Nur ein Zwischenfall von vielen. Denn: "Gewalt gegen Lehrkräfte ist kein Einzelfall", sagte Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), am Montag bei der Vorstellung einer Studie über Gewalt gegen Lehrer. Sechs von 100 Lehrern sind demnach schon einmal körperlich von ihren Schülern angegriffen worden.
Hochgerechnet seien damit mehr als 45.000 Lehrkräfte (sechs Prozent) an allgemeinbildenden Schulen bereits Opfer von tätlicher Gewalt geworden. Zu den körperlichen Angriffen gehörten etwa Fausthiebe, Tritte, An-den-Haaren-Ziehen oder das Bewerfen mit Gegenständen.
Von Cybermobbing bis Bedrohung
Noch größer sei die Zahl der Lehrer, die psychische Gewalt erleben mussten, so Beckmann. Fast ein Viertel (23 Prozent) berichtete demnach über eigene Erfahrungen mit Bedrohungen, Beleidigungen, Beschimpfungen oder Mobbing - nicht nur von Schülern, sondern häufig auch von Eltern. Seltener genannt wurden Kollegen und die Schulleitung als Quelle solcher Angriffe.
Zwei Prozent der Lehrer gaben an, an ihrer Schule schon einmal Ziel von Cybermobbing gewesen zu sein.
Für die repräsentative Studie hatte das Forsa-Institut im September und Oktober bundesweit fast 2000 Lehrer interviewt, davon jeweils 500 in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern.
Trotz der weit verbreiteten Erfahrungen vor allem mit psychischer Gewalt sei das Thema dennoch ein Tabu, so Udo Beckmann. Mehr als die Hälfte aller Befragten (57 Prozent) hatten ausgesagt, dass sie darüber im Kollegen- oder Freundeskreis nicht sprechen könnten.
Bei tatsächlichen psychischen Angriffen durch Schüler hatten 86 Prozent der betroffenen Lehrer den Vorfall anschließend gemeldet. Kamen die Attacken von Eltern, hielten dagegen nur 65 Prozent der Lehrer eine offizielle Meldung für einen Erfolg versprechenden Weg. "Das dürfen wir nicht hinnehmen", so Beckmann. "Das Thema muss öffentlich werden - auch, damit entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Lehrkräfte müssen vor Angriffen geschützt werden und für Notfälle gut ausgerüstet sein."
Immer wieder Fälle vor Gericht
Aufsehen hatte etwa ein Fall in Niedersachsen erregt, bei dem ein 14-jähriger Gymnasiast einen Lehrer bei einer Klassenfahrt mit einem Schnürsenkel gewürgt haben soll. Der Lehrer hatte ihm das Handy abgenommen. Der Fall landete vor Gericht, der Schüler wurde zu Sozialstunden verurteilt. In einem anderen Fall berichtete die "Rheinische Post" im vergangenen Jahr von dem Prozess gegen einen 15-jährigen Schüler. Er soll auf insgesamt vier Lehrerinnen losgegangen sein, sie mit Fausthieben und Ohrfeigen traktiert und eine Lehrerin mit einem Farbbecher überschüttet haben.
Erst vor wenigen Tagen hatte der VBE-Landesverband Nordrhein-Westfalen vor einer Verrohung der Umgangsformen und der Sprache in der Gesellschaft allgemein gewarnt und sich einem Appell bayerischer Lehrer gegen Hasssprache angeschlossen. "Wir erleben eine Aggressivität, eine Sprache des Hasses, der Geringschätzung und Diskriminierung, persönliche Beleidigungen, bewusste Kränkungen und Ausgrenzung in Wort und Handeln", hieß es darin.
Quelle : spiegel.de
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