Nach Angaben der Organisation wurden seit Beginn des Bürgerkrieges im Frühjahr 2011 in Syrien fast 60.000 Zivilisten als vermisst gemeldet. Die Angehörigen erhalten demnach keinerlei Informationen über ihren Verbleib und müssen damit rechnen, selbst verhaftet zu werden, wenn sie versuchen, bei den Sicherheitsbehörden etwas zu erfahren.
Dieses System habe einen Schwarzmarkt entstehen lassen, auf dem Zehntausende Dollar an Unterhändler gezahlt würden, damit diese Informationen über die verschwundenen Angehörigen sammeln. Aus Verzweiflung verschuldeten sich die Familien, sagt Philip Luther, der Leiter der Amnesty-Sektion für den Nahen Osten und Nordafrika. "Sie bleiben mit wachsenden Schulden und einer klaffenden Lücke zurück, die ihr geliebter Angehöriger hinterlassen hat."
Die Verfasserin des Berichts, Nicolette Boehland, sagte, es gebe hinreichende Beweise dafür, dass der syrische Staat von dem Schwarzmarkt profitiere. "Wir sind sicher, dass Regierungs- und Gefängnisbeamte von dem Geld profitieren, das wegen der Verschwundenen gezahlt wird. Hunderte Zeugen haben das bestätigt", sagte Boehland. "Diese Praxis ist so weit verbreitet, dass kaum anzunehmen ist, dass die Regierung nichts davon weiß. Tatsächlich billigt sie diese Praxis, indem sie nichts tut, um sie zu beenden."
Laut Amnesty haben einige Familien ihre Immobilien oder ihre Lebensversicherungen verkauft, um ihre vermissten Angehörigen wiederzufinden – teils erhielten sie für ihr Geld falsche Informationen. Unter anderem wird der Fall eines Mannes geschildert, dessen drei Brüder 2012 verschwanden. Er brachte vergeblich umgerechnet fast 140.000 Euro auf, um sie zu finden. Heute arbeitet er in der Türkei, um seine Schulden zurückzahlen zu können.
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