Formal werden die Delegierten in München ein Grundsatzprogramm sowie zwei Leitanträge verabschieden. Es ist der Versuch, zur Sachpolitik zurückzukehren. Im Hauptpapier geht es um die Schärfung des konservativen Profils. Daneben segnet die selbsternannte Bayern-Partei 41 Seiten zum Politischen Islam ab, die jedoch wie ein längliches Grundstudium-Referat daherkommen und nicht zuletzt der Selbstvergewisserung dienen: Kinderehe, Burka, innere Sicherheit Leitkultur und Integration - alles dabei. 2018 wird ein neuer Landtag gewählt.
Zudem schwenkt die CSU in den anstehenden Bundestagswahlkampf ein und stimmt sich unter dem Slogan "Linksrutsch verhindern" auf den Lagerkampf gegen Rot-Rot-Grün ein. Ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung werden auf 16 Seiten erneut die Angst vor Stasi-Mitarbeitern in Landtagen sowie die SED-Vergangenheit der Linken aufgewärmt. Es wird vor einer Linksfront und einem Linksrutsch gewarnt; beides bedeute "Abstieg für Deutschland". SPD-Chef Sigmar Gabriel sowie Jürgen Trittin, Anton Hofreiter und Volker Beck von den Grünen haben es namentlich in das Papier geschafft. Für die AfD war dann allerdings kein Platz mehr. So weit, so gewöhnlich.
Drei leere Stühle
Doch das viele Papier verdeckt nicht, dass Seehofers Kurs der vergangenen Monate in München für drei leere Stühle sorgt. Der Satz "Wir schaffen das" aus dem fernen Berlin war für den Freistaat die untaugliche Illustration eines monatelangen Ausnahmezustands. Denn die Hunderttausenden Flüchtlinge erreichten Deutschland beinahe allesamt über den Freistaat. Die Kanzlerin rückte erst spät von ihrer Aussage ab. Längst hatte sich Seehofer heiser geschrien.
Doch eine Versöhnung nach erbittertem Streit ist ein zartes Pflänzchen. Und so haben sich beide darauf verständigt, dass Merkel nicht nach München reist. Im Vorjahr hatte sich die Kanzlerin nach ihrer zuvor artig beklatschten Rede von Seehofer für ihre Flüchtlingspolitik abkanzeln lassen müssen. Nun kommt Fraktionschef Volker Kauder, allerdings ohne eigenen Tagesordnungspunkt. Im Gegenzug wird wohl kein CSU-Spitzenpolitiker in offizieller Mission Anfang Dezember zum CDU-Parteitag reisen. Beide Seiten spielen den fast schon historischen Tatbestand nach Kräften herunter. Die offizielle Versöhnung beider Unionsschwestern ist nun für eine Klausur im Januar geplant - pünktlich zum beginnenden Bundestagswahlkampf.
Wer darf was wann in Bayern werden?
Die andere Baustelle sind die für in absehbarer Zeit vakant erklärten Posten des CSU-Vorsitzenden sowie des Ministerpräsidenten in Bayern. Zur Landtagswahl 2018 wolle er nicht mehr antreten und den Parteivorsitz, den er seit 2008 innehat, sogar schon früher räumen. Das Problem dabei: Seehofer hält sich den Zeitpunkt seines Rückzugs offen, genauer gesagt die Zeitpunkte. Selbst ein Rückzug von Rückzug scheint nicht ausgeschlossen. Zudem vermeidet es der 67-Jährige, öffentlich Nachfolger aufzubauen. Als heißer Kandidat gilt Finanzminister Markus Söder, doch den knufft und piesackt Seehofer nach Kräften.
So wünscht er den künftigen Parteichef am Kabinettstisch in Berlin - wohlwissend, dass Söder einen Wechsel in die Hauptstadt für sich ausschließt. In seiner Regierungserklärung zum neuen Bund-Länder-Finanzpakt dankt er wortreich Kanzlerin Merkel. Fast wäre sogar der Name des Thüringer Regierungschefs der Linken, Bodo Ramelow, gefallen. Erst auf Zuruf aus dem Plenum erinnerte er sich an seinen eigenen Finanzminister Söder. "Ich habe Markus heute schon im Kabinett gedankt", ulkt er und hätte es dabei bewenden lassen können. "Wenn nicht, hole ich das jetzt nach", schiebt er aber hinterher.
Gehandelt wird zudem Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die dazu aber schweigt. Ebenfalls im Rennen ist wohl Innenminister Herrmann, der laut "Bild" künftiger Bundesinnenminister und neuer CSU-Chef werden könnte. In diesen Überlegungen könnten sich dann Aigner und Söder um den Posten des Ministerpräsidenten balgen. Letzterer gibt sich seit einigen Wochen ebenfalls recht wortkarg. Nur gegen Seehofers Berlin-Direktive erhob er dann doch die Stimme.
Der Deutschland-Retter
In einer anderen für die CSU elementaren Frage präsentiert er sich indes ganz auf Parteilinie. Denn der Beilegung des Streits mit der CDU steht noch die von Merkel angelehnte Obergrenze im Weg. Maximal 200.000 Flüchtlinge will Seehofer jährlich ins Land lassen. Mehr schaffe Deutschland nicht. Inhaltlich ist das nahe bei Merkel. Doch die Kanzlerin nennt keine Zahl. "Am Ende ist es Wortklauberei", sagt Spahn. Doch die CSU meißelt sich das O-Wort ins Grundsatzprogramm. Ebenso findet es sich im Leitantrag zum "Politischen Islam". Söder verteidigt beides in der ARD und spricht von einer "festen Überzeugung".
So wird die CSU mit dieser Forderung wohl in den Wahlkampf gehen. Gleichzeitig muss Seehofer seine gegen Berlin aufgewiegelte Basis wieder einfangen. Die Strategen werden um das Wort kreisen, bis eine windelweiche Formulierung gefunden ist. Möglicherweise wird Seehofer aber schon beim Parteitag Merkel verteidigen müssen - dann nämlich, wenn ihr per Antrag eines Delegierten die Unterstützung im kommenden Wahlkampf versagt werden soll. "Worte der Sympathie" wolle Seehofer dann finden, heißt es in Prteikreisen.
Merkel will bis zum CDU-Parteitag Farbe bekennen - was für nur die erneute Kanzlerkandidatur bedeuten kann. Dann aber steht auch Seehofer vor vollendeten Tatsachen. Am Ende aber werden alle Sieger dastehen wollen. Und so wird es Seehofers dringlichste Aufgabe sein, rasch eine gemeinsame Linie mit der CDU für den Wahlkampf zu finden. Dabei dürfte ihm helfen, dass dann um nichts geringeres als Deutschlands Zukunft geht, wie es in einem der Leitanträge heißt. Aber dieses Feld beackerte der CSU-Chef ja bereits in den vergangenen Monaten. Bleibt nur noch die Frage: Wer darf was wann in Bayern werden?
Tags: