Oktoberfest-“Tatort“ Zombieapokalypse im Festzelt

  21 September 2015    Gelesen: 1314
Oktoberfest-“Tatort“ Zombieapokalypse im Festzelt
Es gibt dankbarere Aufgaben, als einen Wahnsinnigen unter 10.000 Wahnsinnigen zu finden - die Kommissare Leitmayr und Batic haben im Münchener "Tatort" alle Hände voll zu tun. Heimlicher Hauptdarsteller ist in "Die letzte Wiesn" allerdings ein anderer: der Teufel Alkohol.
Leitmayr hat die Schnauze voll: Jedes Jahr aufs Neue muss er sich München mit den sechs Millionen Besoffenen teilen, die seine Stadt zur Wiesnzeit vollkotzen. Dann doch lieber ab in die Toskana, Landschaften malen. Weil aber irgendjemand beschließt, aus möglichst vielen Oktoberfest-Bierleichen echte Leichen zu machen und wahllos GHB in Maßkrüge leert, bleibt dem Kommissar nicht allzu viel Zeit zur Entspannung: Die Pflicht ruft.

Der Plot des neuen Münchener "Tatortes" ist denkbar simpel gestrickt, "Die letzte Wiesn" unterhält trotzdem großartig - was vor allem an der sehr speziellen Ästhetik der Episode liegt. Ausnahmezustand in der U-Bahn, menschliches Leid auf offener Straße, hirnlose Horden, die gegen die Tore der Festzelte branden, torkelnde und stöhnende Ungeheuer mit Wahnsinn in den Augen: München zur Oktoberfestzeit, das ist Zombieapokalypse in Reinstform.

Grabbelhände und Radlerhosen

Konsequenterweise hat der Bayerische Rundfunk dafür den einzigen deutschen Regisseur angeheuert, der sich mit der Materie auskennt: Marvin Kren zeichnete 2010 für den mehr als ordentlichen Zombie-Schocker "Rammbock" verantwortlich, und auch "Die letzte Wiesn" spielt gekonnt mit den Stilmitteln des Genres.

Dass der BR so frech am Nimbus des Volksfestes rüttelt und es ungeschminkt als das zeigt, was es tatsächlich ist - das größte Massenbesäufnis der Welt - ist eine mutige Entscheidung, die sich auszahlt: Das fiktive "Amperbräuzelt" könnte auch ohne GHB-Exzesse direkt aus einem Bild von Hieronymus Bosch gefallen sein, und alle, die nicht volltrunken zu "Atemlos" auf den Tischen tanzen, sind dem Wahnsinn schutzlos ausgeliefert: Die Kommissare, die wegen ökonomischer Interessen das Zelt nicht schließen dürfen und unter 10.000 Gästen vergebens den einen Typen mit den K.O.-Tropfen suchen; vor allem aber die Bedienungen, die jahrelang schwere Bierkrüge durch die Gegend stemmen, Radlerhosen tragen, um den hemmungslosen Grabbelhänden der Volltrunkenen wenigstens nicht ganz schutzlos ausgeliefert zu sein - und mit 50 von ihren Arbeitgebern aussortiert werden, weil sie nur noch 10 statt 12 Maßen durch die Gegend wuchten können.

Ein paar Mal überspannt Regisseur Kren den Bogen zwar - wenn Laitmayr und Batic zum fünften Mal betonen, dass Italiener ach so wenig vertragen, rollt sogar der letzte Lederhosenträger genervt mit den Augen - alles in allem bietet dieser Event-"Tatort" aber sowohl Oktoberfestmuffeln wie auch Wiesnfans zünftige Sonntagabendunterhaltung: "Immer des Gschieß mit der Scheiß Wiesn" stimmt am Ende also doch nur teilweise.

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