Deutscher Entwicklungsminister Müller in afrikanischer Dürre-Region: "Ich schäme mich"

  04 April 2017    Gelesen: 774
Deutscher Entwicklungsminister Müller in afrikanischer Dürre-Region: "Ich schäme mich"
Ostafrika wird aktuell von der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten heimgesucht. Millionen Menschen sind vom Hungertod bedroht. Neben Äthiopien sind vor allem der Südsudan, Uganda, Kenia und Somalia betroffen. Derzeit besucht Entwicklungshilfe Müller die Region.
Seine jüngst angetretene Reise führt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) durch die betroffenen ostafrikanischen Staaten. Derzeit weilt der Minister in Äthiopien – im Gepäck die Aussicht auf Aufstockung von Hilfsgeldern.

Während seines Besuchs in der Hauptstadt Addis Abeba kündigte Müller an, die deutsche Hilfe für die am Horn von Afrika von Hunger bedrohten Menschen von ursprünglich vorgesehenen 100 Millionen auf 300 Millionen Euro aufzustocken. Das entsprechende Geld soll aus dem Entwicklungsministerium kommen. Wie und wo die Gelder eingesetzt werden, will Müller in Gesprächen mit den politischen Verantwortlichen der betroffenen Staaten erörtern.

Angesichts des Ausmaßes der Dürrekrise sprach Müller zudem von einer Schande für die Weltgemeinschaft:

Es ist eine Schande, wie die Weltgemeinschaft mit ansieht, wie hier gestorben und gelitten wird.

Allein in Äthiopien sind etwa fünf Millionen Menschen von Hunger bedroht. Vor seiner Reise in einen der ältesten christlich geprägten Staaten der Menschheit erklärte Müller:

Äthiopien hat aus früheren Dürren gelernt und diesmal auch umfassend Vorsorge getroffen.

Dennoch seien sowohl Äthiopien als auch die weiteren betroffenen Staaten Ostafrikas mit der aktuellen Situation alleine überfordert. Doch die Weltgemeinschaft reagiere erneut nur schleppend:

Im Südsudan, in Somalia, in Niger, Kenia oder Kamerun sterben die Menschen an Hunger, weil die Weltgemeinschaft zu spät reagiert, weil Gelder zu zögerlich fließen und auch erst dann, wenn die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten ist.

Die Dürre- und Hungerkrise trifft Staaten wie Äthiopien und Kenia zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Vor allem Äthiopien, aber auch der afrikanische Staat am indischen Ozean durchlaufen seit einigen Jahren eine bemerkenswerte wirtschaftliche und soziale Transformation. Doch die bereits langanhaltende Dürrekrise führte zum Ausbleiben von Regenfällen und damit zu massiven Ernteausfällen. Hinter der extremen Dürre vermuten Beobachter vor allem Auswirkungen des globalen Klimawandels.

Dürren, Konflikte und Fluchtbewegungen

Dessen Auswirkungen sind nach Meinung von Experten vor allem für die ost- und süd-ostafrikanische Region frappierend, auch wenn ihrer Auffassung zufolge die afrikanischen Staaten im geringsten Maße für dessen menschengemachten Anteil Verantwortung tragen. Auch die Auswirkungen des Wetterphänomens El Niño schlagen auf die Hungerkrise durch.

Nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen sind in der gesamten Region rund 20 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. Aufgrund dieser Dimensionen fordert Müller daher einen dauerhaften Uno-Krisenfonds. Was ebenfalls kaum in das Bewusstsein des hiesigen Medienpublikums durchdringt, ist die Tatsache, dass sich an Kenias Nordostgrenze mit Daadab das größte Flüchtlingslager der Welt befindet. Hier treffen die Auswirkungen von Dürren, Konflikten und daraus resultierenden Flüchtlingsbewegungen auf ihre eigene, verheerende Weise aufeinander. Neben hausgemachten Problemen wie etwa eine überbordende Bürokratie und die sprichwörtliche Korruption sind es auch globale wirtschaftliche Strukturen, die den Ökonomien vor Ort zu schaffen machen.

