Welche Rechten stecken hinter dem schwarzen Haken?
Und sie wehen nicht nur über rechten Köpfen – auch bei der großen Anti-TTIP-Demonstration vor drei Wochen in Berlin zeigte die "Identitäre Bewegung" Flagge, bis linke Freihandelsgegner den Braten rochen und die fremdenfeindliche Truppe vertrieben.
Die bisher spektakulärste Aktion der in Frankreich entstandenen Bewegung war die Besetzung des Dachs einer Moschee durch etwa 80 Anhänger der "Génération Identitaire" im Jahr 2012 – ausgerechnet in Poitiers, wo die Franken unter Karl Martell 732 die muslimische Expansion stoppten.
Im selben Jahr veröffentlicht die Gruppe eine "Kriegserklärung" an den Multikulturalismus auf YouTube. Als das Video im Herbst 2012 erstmals mit deutschen Untertiteln durchs Netz geistert, werden die Identitären auch hierzulande aktiv: Anfang Oktober gehen die Facebook-Auftritte der Identitären Bewegung Deutschland, die derzeit 21.000 Nutzern "gefällt", und zahlreicher Ortsgruppen online. In Frankfurt stören Anhänger die Eröffnung der Interkulturellen Wochen. Ende Dezember sind sie mit einem pathetischen Auftritt vor dem Brandenburger Tor erstmals in den großen deutschen Medien.
Einen weiteren Bekanntheitsschub bekamen die selbst ernannten Kulturverteidiger in diesem Jahr durch Michel Houellebecqs viel diskutierten Roman "Unterwerfung" (franz. "Soumission"), der mit einem letztlich erfolglosen Kampf der Identitären gegen die Verwandlung Frankreichs in einen islamischen Staat den Teufel an die Wand malt.
Genau vor diesem Szenario zittern die Identitären: ein Verblassen nationaler und kultureller Identitäten der Europäer bis zur Unkenntlichkeit, begleitet von und bedingt durch den Bedeutungszuwachs des Islam.
Dieses Menetekel erscheint ihnen in migrantisch geprägten Großstadtvierteln und in sämtlichen Ärgernissen, die irgendwie in Zusammenhang mit dem Fremden, dem anderen, dem Islam gebracht werden können. Ihr zentrales Anliegen ist es, den "großen Austausch" der Bevölkerungen Europas zu stoppen.
Popkulturelle Anleihen für ein cooles Image
Ausdruck findet diese Selbstwahrnehmung als unerschrockene Bewahrer des kollektiven Eigenen gegenüber dem Fremden in dem Symbol der Identitären: Der griechische Buchstabe Lambda auf gelbem Grund ist der Comicverfilmung "300" entnommen. Dort ziert der schwarze Haken die Schutzschilde einer kleinen Schar tapferer Spartaner im Abwehrkampf gegen eine barbarische Perser-Streitmacht.
Solche popkulturellen Anleihen haben bei den Identitären System. Sie kleiden ihre alte völkische Weltanschauung in ein möglichst cooles Gewand, um zumindest ästhetisch anschlussfähig an urbane Jugendkulturen zu sein.
Hip, clever und nationalistisch – das muss sich nicht ausschließen, so die Botschaft hinter den vielen im Internet verbreiteten Videos. Dort kann man etwa Identitäre bei Flashmobs in großen deutschen Städten mit dem Gettoblaster auf der Schulter beobachten, wie sie durch Straßen tanzen und Banner ("Multikulti wegbassen") in die Luft halten. In Schulungscamps und Sommeruniversitäten werden Kampfsporttechniken und rechte Theoretiker studiert.
In Österreich, wo die Szene nach Frankreich am stärksten ist, errichteten Identitäre einen zwei Meter hohen Zaun an der Grenze zu Ungarn und versuchen mit der Kampagne "Werde Grenzhelfer", Jugendliche zu ermuntern, es ihnen gleichzutun.
In all diesem Treiben wehren sie sich gegen den Vorwurf, rassistisch zu sein, und bezeichnen sich als "ethnopluralistisch" – Kulturen sollen friedlich und abgegrenzt nebeneinander leben und sich bloß nicht durch Migration vermischen und schwächen.
Bewegung wird bisher nur vereinzelt beobachtet
Dass hinter diesem statischen Kultur- und Identitätsbegriff doch der böse alte Rassismus steckt, der Eigenschaften Einzelner an die biologische Zugehörigkeit zu einem Volk oder einer "Rasse" knüpft, legt das abwertende Vokabular der Identitären nahe. Flüchtlinge und Migranten werden etwa häufig als Invasoren bezeichnet.
Bislang taucht die Gruppierung nur in den Verfassungsschutzberichten einzelner Bundesländer auf, das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet sie nicht. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag nennt die Bundesregierung jedoch die französische "Génération Identitaire" rechtsextrem. Sie sei "maßgebliches Vorbild" der Identitären Bewegung Deutschland.
Eines sind die Identitären aber ganz gewiss: Feinde der Fremden. Dass zu einer wie auch immer definierten deutschen Identität, zum Deutschsein, unbedingt Jerusalem, Athen und Rom gehören, das ist ihnen fremd.