisiert, auch Youtuberin Christina Ann Zalamea vom Kanal "Hello Chrissy" ist beteiligt.
Ältere Zuschauer nervt diese allumfassende Jugendlichkeit mitunter
So gelingt es tatsächlich, dass Jungmensch-Fachbegriffe wie "hatewatchen", "de-abo" und "Prank" sachkundig und ungestelzt in die Dialoge einfließen, WhatsApp-Sprachnachrichten und Snapchat-Schnipsel als dramaturgischer Botenbericht eingesetzt werden. Anspielungen wie "Janinas Beautube-Castle" mit "Knutschi-Special-Hauls" funktionieren als Humorstreusel, reale, zielgruppenprominente Produkte (wie die Kylie-Jenner-Lipkits) als Glaubwürdigkeitsanker. Fast ulkig retro-selig wirkt es da, wenn Casper, ein "Wishlist"-kritischer Charakter, bei seinen Recherchen nach den unbekannten Machern der App in einer Szene seine Google-Funde ausdruckt, um daraus eine Profiler-typische Schnipselpinnwand zu collagieren.
Ältere Zuschauer nervt diese allumfassende Jugendlichkeit mitunter, vor allem, wenn die Charaktere pampig miteinander umgehen und sich Sätze wie "Warum hältst du nicht einfach mal deine Fresse?", "Halt einfach dein hässliches Maul!", "Du dumme Hure!" häufen. Zahlreiche Auftritte bekannter bis mittelbekannter Youtuber von Mr. Trashpack bis Dailyknoedel, die ausnahmsweise einmal nicht sich selbst spielen, können älteren Menschen indes als praktischer Berufsjugendlichkeitstest gelten: Wieviele zielgruppenrelevante Promis erkennt man noch?
Eine zumindest dürfte jeder identifizieren können: Youtuberin Dagi Bee reüssiert in "Wishlist" mit einer ziemlich naturalistischen Darstellung einer überdrehten, affektierten Tinder-Trine, was durch ihre Verpaarung mit dem routinierten Synchronschauspieler Charles Rettinghaus dann doch arg an Schülertheater gemahnt. Schönstes nebensächliches Detail dagegen: "Wishlist" spielt in Wuppertal. Wer hätte gedacht, dass man eine betagte Schwebebahn so futuristisch-urban aussehen lassen könnte?