Politolog
Vom 25. auf den 26. Februar 1992 haben armenische Truppen mit Unterstützung von Einheiten des 336. Motorschutzenregiments der GUS Armee die aserbaidschanische Stadt Chodschali vernichtet. Kampfwagen der Infanterie und Panzerfahrzeuge zerquetschten die Einwohner der Stadt. Sie erschossen alte, Frauen und Kinder aus unmittelbarer Nähe, sie skalpierten Kriegsgefangene, rissen ihnen die Fußnägel heraus, den Toten stachen sie die Augen aus, schnitten ihnen die Ohren ab; die einzige Schuld der Leute bestand darin, dass sie Aserbaidschaner waren…
Im ausgehenden 20 Jahrhundert wurde Chodschali (Hocali) zum Symbol der Grausamkeit des Menschen am Menschen.
TAZ (Tageszeitung Berlin) 7.03.1993 : „….Die Totenhallen der Moschee von Agdam sind letzte Stätte für die Opfer der Barbarei. Von Kugeln zerfetzte Kinder, Menschen deren Augen nach dem Tod ausgestochen wurden, Frauenleichen, deren erfrorene Finger nachträglich abgeschnitten wurden, um Ringe zu plündern- Hocali ist ein Synonym für Barbarei…“
V. Belich, Koorrespondent, „Isvestija“: „… von Zeit zu Zeit bringen sie nach Agdam die Körper der Gefallenen zum Tausche gegen lebende Kriegsgefangene. So etwas hat man nicht einmal in einem nächtlichen Alptraum gesehen: herausgestochene Augen, abgeschnittene Ohren, abgetrennte Skalpe, abgeschlagene Köpfe… Bündel aus einigen Leichen, die man hinter Panzern lange auf der Erde entlang geschleift hat… Eine Verhöhnung ohne Grenzen.“
F i n s t e r n i s
Gedanken einer jungen Aserbaidschanerin zum Karabach- Konflikt: Wir leben in einer ungewöhnlichen Zeit. In einem ungewöhnlichen Land… Nein, wir leben in einer schrecklichen Zeit und in einem schrecklichen Land. Was kann schrecklicher sein, als eine Situation in der das menschliche Blut wertlos geworden ist? …. Dann passierte Chodschali.
Ein (vorläufiger?) grausamer Höhepunkt im Konflikt um Berg Karabach
Chodschali. Für immer wird dieser Name ein Markstein der Trauer im Gedächtnis der Frauen und Männer Aserbaidschans sein. Dieser Name wird Tausende zu Tränen bewegen. Nach Chodschali wird die Welt für Millionen von Aserbaidschanern nie wieder dieselbe sein wie vorher. Traumatisierte Kinder und Frauen, Männer, die Nachts mit Schweißausbrüchen schreiend aufwachen. Menschen am Rande des Wahnsinns aufgrund des Erlebten.
In Chodschali passierte das Unfassbare. Wie einige Male zuvor im 20. Jahrhundert lebte der Mensch seine tiefsten Instinkte gegen seine Mitmenschen aus. Es war kein kühles Töten aus einer räumlichen Distanz. Es war gelebte Animalität, gegen die Horrorfilme wie ein Abendprogramm für Kinder wirken müßten.
Wir fordern die Bestrafung der Verbrecher. Aber die Verbrecher werden nicht bestraft werden. Die Verbrecher werden versuchen, mittels ihres weltweiten Netzwerks die Medien zu manipulieren. Sie werden alles darum geben, um die Opfer als Täter und die Täter als Opfer erscheinen zu lassen. Sie werden an die Solidarität der christlichen Welt appellieren. Sie werden uns verhöhnen.
Schrecklich, sich das Endresultat vorzustellen. Wenn in unserer Welt Unrecht zum Recht, die Opfer zu Tätern werden.
Ausgelöst wurde die Kette der Gewalt, als entgegen aller menschlicher Vernunft und geographischer und ökonomischer Realitäten die „Miazum“ (Wiedervereinigung) Berg Karabachs mit Armenien gefordert wurde. Jahrzehnte, jahrhundertlang, hatten wir zusammen auf dem gleichen Boden gelebt. Warum „Miazum“?
Pervertierter Nationalismus auf der Suche nach Großarmenien.
Berg Karabach, das Opfer Großarmeniens.
Wussten die armenischen Nationalisten denn nicht, dass bei Anwendung ihrer Logik auf die aserbaidschanischen Enklaven in Georgien und die aserbaidschanischen Enklaven in Armenien der gesamte Kaukasus in fortwährende Kriege hineingleiten würde.
Sie müssen es gewusst haben. Denn sie ließen keine aserbaidschanischen Enklaven in Armenien übrig.
Wie kommt es, dass einzig unter allen Kaukasusländern Armenien ein ethnisch homogenes Land ist? Wie kommt es dass Armenien sich mit Georgien als auch mit Aserbaidschan im Konflikt befindet. Während Georgien und Aserbaidschan ihre Differenzen friedlich regeln.
„Miazum“ war international nicht durchsetzbar, „miazum“ war nicht realistisch. Jetzt heißt es von der armenischen Politik, man wolle Autonomie und Selbstbestimmung für die Armenier im Berg Karabach.
Aber das alles hatte es doch vor dem Konflikt gegeben. Die Armenier hatten politische Selbstverwaltung, ganz zu schweigen von den uneingeschränkten Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Kultur und Religion.
All das Blut, nur um zur Ausgangssituation von 1989 zurückzukehren?
Nein, das Ziel ist weiterhin „miazum“, allerdings schrittweise, kriechender „miazum“. Kühles kalkulieren, langfristiges Denken, geschicktes Taktieren ist die neue Richtlinie.
Wir entdecken kein ehrliches Zeichen der Aussöhnung.
Uns bliebt nur die Trauer über Chodschali….
(Entnommen aus der Broschüre: Nationalismus, Minderheiten, Menschenrechte, Karabach Initiative Berlin, April 1992. In“ Geteiltes Aserbaidschan, Blick auf ein bedrohtes Volk, Seite 126-141, das Arab. Buch, 1993 ISBN 3-86093-023-0 Ahmed Omid Yazdani“
Erschienen auf alumniportal-aserbaidschan
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