Parallel-Gesellschaft: Oktoberfest in München eröffnet
Die dpa berichtet über das Oktoberfest:
Der Münchner Oberbürgermeister hat sich vorsichtshalber eine extra große Spanne eingeräumt: Zwischen 2 und 17 Schläge werde er brauchen, um das erste Fass Wiesnbier anzuzapfen, sagt Dieter Reiter am Samstag. Minuten später landet er bei der Bestmarke. Zwei Schläge – dabei ist es erst sein zweites Wiesnjahr.
Reiter kann stolz sein. Sein berühmter Vorgänger Christian Ude (beide SPD) hat acht Jahre gebraucht, um das zu schaffen. «Hochprofessionell», «sehr konzentriert und kraftvoll», würdigt Ude den Erfolg seiner Nachfolgers. Nun müsse Reiter aber aufpassen, dass es mangels Steigungsmöglichkeiten nicht langweilig werde. Er rate deshalb zwischendurch zu einer «richtigen Panne», einer Bierfontäne etwa, «damit es wieder spannend wird».
Die Zahl der Schläge, die ein Stadtoberhaupt braucht, kann sein Ansehen durchaus mitbestimmen. Der Brauer Helmut Huber trainiert deshalb seit 29 Jahren Münchner Rathauschefs vor dem Anstich: Georg Kronawitter, Ude und nun Reiter. Dieses Jahr blieb wegen der Flüchtlingskrise nur eine halbe Stunde. Huber ist sehr zufrieden mit seinem Schüler. Reiter habe beim Anstich «volle Konzentration» gezeigt. «Es war schon klar, dass er gut trifft. Wenn der erste Schlag sitzt, hat er gewonnen.»
Auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der mit Reiter als erster auf eine friedliche Wiesn anstößt, ist des Lobes voll. Das sei wie ein Fußballer, der aus dem Stand einen Elfmeter trifft, sagte der Regierungschef, der sonst freilich recht schweigsam bleibt. Er wünscht sich für das Volksfest «gute Stimmung, Friedlichkeit, dass die Menschen zusammenrücken und eine große Familie bilden».
Gerade dieses Jahr hatte mancher dem Start des Volksfestes mit etwas zwiespältigen Gefühlen entgegengesehen. An die 20 000 Flüchtlinge sind am vergangenen Wochenende am Hauptbahnhof angekommen, haben teils dort campiert. Wenn angeheiterte Wiesngäste dazukommen, so die Befürchtung, wird es eng. Nach Schätzungen kommen an einem Wochenende mehrere Hunderttausend Festgäste über den Hauptbahnhof. Allein das: Ausnahmezustand.
Der Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä plaudert in der Ratsboxe, wo sich Politik und Prominenz nach dem Anstich zuprosten, locker über das, was seine Beamten da gerade leisten. «Wir haben Oktoberfestbeginn. Demonstrationen. Fußball. Flüchtlinge. Wir sind gut beschäftigt. Aber wir haben alles im Griff.»
Nur 60 Flüchtlinge kommen bis zum Mittag am Hauptbahnhof an. Sonderzüge sollten Asylsuchende von der österreichischen Grenze an München vorbei auf andere Bundesländer verteilen – und so die Lage am Hauptbahnhof entzerren.
Eineinhalb Kilometer weiter feiern Hunderttausende friedlich in Dirndl und Lederhose. Rettungskräfte und Polizeibeamte sitzen entspannt vor der Einsatzzentrale. Größere Zwischenfälle bleiben bis zum Nachmittag aus. Selbst das Wetter spielt in letzter Minute noch mit. Am Vormittag ist der Himmel noch grau, doch als die Wiesnwirte und Brauereien mit ihren bunt geschmückten Kutschen und Gespannen zum Anstich auf das Festgelände ziehen, kommt die Sonne durch.
Reiter gibt sich nach seinem Anzapferfolg betont bescheiden. «Zwei oder drei oder vier Schläge ist egal.» Es gehe um das Oktoberfest, sagt der OB, der zwei Wochen lang fast rund um die Uhr wegen der Flüchtlingslage in Alarmbereitschaft war und für das Management in München viel Achtung bekam. Niemand vergesse die Not der Menschen auf der Flucht. Aber: «Heute ist der Tag des Volksfestes.» Dass es friedlich bleibe und «dass alle hier Spaß haben – das ist es, was wir wollen».
Die Stimmung im Schottenhamel-Bierzelt ist bestens. Vor dem Anstich hat Mireille Mathieu ihre Stimme erhoben und mit «Hinter den Kulissen von Paris» einen echten Kontrapunkt zu «Oans, zwoa, gsuffa» gesetzt. Später springt DJ Ötzi auf das Podium und lässt die Kapelle schmettern: «Ein Stern, der deinen Namen trägt.»
Ministerpräsident Seehofer bekommt das nicht mehr mit. Schon nach einer guten Dreiviertelstunde hat er das Festzelt verlassen. «Ich habe so viele Aufgaben.» Weiterhin kommen Flüchtlinge nach Bayern.