Im Wall Street Journal vom Montag bestätigten sowohl Nato-Kommandeur General Philip Breedlove als auch General Mark Milley, der Vorsitzende des Generalstabs der Armee, den geplanten Truppenaufbau. Das amerikanische Militär hat zwei Brigaden mit 7.000 Soldaten permanent in Europa stationiert. Der Rotationsplan würde dem eine weitere Brigade hinzufügen.
Dem Journal zufolge schlug General Milley eine noch stärkere Erhöhung vor. Er sagte, würde es nach ihm gehen, dann würden noch mehr Brigaden zu dem Rotationskontingent hinzukommen, und darüber hinaus noch „Kampfhubschraubereinheiten, technische Teams und Artilleriebrigaden“. Damit würde die Zahl der US-Soldaten, die der Nato in Europa zur Verfügung stünden, praktisch verdoppelt, wenn nicht verdreifacht.
Viele Details des Rotationsplans müssen noch ausgearbeitet werden, aber Breedlove erklärte, dass die Entscheidungen „in den nächsten Monaten getroffen“ werden. Milley sagte dem Journal, die Armee ändere bereits ihre Ausbildungsmethoden, um sich auf „hybride Kriege“ einzustellen. Damit ist die Kombination von regulären und irregulären Kräften gemeint, wie sie bei der russischen Operation auf der Krim zur Anwendung kam.
Die Obama-Regierung und die EU-Regierungen zeigen sich alarmiert über die so genannte hybride Kriegsführung. Diese neue Technik wende Russland angeblich an, um sich Territorium anzueignen. Allerdings lenken die Westmächte damit nur von ihrer eigenen aggressiven Intervention in der Ukraine ab, bei der die Janukowitsch-Regierung 2014 durch ein Nato-freundliches Marionettenregime ersetzt wurde.
An der Spitze des Putschs in Kiew standen damals neofaschistische Gruppen, die vom US-Außenministerium und der CIA unterstützt wurden. Dieser Putsch war der Auslöser für die Intervention Russlands auf der Krim und die Rebellion russischer Separatisten in den ostukrainischen Regionen Donetzk und Lugansk. Die Bevölkerung der Krim ist mehrheitlich russisch und stimmte mit großer Mehrheit für den Bruch mit der Ukraine.
Breedlove und Milley haben in den letzten Wochen immer wieder betont, dass dem neuen Eingreifen Russlands in Syrien auf der Seite von Präsident Baschar al-Assad zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werde. Viel wichtiger sei die Konfrontation zwischen der Nato und Russland in der Ukraine und der ganzen Westgrenze Russlands entlang.
„Ich fürchte, dass wir mit Russland in Syrien beschäftigt sind und dabei den Donbass aus den Augen verlieren“, sagte Breedlove dem Journal. „Warum verhandeln wir in Syrien über eine Zusammenarbeit, und vergessen dabei, was auf der Krim passiert ist?“ fiel Milley ein. „Aggression, auf die man nicht reagiert, führt leicht zu noch mehr Aggression.“
Bei einem Pressegespräch im Pentagon in der Woche zuvor hatte General Breedlove die Ergebnisse der Nato-Großmanöver mit Bodentruppen, Kriegsschiffen und Kampflugzeugen in diesem Jahr gelobt. Das letzte Manöver war die Operation Trident Juncture 2015, das größte Nato-Manöver seit dreizehn Jahren.
Breedlove erwähnte auch die Ausbildungsmission der USA in der Ukraine, die gar kein Nato-Mitglied ist. Er merkte an, dass die ukrainischen Soldaten „an vorderster Front gekämpft haben und täglich unter dem Feuer der Russen gelegen haben“. Dann fuhr er fort: „Also haben sie wichtige Erfahrungen gesammelt, wie es ist, mit moderner Artillerie beschossen zu werden.“ Diese Erfahrungen könnten sie mit ihren amerikanischen Ausbildern teilen.
Die beiden Generäle enthüllten auch, dass das Pentagon plant, mehr Übungen für den Transfer größerer Truppenteile über den Atlantik, gegen russische Störmanöver, durchzuführen. Ein solches Szenario könnte auf den offenen Ausbruch von Feindseligkeiten an der Grenze zwischen Russland und den osteuropäischen Nato-Mitglieder wie Polen und den baltischen Staaten folgen.
Breedlove sagte, das Pentagon erwarte Hindernisse sowohl beim Lufttransport von Truppen aus dem Zentrum der Vereinigten Staaten nach Europa als auch bei Ausrüstungstransporten über das Meer. „Die russische Marine wird nicht ruhig zuschauen, wie wir Europa aufrüsten“, sagte er dem Journal. „Zwanzig Jahre lang haben wir nicht darüber nachgedacht, dass wir uns eines Tages wieder den Weg über den Atlantik freikämpfen müssen.“
Milley erinnerte an die riesigen Manöver aus der Zeit des Kalten Kriegs, wie zum Beispiel an das Manöver „Reforger“, das den Transport von zehntausenden US-Soldaten über den Atlantik simulierte. „Wir brauchen heute keine Manöver, die so groß wie Reforger sind“, sagte er dem Journal. „Aber das Reforger- Konzept, bei dem Truppen für den Bedarfsfall üben, entspricht genau dem, was wir jetzt auch machen sollten.“
Die Generäle wiesen auf die Ausweitung der russischen Defensivsysteme hin, die das Pentagon als „anti-access, area denial forces“ bezeichnet. Sie bestehen im Wesentlichen aus Luftverteidigungssystemen und Anti-Schiff-Raketen und befinden sich auf russischen Basen in Weißrussland und Kaliningrad. Die Enklave Kaliningrad ist russisches Staatsgebiet und grenzt an Polen, Litauen und die Ostsee. Sie wäre vermutlich das erste Ziel eines Nato-Angriffs in der Region.
Während sich das Pentagon über Russlands militärische Schritte auf dessen eigenem Territorium oder auf einer seiner wenigen Basen außerhalb Russlands aufregt, die noch dazu zumeist innerhalb des Territoriums der ehemaligen Sowjetunion liegen, unterhalten die Vereinigten Staaten ein gigantisches weltweites Netz von 700 bis 800 Militärstützpunkten. Alle anderen Länder der Welt verfügen zusammengenommen über weniger als dreißig solcher Basen, wie eine neuere Studie herausgefunden hat. Dieses Ungleichgewicht verdeutlicht einmal mehr, welches Land hier der globale Aggressor ist.
Dem Autor des Artikels im Wall Street Journal-Artikels der Unterschied zwischen der Wortwahl der Generäle und von Verteidigungsminister Carter einerseits und jener des Weißen Hauses und der Europäischen Union andererseits auf. Letztere äußerten sich bei weitem nicht so schrill: „Nach Angaben von führenden Beamten hat das Weiße Haus einige Militärführer in jüngster Zeit aufgefordert, ihre Äußerungen ein wenig zu mäßigen. Die Regierung folgt aber letztlich einem Kurs, der es Pentagon-Führern erlaubt, über die Stärkung der Verteidigungsanstrengungen zu reden, während die Diplomaten des State Department das Gespräch mit Moskau suchen.“
Es gibt sicher Beispiele für eine solche zynische Arbeitsteilung. Aber wahrscheinlicher ist es, dass das Pentagon die treibende Kraft hinter den Gesprächen ist, als dass es einfach die ihm zugedachte Rolle spielt. Die Kriegsvorbereitungen des US-Imperialismus, besonders gegen seine wichtigen potentiellen Gegner wie Russland und China, stärken unvermeidlich die Macht des militärisch-geheimdienstlichen Apparats in den USA.
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