“Viele starben angeschnallt in ihren Sitzen“

  01 November 2015    Gelesen: 570
“Viele starben angeschnallt in ihren Sitzen“
Vor allem russische Urlauber starben im Airbus, der über Ägypten abstürzte. Noch ist die Unglücksursache unklar. IS-Kämpfer behaupten, die Maschine abgeschossen zu haben. Von Martin Gehlen
"Ich sehe nun die tragische Szene. Zahlreiche Tote liegen auf dem Boden und viele starben angeschnallt in ihren Sitzen", berichtete ein Retter vom Absturzort per Telefon der Nachrichtenagentur Reuters. "Das Flugzeug ist in zwei Teile zerbrochen, der hintere mit dem Leitwerk brennt, der vordere ist in einen Felsen gerammt." Gut zwanzig Minuten nach dem Start im ägyptischen Badeort Scharm asch-Schaich war die russische Urlaubsmaschine am Samstagmorgen im Norden des Sinai abgestürzt.
Nach Angaben der Rettungstrupps, die zwei Stunden später an der bergigen Unglücksstelle eintrafen, überlebte niemand der 224 Passagiere, darunter 17 Kinder und sieben Besatzungsmitglieder. Die Regierung schickte dennoch fünfzig Rettungswagen zum Absturzort 100 Kilometer südlich der Provinzhauptstadt El-Arish. Bis zum späten Nachmittag wurden etwa 100 Tote geborgen, die nach Kairo geflogen und im Zeinhom-Leichenhaus im Zentrum der Hauptstadt aufgebahrt werden sollen.

Die beiden Flugschreiber der Maschine sollen sichergestellt worden sein. Der 18 Jahre alte Airbus A 321 gehörte der kleinen russischen Fluggesellschaft Kogalymavia, die auch unter den Namen Kolavia und Metrojet firmiert und ihren Sitz in der sibirischen Stadt Tjumen hat. Der Urlaubsflieger war kurz vor sechs Uhr Ortszeit in Richtung St. Petersburg gestartet und sollte mittags auf dem Flughafen Pulkovo landen. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti habe die Besatzung bereits am Boden über Schwierigkeiten mit einem Triebwerk geklagt.

Kurz nach dem Start meldete der Pilot der Flugsicherung ein technisches Problem und bat um Erlaubnis, auf dem nächstliegenden Flughafen notzulanden. Danach brach die Funkverbindung ab. Nach Informationen der Website FlightRadar 24 verlor die Maschine plötzlich an Geschwindigkeit und stürzte innerhalb von Minuten aus ihrer Reiseflughöhe von 9.450 Metern zu Boden. Zum Zeitpunkt des Unglücks herrschte über dem Sinai gutes Wetter.

In Russland erklärte Wladimir Putin den Sonntag zum Staatstrauertag und schickte eine Sondermaschine mit eigenen Bergungskräften zur Absturzstelle. Nach Auskunft des Kremls richtete Russlands Präsident einen Krisenstab ein. Er ordnete an, eine eigene Kommission solle den Grund der Katastrophe ermitteln. Nach ersten Informationen der ägyptischen Sicherheitskräfte gibt es bisher keine Indizien für einen Terrorangriff. Allerdings verbreiteten Kämpfer, die sich zur Terrormiliz "Islamischer Staat" zählen, sie hätten die Maschine mit einer Rakete abgeschossen.

Alle Spekulationen zur Unglücksursache seien verfrüht, erklärte Ägyptens Minister für Zivilluftfahrt. Die letzte Flugzeugkatastrophe in Ägypten ereignete sich 2004, als eine Chartermaschine der einheimischen Gesellschaft Flash Airlines kurz nach dem Start in Scharm asch-Schaich in das Rote Meer stürzte. Alle 148 Menschen an Bord starben.

Nach einem Überblick des ägyptischen Tourismusministeriums besuchten im vergangenen Jahr etwa drei Millionen Russen Ägypten – die größte Gruppe unter den ausländischen Feriengästen. Reisebüros locken mit günstigen Pauschalangeboten und dem guten politischen Verhältnis zwischen Kairo und Moskau. Da westliche Touristen wegen mehrerer Terroranschläge und der derzeitigen autoritären Regierung das Land meiden, sind russische Kunden für die ägyptische Ferienbranche inzwischen von zentraler Bedeutung.

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