Wer braucht schon den November?

  05 November 2016    Gelesen: 638
Wer braucht schon den November?
Nass, kalt und trist. Die in den Schubladen nach unten gewanderten Wollsocken werden wieder nach oben gekramt, der Vorrat an Taschentüchern wird aufgestockt und für die Unlust zum Fensterputzen gibt es eine gute Ausrede: Schietwetter.
Viele Menschen haben Lieblingsmonate, die meisten würden wohl auf Anhieb den Liebesmonat Mai nennen. Je nach Anspruch gibt es auch die unterschiedlichsten Redewendungen. "Ist der Mai kühl und nass, füllt er dem Bauern Scheuer und Fass", meint der Agrartätige, der Camper dagegen weiß: "Ist der Mai warm und trocken, kannst du auch im Freien hocken". Dann kennen wir noch Bezeichnungen wie "holder Lenz" und "goldener Herbst" – aber kennen Sie jemanden, der den November mag und auch noch Gutes über diesen Monat zu sagen weiß? Ich nicht! Wenn es einen Gott gibt – warum hat er dann diesen dunklen November erfunden?

Der Nebel hängt über Berlin, so dass meist der Fernsehturm überhaupt nicht zu sehen ist und als Orientierung für Autofahrer flach fällt. Es knackt am Fenster und ich glaube, die Heizung meint es gut mit mir, aber es ist nur der Regen, der von der Dachkante auf mein Fensterbrett tropft. Früher wurde dieser Monat auch Windmond, Wintermond und Nebelmond genannt – dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Höchstens noch, dass es in Bussen und Bahnen überall schnieft und wer mit einem Hühnerauge zum Hausarzt geht, kommt möglicherweise mit Husten und Schnupfen wieder nach Hause. Bestenfalls nur mit einer Grippeschutzimpfung.

Wer braucht schon diesen Übergangsmonat vom Herbst zum Winter? Meine dicke Linde im Garten überschüttet mich mit ihrem Laub und vom Gartenmöbeleinmotten bis zum Regenwassertonnenleeren habe ich nur Arbeit und Verdruss mit jedem November! Pilze sammeln in den Wäldern ist auch nicht mehr, nur die Jäger, die freuen sich, die haben jetzt Haupterntezeit. Der Ärger fängt schon Ende Oktober mit dieser nichtsnutzigen Uhrenverstellerei an; wer hat das bloß erfunden? Und wehe dem, der auf dem Klo hockt und zufällig auf die Baduhr schaut: Ist die nun schon umgestellt? Wenn die 7 zeigt, ist es dann 6 oder 8 Uhr? Da kommt man nicht nur bei Verstopfung ins Schwitzen. Und überhaupt: Was ist die richtige Zeit? Also weder Sommer- noch Winterzeit, sondern einfach nur Zeit? Die, die es schon immer gab?

Nun soll es ja auch im November Tage geben, an denen es die Sonne durch die Wolken schafft; derzeit ist davon hier in Berlin nicht viel zu spüren. Doch wie alles im Leben ist auch das Wetter ungerecht verteilt: Mein Schulfreund Klaus rief aus dem Allgäu an und schwärmte von seinem Blick aus dem Wohnzimmerfenster auf die Zugspitze "bei Sonnenschein und blauem Himmel". Wenigstens bis zum Mittag hat er auch was vom Nebel – und teils schon glatte Straßen! Und auf der Südhalbkugel ist jetzt Frühling, wohl dem, der jetzt da Urlaub macht. Meine Nichte Antje schickt mir Fotos aus Chile, wie sie mit krummbeinigen Gauchos irgendwelche Berge rauf und runter reitet und durch Flüsse, wo den kurzbeinigen Pferden das Wasser bis zum Bauch reicht, von Königspinguinen auf Feuerland und den sonnenbeschienenen Felstürmen im Torres del Paine Nationalpark, die ihrem Namen "Türme des blauen Himmels" alle Ehre machen. Nur mit dem Paddeln auf der Magellanstraße hat es nicht geklappt: zu viel Wind. Da ist er wieder, der Novemberwind - bei mir wackeln die Birken vor dem Fenster und verlieren haufenweise ihre gelben Blätter.

Kuscheln oder kochen oder beides

Offenbar kann man selbst dem November einige positive Seiten abgewinnen, bei viel gutem Willen sogar in nebeligen Großstädten: Es gibt wieder mehr freie Parkplätze und sich an Straßenkreuzungen vordrängelnde Biker werden weniger, weil sie ihre Maschinen einmotten. Pollen und Mücken sind verschwunden und bis zum Weihnachtsstress haben wir noch ein bisschen Zeit. Sorgen um die verschwundene Bikinifigur muss man sich auch nicht mehr machen, Oversize-Pullover sind Trend, verhüllen so manche sommerliche Grillsünde und lassen Platz für kommende Schlemmer-Folgen. Dass sie auch schön warm halten, ist eigentlich Nebensache.