So begann etwa auch die Piraterie vor Somalias Küsten zunächst als Protest gegen das Leerfischen der heimischen Gewässer durch internationale Fischfangflotten. Mit dem westafrikanischen Senegal vereinbarte die EU jüngst die Verlängerung eines Fischereiabkommens. Den dortigen Fischern wurde durch den industriellen Fischfang vor den eigenen Küsten bereits zu Tausenden die Lebensgrundlage entzogen.

In Folge dessen machen sich die betrogenen Küstenbewohner dann auf in Richtung Europa. Dies sind nur zwei Beispiele für das doppelte Spiel aus vermeintlichen militärischen Stabilisierungsmissionen wie etwa in Mali, fatalen so genannten humanitären Militäreinsätzen wie etwa in Libyen und den von Zeit zu Zeit gezahlten Almosen unter dem Banner der Entwicklungshilfe.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wären in der aktuellen Dürre- und Hungerkrise etwa vier Milliarden US-Dollar nötig, um die gravierendsten Folgen abzuwenden. Allein in Äthiopien sind es eine Milliarde US-Dollar. Von den benötigten Geldern ist bislang jedoch nur ein Bruchteil tatsächlich vor Ort eingetroffen. Als nächste Station auf Müllers Reise steht die somalisch-äthiopische Grenzregion Somaliland auf dem Programm. Dort plant der CSU-Politiker den Besuch eines temporären Flüchtlingslagers für Opfer der Dürre. Darüber hinaus gedenkt Müller, mit der Afrikanischen Union (AU) den von ihm ausgearbeiteten Marshall-Plan für Afrika zu erörtern.

Die vergessene Tragödie im Jemen

Was der Kontinent jedoch in erster Linie braucht, ist nicht paternalistisch unterfütterte Hilfe, sondern faire Wettbewerbsbedingungen, wie sie seit Jahr und Tag von afrikanischen Staaten angemahnt werden, ein Ausbleiben von Einmischungen in innere Angelegenheiten und Notfallhilfe. Auf dieser Grundlage wären die afrikanischen Nationen durchaus in der Lage, selbst für ihr Wohlergehen zu sorgen.

Was bei der aktuellen Debatte um den Hunger und die Dürre in Ostafrika fast gänzlich unbeachtet bleibt, ist zudem die tragische humanitäre Katastrophe, die sich zeitgleich im Jemen abspielt. Auch dort sind Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. Die Ursache ist vor allem die Offensive durch die von Saudi-Arabien angeführte und sowohl von Großbritannien als auch den Vereinigten Staaten unterstützte Militär-Koalition gegen die proiranischen Huthi-Rebellen. Was die EU oder die Bundesregierung planen, um den dortigen Menschen zu helfen, ließ sich bislang nicht in Erfahrung bringen.

Zur Situation in Ostafrika erklärte Müller bereits im März:

Sofort handeln. Nicht zuschauen, sondern den Hilfsorganisationen und den Vereinten Nationen die benötigten Mittel zur Verfügung stellen. UN-Generalsekretär António Guterres beziffert den Bedarf in diesem Hungergürtel auf vier Milliarden Euro. Damit könnte jedes Kind, jeder Hungernde überleben. Aber verfügbar ist nicht einmal ein Drittel davon. Und deshalb wird täglich gestorben. Das ist Mord. Wir wissen, was passiert, wir müssen reagieren. Für den Normalbürger sind das große Summen. Aber wenn man das ins Verhältnis setzt zu dem, was an anderen Stellen ausgegeben wird – etwa für Bankenrettungen oder die Erhöhung des US-Militärhaushaltes um 54 Milliarden Dollar im kommenden Jahr –, dann glaube ich: Das muss machbar sein.

Quelle:rt deutsch

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