„Ich bin jetzt 100 Prozent Borussia“, sagte der neue Coach – still und heimlich huschte dabei ein Lächeln über das Gesicht des Gladbacher Managers Max Eberl, der Hecking drei Tage vor Weihnachten als Nachfolger von André Schubert präsentiert hatte. „Wir haben im Dezember gespürt, etwas Neues machen zu wollen“, sagte Eberl zu den Beweggründen, mit einen neuen Trainer in die Rückrunde zu starten. Es habe sich „ein Trott“ eingeschlichen, und er wolle „neue Impulse“ setzen in der gefährlichen Situation in der Bundesliga. Die Borussia ist auf Platz 14 weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben und in einer Tabellenregion, in der es momentan nur um den Klassenerhalt geht. Keine Umgebung, in der sich der Klub wohl fühlt.
Viele gute Ratschläge für Hecking
In den vergangenen Jahren gewöhnte man sich am Niederrhein an Erfolge, das internationale Geschäft und Plazierungen unter den ersten fünf. Dahin soll Hecking die Borussen wieder führen. „Er ist ein Trainer, der Erfolg kann, der mit jungen Spielern kann und der zu Borussia Mönchengladbach passt“, sagte der Sportdirektor, nicht ohne zu betonen, dass Hecking auch erfahren darin sei, Vereine aus schwierigem Fahrwasser zu schiffen.
Das ausgegebene Saisonziel, ein einstelliger Tabellenplatz, werde nicht nach unten korrigiert. Das Hauptaugenmerk Heckings liegt allerdings erst mal auf dem Abstiegskampf. „Es gilt, die Mannschaft zu stabilisieren, ihr wieder Selbstvertrauen zu geben“, so der neue Cheftrainer. Die Qualität, möglichst schnell die nötigen Punkte einzufahren, sei im Team vorhanden.
Die Zeitungsartikel der vergangenen Tage über die Borussia hat Hecking auch in seinem Urlaub überflogen. Es seien viele gute Ratschläge dabei gewesen, „aber lasst mich erst mal machen“, sagte der 52-Jährige, der die „offene Kommunikation“ leben will, mit einem Lachen. Natürlich habe er sich schon in Norwegen Gedanken über das erste Training und die ersten Maßnahmen gemacht. „Als Ur-Westfale liebe ich es, hart zu arbeiten und 24 Stunden am Tag Fußball zu denken“, so Hecking. Priorität sei jetzt, in kurzer Zeit schnell zusammenzuwachsen.
Neuer Führungsstil und neue Taktik
Die Gladbacher Spieler müssen sich an ihren neuen Chef, einen neuen Führungsstil und auch an eine neue Taktik gewöhnen. Während Schubert vor allem auf Flexibilität setzte, will Hecking „das Spielsystem mit der Mannschaft erarbeiten“. Das Spielsystem. Singular. Vorbei sind wohl die Zeiten, in denen die Borussia mit Dreier- oder Fünferkette agierte und während einer Partie gar noch auf Sechserreihe umstellte. Hecking pflegte bei all seinen Stationen ein 4-2-3-1-System. So machte er den VfL Wolfsburg zu einem Top-Klub, so wurde er Meisterschaftszweiter, gewann den DFB-Pokal und wurde „Trainer des Jahres 2015“.
„Wir müssen uns jetzt so schnell wie möglich aufeinander einstellen“, erklärte Hecking, der sich schon ausführlich mit Kapitän Lars Stindl ausgetauscht hat. „Es war das wichtigste Gespräch, was ich im Urlaub führen musste. Er hat mir ein sehr gutes Bild vom Ist-Zustand der Mannschaft gegeben.“ Neben der fehlenden Stabilität und mangelndem Selbstvertrauen muss Hecking noch andere Baustellen beackern. Zu schlecht ist die Ausbeute nach Großchancen, Ecken oder Freistößen. Auch Erfolge nach Ballgewinnen, bei Kontern, sind rar in Gladbach. Kein einziges Kopfball- oder Jokertor steht auf dem Konto der Borussia – viel Arbeit also für den neuen Trainer, der seinen langjährigen Vertrauten Dirk Bremser mitbringt.
Eberl erwartet vom Trainerwechsel neue Ideen, eine neue Ansprache und ganz eigene Vorstellungen. Und natürlich auch Aufbruchstimmung. Davon ist im Mönchengladbacher Umfeld allerdings bislang nicht viel zu spüren. Der neue Chef an der Seitenlinie sah sich, noch bevor er am Mittwoch die erste Trainingseinheit leiten konnte, der Kritik einiger Anhänger ausgesetzt – vor allem im Internet. „Wer bei einem Klub wie Wolfsburg gearbeitet hat, passt nicht zur Borussia“, so eine gängige Meinung in den sozialen Netzwerken. „Wir müssen die Fans im Borussia-Park mitnehmen, den Schulterschluss suchen, zusammenstehen“, wünschte sich Hecking.
Dabei soll mindestens ein neuer Spieler helfen, Verteidiger Timothee Kolodziejczak kommt vom FC Sevilla. Damit sei der Kader für die Rückrunde, die Mission Klassenerhalt und die Aufgaben im Europa- und DFB-Pokal, gewappnet. Hecking freut sich auf die neuen Aufgaben. „Ich habe die Möglichkeit, nachhaltig an den großen Erfolg anzuschließen“, sagte er. „Ich hoffe, hier einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen – hier, wo alles angefangen hat.“
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