Das nötige Geld dafür kommt vom italienischen Staat und von Spendern aus aller Welt. Ob bei Weihnachtslotterien von Fluglinien oder bei Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen, allerorten wird für das Kinder-Hospital gesammelt.
Doch ein Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), die im Auftrag des Papstes die Vatikan-Rechnungsbücher geprüft hat, weckt nun einige Zweifel, ob das Geld immer im Sinne der Spender ausgegeben wird.
Demnach mietete zum Beispiel die Stiftung, die Spenden für "Bambino Gesù" sammelt, im Februar 2012 einen Hubschrauber für 23.800 Euro, der einen Kardinal zu einem Fundraising-Termin brachte. Und mit 200.000 Euro beteiligte sich die Stiftung am Umbau der neuen Wohnung eben jenes Kardinals.
Dieser Kirchendiener, Tarcisio Bertone, war jahrelang der nach dem Papst mächtigste Mann im Vatikan. Als er im Herbst 2013 seinen Job und seine Dienstwohnung räumen musste und sich ersatzweise eine 600-Quadratmeter-Wohnung umbauen ließ, standen Bertone und sein "goldenes Penthouse" im Zentrum heftiger öffentlicher Kritik. Auch Papst Franziskus, so wird kolportiert, sei empört gewesen.
Damals wusste man freilich nicht, dass für Bertone offenbar sogar in den Spendentopf für kranke Kinder gegriffen wurde. Das behauptet nun der Journalist Emiliano Fittipaldi. Sein Buch "Avarizia" ("Geiz") wird zwar erst am Donnerstag dieser Woche präsentiert, hat aber schon vorab eine neue Vatikan-Affäre ausgelöst - "Vatileaks II". Denn Fittipaldi stellt nicht einfach Behauptungen auf, er hat offenbar die nötigen Dokumente, um alles zu belegen, nicht nur für die Finanzquellen des Bertone.
So hätten Buchprüfer der Firma KPMG Fonds mit insgesamt 471 Millionen Euro entdeckt, die in der Bilanz des Heiligen Stuhls nicht auftauchen. Der größte davon, mit 378 Millionen Euro, ist der "Obolo di San Pietro", deutschen Katholiken als "Peterspfennig" bekannt. Das sind Spenden von Gläubigen aus aller Welt, die direkt an den Papst gehen, um "dessen Sorge um die Erfordernisse der universalen Kirche und um den Liebesdienst an den Bedürftigen zu unterstützen", wie es im Spendenaufruf heißt. Gibt es zu wenig Bedürftige für so viele Spenden? Warum sammelt sich das Geld offenbar in verschwiegenen Kassen?
So wären die Immobilien des Vatikan tatsächlich wesentlich mehr wert, als in den Bilanzen veranschlagt. Statt einer Milliarde Euro müsse man von mindestens vier Milliarden ausgehen, so soll es in einer Aufstellung stehen, die für den Chef der vatikanischen Wirtschaftsabteilung, Kurienkardinal George Pell, aufgesetzt wurde. Der Marktwert könnte noch deutlich höher liegen.
So gebe es trotz aller Reformen auch weiterhin viele dunkle Konten bei der Vatikanbank IOR. Obwohl man einen gegenseitigen Informationsaustausch vereinbart hat, verweigert das päpstliche Bankhaus der italienischen Justiz bislang jede Auskunft darüber, ob ein Unternehmer, gegen den diese seit Längerem ermittelt, ein IOR-Konto habe - schon das ja oder nein würde ja gegen das Bankgeheimnis verstoßen. Der betreffende Unternehmer ist zufällig ein alter, enger Freund vieler Kurienkardinäle.
So kauften immer noch Tausende Römer - Freunde von Vatikan-Angestellten, deren Freunde oder wichtige Leute aus Politik und Gesellschaft - mit dem Vatikan-Ausweis Benzin und Zigaretten steuerbegünstigt und illegal im Kirchenstaat ein. Letzterer verdiene daran 60 Millionen Euro im Jahr.
Informanten enttarnt - einer in Haft
Alles das und noch viel, viel mehr, sagt der Autor, sei belegt. Doch anders als bei "Vatileaks I", sind die mutmaßlichen Lieferanten der Dokumente schnell enttarnt und inhaftiert worden: Lucio Angel Vallejo Balda, ein 54-jähriger Spanier, Sekretär in der Wirtschaftsabteilung des Heiligen Stuhls und Francesca Immacolata Chaouqui, eine 32-jährige Italienerin, die als PR-Beraterin arbeitet und in der römischen Gesellschaft gut vernetzt ist.
Beide waren Mitglieder des ersten, von Papst Franziskus einberufenen und inzwischen aufgelösten Beratungskreises für die wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten des Vatikan. Seit Mai ermittelt die Gendarmerie des Kirchenreiches, in der Nacht von Halloween wurden die beiden Verdächtigen eingesammelt und verhört. Die Italienerin versprach sofort volle Offenbarung und wurde deshalb gleich wieder entlassen. Der Spanier sitzt noch in jener Zelle, in der Paolo Gabriele im Herbst 2012 eine Weile saß: Der päpstliche Kammerdiener, der mit seinen Enthüllungen für "Vatileaks I" sorgte und schließlich vom damaligen Papst Benedikt XVI. begnadigt wurde.
Auch der Journalist, dem Kammerdiener Gabriele seinerzeit Papiere zutrug, um die Intrigen gegen den Papst aufzudecken, Gianluigi Nuzzi, ist wieder mit im Spiel. Auch er präsentiert am Donnerstag ein Buch, "Via Crucis" ("Kreuzweg), in dem vor allem der Papst zu Wort kommt, allerdings gegen seinen Willen. Aufgezeichnete oder mitgeschriebene Sätze des katholischen Oberhirten, so heißt es in Vorab-Berichten italienischer Medien, bestimmten das Buch. Zum Beispiel habe der Papst einmal während einer Sitzung des Wirtschaftskreises geklagt: "Wenn wir das Geld nicht bewachen können, das man sieht, wie bewachen wir die Seelen der Gläubigen, die man nicht sieht?"
Die Autoren Fittipaldi und Nuzzi verstehen sich wie ihre Whistleblower auch als Papsthelfer: Sie wollen Franziskus in seinem Reformkampf gegen die starre Ablehnungsfront in der Kurie helfen. Im Vatikan hält man von dieser Hilfe gar nichts. "Solche Publikationen", heißt es in einem Kommuniqué, "dienen nicht der Wahrheitsfindung, sie sorgen für Verwirrung." Es sei falsch zu glauben, das sei ein Weg, dem Papst zu helfen. Die Bücher seien "die Frucht eines Treuebruchs gegenüber dem Papst".
Zusammengefasst: Zwei neue Bücher enthüllen Vorgänge innerhalb des Vatikan: Eines zeigt und belegt offenbar auch, wie Spendengelder zweckentfremdet werden. Buchprüfer entdeckten demnach Fonds mit einem Wert von insgesamt rund 500 Millionen Euro, die in der Bilanz des Heiligen Stuhls nicht auftauchten. Im zweiten Buch werden vor allem aufgezeichnete Aussagen von Papst Franziskus aus internen Sitzungen veröffentlicht.
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