Mal will er Zäune um Österreich ziehen, dann wieder doch nur um den Schengenraum.
Mal fordert er den Austritt Österreichs aus der EU, will eine Volksbefragung dazu. Jetzt will er davon nichts mehr wissen. Jedenfalls nicht, solange die Türkei draußen bleibt und es keinen "Zentralstaat Europa" gibt.
Mal poltert er im Wahlkampf, die Menschen würden sich noch "wundern, was alles gehen wird", was als Drohung verstanden wird, als Präsident eine unbotmäßige Regierung einfach abzusetzen. Später bezeichnet er diese Aussage als "großen Fehler".
Ein paar hundert Meter weiter tritt Alexander Van der Bellen auf. Eröffnung des Christkindlmarktes, Dutzende Kameras richten sich auf den Grünen-Politiker, Hunderte Menschen drängen sich um ihn. Van der Bellen lächelt in die Kameras, winkt den Menschen zu, die ihn erwartungsvoll anschauen, und sagt - nichts.
Er hat sich zuletzt häufiger verteidigen müssen, weil er zu seinem Atheismus steht. Er hat von einer Wallfahrt erzählt, um bei jenen Österreichern zu punkten, denen Kirchennähe wichtig ist. Ein Rundgang auf dem Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus hilft vielleicht auch.
Österreich wählt am Sonntag einen neuen Bundespräsidenten, und es ist ein wahrer Politzirkus. Es ist die verschobene Wiederholung einer Stichwahl. Bei der eigentlichen Wahl im April, als sechs Kandidaten angetreten waren, war Hofer mit 35 Prozent überraschend mit den meisten Stimmen hervorgegangen. Bei der Stichwahl im Mai gewann dann der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen knapp. Das Ergebnis wurde von der FPÖ wegen Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung erfolgreich angefochten. Die für den 2. Oktober angesetzte Wiederholung musste aber wegen nicht richtig klebender Wahlumschläge verschoben werden. Nun also am Sonntag.
Wie sehr der Wahlkampf die Politik aufgerieben hat, kann man an der christlich-konservativen ÖVP beobachten: Der Riss geht mitten durch diese Partei, deren Spitzenpolitiker teils Hofer, teils Van der Bellen unterstützen. Oder auch an den Sozialdemokraten: Auch wenn die SPÖ sich größtenteils für Van der Bellen ausspricht, wirkt sie wankelmütig - die einen befürworten einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik, in der Hoffnung, rechte Wähler zu gewinnen, die anderen sehen darin ein schädliches Hinterherhecheln hinter der FPÖ.
"Ich habe eine andere Frisur als Trump"
In Umfragen liegen beide Kandidaten etwa gleichauf, Hofer knapp vor Van der Bellen. Gewinnt Hofer, wäre er der erste Rechtspopulist im höchsten Staatsamt innerhalb der EU. Manche Beobachter mutmaßen, der Sieg von Donald Trump in den USA nütze der FPÖ, andere behaupten das Gegenteil. Tatsache ist, dass Trump Umfragen zufolge in Österreich nicht sonderlich beliebt ist, gleichwohl von Rechtsextremen im Internet gefeiert wird.
Hofer müht sich deshalb mit dem Kunststück ab, sich einerseits von Trump abzugrenzen ("Ich habe eine ganz andere Frisur als er"), ihn andererseits aber gebührend zu bewundern und in Schutz zu nehmen ("Den gewählten Präsidenten einer Weltmacht darf man nicht als Hetzer bezeichnen").
Beide Kandidaten wirken müde. Ihr Wahlkampf ist zwar sachlicher und gemäßigter im Ton als noch im Frühjahr. In einem unmoderierten TV-Duell vergriffen sich damals beide im Ton, das Gespräch entgleiste. Doch auch Moderation hilft nicht immer: Am Donnerstagabend warfen sie sich im ORF gegenseitig "Lügen" vor und wirkten dabei wenig staatsmännisch.
Kraftloser Kandidat, hilflose Aktionen
Insgesamt scheint es, als tue sich Van der Bellen in den letzten Tagen vor der Entscheidung schwerer, sich in der öffentlichen Wahrnehmung gegen den schillernden Hofer zu behaupten. Aus der SPÖ ist zu hören, man sei "entsetzt, wie farb- und kraftlos" ihr Favorit rüberkomme. Tatsächlich wirken manche Aktionen von Van-der-Bellen-Fans eher hilflos. Da organisieren seine Anhänger eine "F*ck Hofer-Demonstration", oder sie beschmieren Hofer-Plakate mit Hitlerbärtchen.
Manchmal scheint es, als sei Hofer zu verhindern der einzige Inhalt. "Das ist ein wenig dünn", räumt selbst ein Grünen-Abgeordneter ein. "Hofer ist ein rechter Extremist, aber allein darauf zu setzen, dass man so einen als Präsidenten verhindern muss, reicht vielleicht nicht."
Das Van-der-Bellen-Team feiert als Erfolg, dass es im Wahlkampf den Song "I am from Austria" von Reinhard Fendrich nutzen darf, die heimliche Nationalhymne des Landes. Eine "kleine Sensation" sei das, posten seine Leute auf Facebook. Die FPÖ, die das Lied 2005 verwenden wollte, handelte sich damals eine Klage von Fendrich ein. Künstler und Prominente sprechen sich für Van der Bellen aus. Ob es hilft? Die Hofer-Anhänger nutzen das jedenfalls, um Van der Bellen als "Mann des Establishments" hinzustellen.
Eine schmutzige Schlacht
Für Aufregung sorgen im Endspurt des Wahlkampfs rassistische Aufkleber an Geschäften in der Wiener Innenstadt. Auch an einer Uni klebt ein Zettel, darauf: "Araberschuft, halt dich fern! An dieser Universität werden nur A(ust)RIER geduldet!" Darüber das FPÖ-Logo und ein Porträtbild von Hofer. Die FPÖ beeilt sich mitzuteilen, dass diese "Pickerl" nicht von ihr stammten. Manche vermuten linke Hofer-Gegner hinter der Aktion, andere die rechten Identitären, um Van der Bellen zu schaden. Wer wirklich dahinter steckt, bleibt unklar.
Während die beiden Kandidaten sich also halbwegs um Sachlichkeit bemühen, übernehmen andere den schmutzigen Part. Man kann es beim Hofer-Auftritt im Kursalon Hübner beobachten. Der Saal ist voll, die Leute streiten sich um Sitzplätze. Die FPÖ hat zu seinem "Symposium" zum Thema Massenmigration geladen.
Als erster tritt der frühere tschechische Präsident Vaclav Klaus auf, den die FPÖ fürs Grobe eingeladen hat. "Massenmigration wird Europa auch ohne Terrorismus zerstören", sagt er, und: "Man kann fast von einem Krieg in Europa sprechen!" Auf der einen Seite der "Schlachtformation" stünden Personen wie Trump, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache oder eben Hofer, den er ständig mit "Herr Präsident" anredet - sie würden für "Freiheit, Ordnung und Patriotismus" stehen. Auf der anderen Seite eine "autistische, arrogante, aggressive" Elite, "wie Frau Merkel". Die nutze Massenmigration, "um die europäische Gesellschaft umzugestalten."
Hofer grinst. Später wird er sich überrascht geben über die deutlichen Worte. "Der traut sich was", sagt er. "So etwas hört man nicht oft in Österreich." Aber die Zeiten änderten sich, die Leute würden sich nicht mehr vorschreiben lassen, was sie sagen dürfen und was nicht. Wenn er erst Präsident ist, klingt da durch, wird das anders.
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