Rund zwei Drittel von Mineralien auf der Erde gehen vor mehr als 2,2 Milliarden Jahren zurück

  02 März 2017    Gelesen: 3420
Rund zwei Drittel von Mineralien auf der Erde gehen vor mehr als 2,2 Milliarden Jahren zurück
Mehr als 5200 Mineralien hat die Internationale Mineralogische Gesellschaft (IMA) offiziell anerkannt. Und eine ganze Menge von ihnen gibt es erst seit kurzer Zeit. Mehr als 200 der Mineralien sind nämlich nur deshalb entstanden, weil Menschen die Voraussetzungen dafür geschaffen haben.
Forscher um Robert Hazen vom Carnegie Institut für Wissenschaft haben diese nun erstmals in einem Katalog zusammengestellt. Ihre Analyse ist im Fachjournal "American Mineralogist" veröffentlicht. Daneben erfassten sie auch eine große Menge mineralartiger Substanzen, die bisher keine Aufnahme in den IMA-Katalog fanden - weil die derzeitige Definition von Mineralien als reine Naturprodukte dem entgegensteht.

Die meisten der neuen Mineralien entstanden seit Mitte des 18. Jahrhunderts im Zuge von Bergbau und Industrialisierung. Sie bildeten sich in Erzhalden oder verwitterter Schlacke, in Wassertümpeln in Minen oder durch Feuer darin. Einige wurden in Metallhütten oder an Leitungssystemen entdeckt. Fundorte waren auch ein tunesisches Schiffswrack, zwei Bronze-Artefakte in Ägypten und Brandopfer-Stätten in den österreichischen Bergen.

Besonders deutlich wird der menschliche Einfluss an 29 Mineralien, die Kohle oder Kohlenstoff enthalten - 14 davon kommen in der Natur gar nicht vor. Ein Dutzend Mineralien und Mineralverbindungen entstand im Umfeld von Uranminen. Zum Beispiel Andersonit: Dessen gelbe, orangefarbene und grüne Kristalle bilden schimmernde Krusten an den Tunnelwänden von Uranminen im US-Bundesstaat Arizona.

Interessant ist auch die Herkunft von Tinnunculit aus dem russischen Kopeisk: Es ist ein Produkt heißer Gase aus einer brennenden Kohlenmine, die mit den Exkrementen von Turmfalken reagierten.

Debatte über das Anthropozän - Rund zwei Drittel der Mineralien auf der Erde gehen auf die sogenannte Große Sauerstoffkatastrophe vor mehr als 2,2 Milliarden Jahren zurück. In diesem Zeitraum stieg die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre rasch an. Das reaktive Gas beschleunigte die Verwitterung der Erdoberfläche, neue Verbindungen und Mineralien entstanden.

Die Zeitspanne seit dem Aufkommen der neuen Stoffe erscheine im Vergleich dazu wie ein Wimpernschlag, so Forscher Hazen. "Wenn die Große Sauerstoffkatastrophe vor Erdzeitaltern einen Punkt in der Erdgeschichte markiert hat, dann ist der schnelle und weitreichende geologische Einfluss des Anthropozäns (Menschenzeitalters) wie ein Ausrufezeichen."

Insgesamt beeinflussen Menschen die weltweite Vielfalt und Verbreitung von Mineralien auf vielfältige Weise, schreiben die Autoren. Weil als industrielle "Nebenprodukte" unbeabsichtigt Neubildungen entstehen. Durch die synthetische Herstellung neuer, mineralartiger Verbindungen - etwa Siliciumchips für die IT-Industrie, Portlandzement oder Metalllegierungen. Oder auch, weil Menschen große Landmassen als Bauwerkstoffe bewegen und Schmucksteine über die ganze Welt verbreiten.

All dies, so die Autoren, werde sich einmal in den Sedimenten unserer Zeitepoche wiederfinden. Deshalb unterstützen sie die Ausrufung eines neuen Erdzeitalters. Viele Experten fordern, das seit 12.000 Jahren andauernde Holozän für beendet zu erklären und rückwirkend von der Mitte des 20. Jahrhunderts an das Menschenzeitalter anzusetzen, das Anthropozän. Dieser Schritt wird derzeit von Geologen offiziell diskutiert, eine Entscheidung dürfte erst in einigen Jahren fallen.

Der Geologe und Paläontologe Reinhold Leinfelder von der FU Berlin hält die aktuelle Arbeit für einen bedeutenden Beitrag zur Anthropozän-Forschung. "Sie zeigt einmal mehr, dass der Impakt des Menschen heute von globalen Systemen wie dem Klimageschehen bis zur Mineral-Ebene der Grundbausteine der Erde reicht." Die IMA müsse nun überlegen, ob die klassische Definition von Mineralien als reine Naturprodukte noch zu rechtfertigen sei.

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