„Das Hitler-Telefon ist ganz eindeutig eine Fälschung“

  25 Februar 2017    Gelesen: 737
„Das Hitler-Telefon ist ganz eindeutig eine Fälschung“
Fast 250.000 Dollar hat ein Unbekannter für das Telefon Adolf Hitlers gezahlt. Experten sind aber überzeugt, dass die Geschichte zu dem Apparat so nicht stimmen kann. Schon mit dem Hörer fängt es an.
Wenn sich in Deutschland jemand auskennt mit historischen Telefonen, dann Frank Gnegel. Der Abteilungsleiter Sammlungen im Frankfurter Museum für Kommunikation ist verantwortlich für eine der größten und bedeutendsten Telefonsammlungen in Europa. 2000 Standardapparate der Reichspost, der württembergischen Post und der bayerischen Post, die in den öffentlichen Telefonnetzen ab 1881 genutzt wurden, werden laut dem Museum ergänzt durch Haustelefone und Geräte aus privaten Nebenstellenanlagen. Dazu kommt der erste Tischapparat von 1887 und das erste Telefon der Welt mit Wählscheibe.

Ein Telefon, das nicht in der Sammlung ist, hat in den vergangenen Tagen den Besitzer gewechselt und damit Schlagzeilen gemacht: „In den Vereinigten Staaten wurde Adolf Hitlers altes Telefon für 243.000 Dollar verkauft“, hieß es auch auf FAZ.NET. Gnegel sagt jetzt: „Es handelt sich ganz eindeutig um eine Fälschung.“ Wie er darauf kommt? „Der eigentliche Telefonapparat wurde von Siemens & Halske hergestellt, der Telefonhörer stammt aber von einem englischen Telefonapparat. Das wurde so nie produziert.“ Seine Vermutung: „Das muss später in England zusammengefügt worden sein.“

Fachmann ist sich sicher: „Das #Hitler-Telefon ist ganz eindeutig eine Fälschung“
Dort war der Apparat lange Zeit: Nach Hitlers Suizid und dem Untergang des „Dritten Reiches“ wurde das Telefon angeblich im Berliner Führerbunker gefunden. Laut dem Auktionshaus boten russische Soldaten einem Engländer zuerst das Telefon von Eva Braun an. Weil der aber lieber ein rotes wollte, habe er sich für Hitlers Telefon entschieden, es später an seinen Sohn vererbt, der es jetzt versteigern ließ.

„Diese Behauptung ist ziemlich bescheuert“

Im Internet meldeten Sammler sehr früh Zweifel an der Echtheit des Telefons an. Auf der Homepage eines niederländischen Restaurators historischer Telefone erschien am 2. Februar ein entsprechender Text. In einem Nachtrag vom 16. Februar berichtet der Autor, dass sein Freund, der in einem Telefonmuseum arbeite, einen Brief an das Auktionshaus geschrieben habe. Ob den Experten die Erwiderung überzeugt hat? „Nein“, schreibt er. „Ich bin im Gegenteil noch mehr davon überzeugt, dass das nicht Hitlers Telefon war.“

Was das Auktionshaus genau gesagt hat, ist mittlerweile unter dem Punkt „Addenda“ („Nachzutragendes“) in der Verkaufsanzeige nachzulesen: Der Händler gibt zu, dass der Hörer nicht zum Rest des Telefons passe. Das liege daran, dass es sich um eine Spezialkonstruktion handle, der Hörer könne während des Transports nicht vom Telefon fallen. Der niederländische Experte schreibt dazu: „Diese Behauptung ist ziemlich bescheuert.“ Es gebe Modelle, die extra so konstruiert seien, dass der Hörer besonders sicher sitze. Und man sehe im Gegenteil deutlich, dass der britische Hörer gerade nicht besonders gut auf das deutsche Telefon passe.

