Können Hacker Städte abschalten?

  19 Dezember 2016    Gelesen: 572
Können Hacker Städte abschalten?
Ein Computergenie zeichnet per Kontaktlinse Videos auf, sorgt für einen Stromausfall in Frankfurt. Vieles am aktuellen "Tatort" ist noch Zukunftsmusik, könnte aber schon bald real werden.
Zunächst ist da nur der Verdacht: Der Nachbar ist verschwunden, er hatte Streit mit dem Computerfreak Nils Engels. Die Kommissare Anna Janneke und Paul Brix besuchen den seltsamen Start-up-Gründer, der autistische Züge trägt, in seinem festungsartig ausgebauten Haus.

Engels hat das ehemalige Anwesen seiner Großmutter in ein Smart Home umgebaut. Der steril anmutende Rasen wird von einem Roboter gemäht, Sicherheitskameras haben jeden Winkel des Grundstücks im Blick, die meterhohe Umzäunung steht unter Strom.

Vieles im aktuellen "Tatort" mit dem Titel "Wendehammer" könnte aus einem Prospekt zur Zukunft des Wohnens stammen. Beispielsweise öffnet der Computerspezialist seine Türen mit einem implantierten Chip. Diese Technik wird bereits von einigen technikaffinen Firmen und Privatpersonen genutzt. Die Methode funktioniert über einen RFID-Chip, der bei Annäherung an ein Lesegerät Daten überträgt. Sich solche Chips einpflanzen zu lassen geht schnell und fast schmerzlos. Auch Haus- und Nutztiere können mit solchen Chips gekennzeichnet werden.

Autonome Rasenmäher erleichtern inzwischen vielen Gartenbesitzern die Arbeit. Das gleiche gilt für den sprachgesteuerten digitalen Assistenten, den Engels nutzt. Zwar sind reale Vorbilder wie Amazons Alexa Echo oder Googles Home noch nicht ganz so weit entwickelt, wie es der Assistent im Haus des Computerspezialisten vorgibt. Doch die Haussteuerung, Kalender- und Erinnerungsfunktion sowie Suchanfragen im Internet beherrschen auch die bereits vorhandenen Systeme.

Ein weiteres Gimmick, das der Nerd im "Tatort" nutzt, ist eine Kontaktlinse, die Videos aufnimmt. Sie wird im Film bei Gefühlsregungen aktiviert und zeichnet das Geschehen aus Sicht des Nutzers auf. Diese Kontaktlinsen sind Teil des Geschäftsmodells, das der Hacker in seinem Start-up gemeinsam mit seiner Schwester und einem Bekannten entwickelt hat.

Eine große US-Firma will die Technologie kaufen, die außergewöhnliche Momente der Nutzer für immer festhalten soll. Engels will seine Anteile jedoch behalten und fühlt sich von dem US-Konzern bedroht.

Noch nicht serienreif, aber weit fortgeschritten

Derartige Kontaktlinsen sind derzeit noch nicht zu bekommen. Firmen wie Google, Sony und Samsung haben aber bereits Patente auf ähnliche Technologien angemeldet. Bei Sony soll die Technik in der Linse stecken. Ausgelöst werden sollen Aufnahmen, ähnlich wie im "Tatort" skizziert, durch kontrolliertes Blinzeln.

Noch ist die Technologie allerdings nicht klein genug. Die Tatsache, dass mehrere große Unternehmen daran forschen, lässt aber den Rückschluss zu, dass Kontaktlinsen mit Videofunktion in Zukunft Wirklichkeit werden könnten.

Weit fortgeschritten ist dagegen bereits die Arbeit an einer anderen smarten Kontaktlinse. Google will damit den Glukosegehalt der Tränenflüssigkeit messen. Für Diabetiker würden damit andere Messmethoden entfallen. Auch diese Technik ist noch nicht serienreif.

Schließlich wird Engels durch eine Aufzeichnung seiner Kontaktlinse überführt, seine Schwester von einer Treppe gestoßen zu haben. Nachdem der Nachbarsjunge beim Kontakt mit dem Stromzaun des Unternehmers einen schweren Unfall erleidet, verabredet die Nachbarschaft offenbar dessen Tod.

Dabei machen sich die Täter Engels Hundephobie zunutze. Sie setzen seinen Zaun unter Starkstrom, hetzen Hunde auf ihn. Als er versucht, vor den Tieren zu fliehen, gerät er in den Zaun, stirbt am Stromstoß. Wenig später fällt in Frankfurt der Strom aus. Als eine Art Lebensversicherung hatte Engels Schadsoftware in das Stromnetz eingeschleust, die die Versorgung der Stadt lahmgelegt, wenn er nicht regelmäßig ein Codewort eingibt.

Möglich, aber nicht wahrscheinlich

Die Bundesregierung warnt schon länger, Kriminelle könnten kritische Infrastrukturen wie Stromnetze und Wasserwerke angreifen. Sicherheitsfirmen führen den Ausfall der Stromversorgung im Westen der Ukraine kurz vor Weihnachten 2015 auf einen Hackerangriff zurück. Sie entdeckten in den Computern einiger Versorger die Schadsoftware "Black-Energy".

Auch in Deutschland ist ein Hackerangriff auf das Stromnetz möglich. Ob es dadurch zu einem Totalausfall käme, wie ihn der "Tatort" zeigt, ist unklar. Seit einigen Jahren investieren die Versorger verstärkt in die Sicherheit.

Sicherheitsexperten gehen zudem davon aus, dass eher staatliche Akteure ein Interesse daran hätten, die Infrastruktur eines Landes anzugreifen. Eine Schadsoftware als Hacker-Lebensversicherung scheint eher unwahrscheinlich. Möglich ist ein solches Szenario dennoch.

Die im "Wendehammer" gezeigten Technologien lassen den "Tatort" nicht unrealistisch erscheinen, auch wenn viele noch nicht marktreif sind. Das Szenario könnte sich in naher Zukunft ähnlich abspielen. Noch ist die Fiktion der Wissenschaft allerdings voraus.

Quelle : spiegel.de

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