Der November kann die Kleiderwahl recht schwierig machen, denn er kann so ziemlich alles bieten zwischen Rekordwärme und eisiger Kälte: Am 6. November 1997 konnten sich die Bayern in Rosenheim bei 25,9 Grad Celsius im schönsten T-Shirt-Wetter sonnen; ein Jahr später, am 22. November 1998, bibberten die Freistaatler in Oberstdorf bei minus 22,4 Grad. Das sind fast 50 Grad Temperaturunterschied! Über etwaige Temperaturausrutscher nach oben brauchen wir in diesem Jahr nicht zu spekulieren, das ist nicht in Sicht. Und dann diese ewig schlechte Laune! Man fühlt sich schlapp und müde, wer soll denn da in Stimmung kommen? All das ist keine Einbildung, sondern der Winterblues. Den gibt es wirklich – jeder vierte Deutsche spürt diese Verstimmung. Zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung bekommen sogar eine Winterdepression. Schuld ist der Lichtmangel, da wird nämlich mehr vom Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet. Dennoch gelingt es vielen Menschen, das Beste aus dem November herauszuholen. Sie lassen das schlechte Wetter da, wo es ist, nämlich draußen, und kuscheln sich schön warm ein zu Hause: Bundesweit werden im November die meisten Kinder gezeugt. Das sagen jedenfalls die Geburtendaten des Statistischen Bundesamtes, die regelmäßig im Juli, teils auch im August, nach oben schnellen.

Nicht ganz so folgenreich wie das Kuscheln ist das Kochen, macht aber auch Spaß und hebt die Laune. Es gibt so viele farbenfrohe Gerichte, die sich gut gegen das Einheitsgrau des Novembers einsetzen lassen. Wenn es dann noch ein Süppchen ist, kann man sich an der Suppentasse zusätzlich schön die Hände wärmen. Mit ins Bett nehmen kann man die auch. Ich habe vor ein paar Tagen mit einer köstlichen, intensiv-roten Paprikasuppe gegen den November-Blues angekocht. Ehrlich gesagt: Die Idee ist geklaut. So ein aromatisches "Schaumsüppchen von gerösteten Paprikaschoten" habe ich im vergangenen Jahr im Restaurant "Heck-Art" in Chemnitz gegessen; die Suppe hat mich dermaßen überzeugt, dass ich mir zwecks Nachbau die auf der Speisekarte angegebenen Bestandteile notiert habe: Cayenne, Waldhonig, Kartoffelpüree und wilde Kräuter. Meine Suppe hat ein wenig anders geschmeckt (ich hatte auch keine wilden, sondern nur zahme Gartenkräuter), aber nicht minder köstlich:

Suppe von gerösteten Paprikaschoten

Zubereitung:

Paprikaschoten waschen, abtrocknen und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen. Im vorgeheizten Ofen bei 200 – 250 Grad Celsius rösten. Wenn die Oberseite braun wird und Blasen bildet, die Schote umdrehen und weiterrösten, bis auch diese Seite braun und blasig ist. Die gerösteten Schoten in einen Topf legen, mit dem Deckel schließen und etwas abkühlen lassen, damit man sich beim Pellen nicht die Finger verbrennt.

Von allen Schoten mit einem Küchenmesser die Haut abziehen, Stielansatz, Scheidewände und Samen sorgfältig entfernen. Eventuell abtropfenden Fruchtsaft auffangen; auch das Schwitzwasser im Topf nicht weggießen. Die abgepellten Schoten in grobe Stücke schneiden und zusammen mit Fruchtsaft und Schwitzwasser (das ist durch die Röststellen auf der Haut bräunlich) mit dem Mixstab fein pürieren. Den Geflügelfond in das Paprikapüree rühren, eine geschlitzte Chili dazugeben und aufkochen; beiseite stellen.

Die Kartoffeln schälen, in Stücke schneiden und in wenig Salzwasser unter Zugabe von Salbei, Thymian und Rosmarin weich garen. Abgießen (Wasser auffangen), die Kräuter entfernen (falls kein Kräutersieb benutzt wurde), die Kartoffelstücke ausdampfen lassen und mit dem Stampfer fein zerdrücken. Die Butter, 1 EL vom Kochwasser und etwas Sahne unterrühren, so dass ein geschmeidiges Püree entsteht. Mit Salz und fein gemahlenem schwarzen Pfeffer abschmecken. Von dem Püree etwa 1 EL abnehmen und beiseite stellen.

Das Paprikapüree wieder erhitzen, die Chili entfernen, das Kartoffelpüree mit dem Schneebesen unterrühren. Mit Waldhonig und Salz abschmecken. Die Sahne in einem Sahnesiphon oder einer Espuma-Flasche aufschäumen. Ich habe meinen Sahneschaum in einem herkömmlichen elektrischen Milchaufschäumer hergestellt, reicht aus, man braucht nicht viel Schaum. In die Mitte jedes Tellers einen kleinen Kegel von dem beiseite gestellten Kartoffelpüree setzen, die Suppe ringsum verteilen, bis der Kegel bedeckt ist und darüber den Sahneschaum platzieren.

Tipp: Wem die Spielerei mit dem Pü-Kegel zu viel ist, kann das auch weglassen und alles Püree in die Suppe rühren. Macht aber Spaß, unter dem weißen Schaum in der roten Suppe das gelbe Kartoffelpüree zu entdecken! Wer noch mehr Farbe nötig hat, legt noch ein grünes Mini-Petersilienblättchen an den Sahneschaum.

Kochen Sie sich den November bunt – Ihre Heidi Driesner.

Quelle: n-tv.de

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