Das Auktionshaus schreibt weiter, dass eine eigenständige Tochterfirma von Siemens in Großbritannien, die bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs mit der Mutterfirma in Deutschland eng zusammengearbeitet habe, den Hörer konstruiert habe. Gnegel sagt: „Warum sollte eine Firma in Großbritannien vor dem Krieg einen Hörer für Hitler konstruieren? Siemens hätte Hitler mit Sicherheit gerne ein neues Telefon gebaut.“

„Die Idee kann nur aus der Handy-Generation stammen“

Auch, dass das Telefon rot lackiert worden sei, wundert ihn. „Siemens hätte ein ordentliches Exemplar aus eingefärbtem Kunststoff gebaut, anstatt ein schwarzes Telefon unfachmännisch überzupinseln.“ Eine Hitler-Gravur auf der Rückseite sei rot übermalt worden. „Alles bei Hitler war hochwertig produziert, warum sollte eine Gravur einfach überpinselt werden? Außerdem ist es total unplausibel, dass Hitler ein Telefon mit Wählscheibe hatte – denn er wurde in der Telefonzentrale per Hand verbunden.“ Allerdings gibt es viele Bilder, die Hitler an Telefonen mit Wählscheibe zeigen. „Überall wo er hinkam, gab es Telefone, warum sollte er sein eigenes mitnehmen?“, fragt Gnegel.

Die Bezeichnung „Reisetelefon“, die überall zu lesen war, hält er deswegen für „blühenden Unsinn“. Das Auktionshaus hatte erklärt, Hitler habe in den beiden letzten Kriegsjahren die meisten seiner Befehle über genau dieses Telefon erteilt. In der Anzeige des Auktionshauses heißt es: „Es war wohl die destruktivste Waffe aller Zeiten, die Millionen den Tod brachte.“ Hitler habe das „mobile Zerstörungswerkzeug“ überall mit hingenommen. „Woher will man das alles wissen?“, fragt Gnegel. Das Auktionshaus selbst verweist auf seiner Homepage auf ein Fax aus dem Jahr 1945 von Rochus Misch, einem Mitglied der Leibstandarte von Adolf Hitler, der auf einem Foto erkannt habe, dass Hitler dieses Telefon in den letzten zwei Jahren des Krieges immer bei sich gehabt habe.

Außerdem gebe es Fotos von russischen Soldaten – allerdings nur aus „Hitlers Quartier“. Aber obwohl das Auktionshaus viele Bilder von dem Telefon zeigt, gibt es offenbar kein einziges Foto, das Hitler mit dem roten Telefon zeigt. Unklar ist auch, auf welchem Bild Misch das Telefon erkannt haben will. „Die Idee, das Telefon auf Reisen mitzunehmen, kann nur aus der Handy-Generation stammen“, sagt Gnegel. „Es gab damals gar keine Telefondosen mit Stecker. Telefone waren fest an eine Dose in der Wand angeschlossen. Die konnte man nicht einfach so mitnehmen.“ In der Anzeige des Auktionshauses steht dementsprechend: „Model W38 Fernsprechgerät Tischstation“.

Carolin Lange ist Historikern an der Universität Stuttgart und erforscht gerade das Kommunikationsverhalten Adolf Hitlers. Sie sagt: „Wir haben von Hitler wenig Schriftliches, und nach dem Befehl zum Holocaust suchen Historiker seit Jahrzehnten.“ Das sei aber völlig vergebens, „denn es wird ihn nicht gegeben haben“. Hitler habe ungern Spuren hinterlassen. „Die Idee, dass er in den 1940ern ein und dasselbe Telefon benutzt und darüber die - wie das Auktionshaus ja auch andeutet - mörderischen Befehle ausgegeben hat, kommt, glaube ich, unserem Wunsch entgegen, ihn irgendwie zu überführen. Wenn es kein Dokument gibt, dann gibt es wenigstens ein Telefon, das wir dingfest machen können.“ Der Wunsch nach Eindeutigkeit sei größer als die Wahrscheinlichkeit eines einzigen Telefons, das Hitler immer benutzt habe.

Sammler machen sich in Internetforen über das angebliche Führertelefon mittlerweile nur noch lustig. Ein Nutzer schreibt: „Leute scheinen den Apparat ernst zu nehmen. Aber doch nicht mit dieser grottigen Lackierung. Und dann das Geschreibsel von wegen mobil. Also, das ging sicher für eine einzelne Person in einem bestimmten Umkreis. Aber doch nicht mit einem Standardapparat.“ Ein anderer antwortet: „Wie schön! Das hole ich mir. Das passt prima zu Napoleons originalem Feldfernsprecher, den die Preußen bei Waterloo erbeutet haben, den besitze ich ebenso wie den Morsetelegraphen, mit dem Julius Caesar die berühmten Worte „veni vidi vici“ nach Rom übermittelte. Geschichte hautnah zuhause zu haben, ist schon eine große Sache!“


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