Eigentlich ein idealer Standort für Offshore-Windräder - wären nur die Küsten nicht so weit. Installation und Betrieb eines Windkraftparks mitten im Meer wären extrem teuer und aufwendig.
Die Stromnetzfirmen Tennet (Deutschland/Niederlande) und Energinet.dk (Dänemark) wollen das Problem auf spektakuläre Weise lösen: mit künstlichem Land. Auf der Dogger Bank wollen sie eine mehrere Quadratkilometer große Insel aufschütten. Dazu haben sie jetzt eine Vereinbarung unterzeichnet.
Landebahn für Flugzeuge
Ausgestattet mit einem Hafen, einer Landebahn für Flugzeuge, Lagerhallen, Werkstätten und Unterkünften soll das Eiland als Stützpunkt für den Bau und Betrieb Tausender Windräder auf der Sandbank dienen.
Nach Einschätzung der Projektpartner könnten Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 70 bis 100 Gigawatt an die Insel angebunden werden. Bei kräftigem Wind wären sie in der Lage, bis zu hundert Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen, meinen die Firmen.
Da die Insel an mehreren Stellen mit den Netzen der Nordsee-Anrainer verknüpft werden soll, könnte sie zudem Drehscheibe für den europäischen Stromhandel werden. So lassen sich Überschüsse und Defizite in den jeweiligen Energiesystemen besser ausgleichen.
"Fest entschlossen"
"Wir sind fest entschlossen, die Insel zu bauen", betont Tennet-Sprecher Mathias Fischer. Allerdings müssten zunächst die Rahmenbedingungen geprüft und offene Fragen geklärt werden. Dazu führen die Partner jetzt eine Machbarkeitsanalyse durch.
"Kommt sie zu einem positiven Ergebnis, werden wir mit Hochdruck loslegen", erklärt Fischer. Dabei könnten bei Bedarf auch gleich mehrere Inseln auf der Sandbank gebaut werden. Nach Einschätzung von Energinet.dk wäre es möglich, die erste Insel bis etwa 2035 fertigzustellen.
Neben der Logistik-Infrastruktur soll die Insel auch die Konverterstationen beherbergen, die den erzeugten Windstrom sammeln. Sie wandeln ihn in Gleichstrom um und leiten ihn über ein Seekabel an Land. Bei den bestehenden Offshore-Windparks ruhen diese Stationen auf mächtigen Stelzen zwischen den Windrädern.
"Einfach wie auf dem Festland"
"Konverterstationen wiegen heute bis zu 20.000 Tonnen. Ihre Installation ist sehr aufwendig. Um solche Lasten zu heben, braucht man ein teures Spezialschiff", sagt Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Offshore Windenergie. "Mit einer künstlichen Insel wäre die Installation dagegen fast so einfach wie auf dem Festland. Das reduziert die Kosten erheblich."
Auch mit Blick auf Wartung und Reparaturen der Windräder und der Netztechnik böte das Eiland Vorteile. Die Fachleute könnten dort übernachten, Ersatzteile und Werkzeug gelagert werden. Eine kostspielige Serviceplattform im Wasser wäre damit überflüssig.
Technisch dürfte der Bau einer künstlichen Insel auf der Dogger Bank keine allzu große Herausforderung sein, meint Tennet-Sprecher Fischer. Schwierigkeiten könnten aber zwei andere Themen bereiten. "Wie lässt sich das Projekt in die Energiemärkte integrieren, wie muss der regulatorische Rahmen gestaltet sein? Das muss geklärt werden, bevor der Bau beginnen kann", sagt Fischer.
Offen ist auch, ob das Vorhaben mit dem Naturschutz in Einklang zu bringen ist. Weite Teile der Sandbank sind als Natura-2000-Schutzgebiet klassifiziert.
"Wenn wir Energiewende und Klimaschutz ernst meinen, müssen wir auch die Offshore-Windenergie massiv ausbauen", meint Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. "Deshalb ist das Projekt durchaus interessant - auch wenn es für Deutschland reichlich spät kommt, da der Umbau des Energiesystems zwischen 2030 und 2040 weitgehend abgeschlossen sein sollte."
Strom quer durchs Land transportieren
Der Wissenschaftler weist allerdings darauf hin, dass es mit dem Bau der Offshore-Windparks allein nicht getan ist. "Der Strom muss von der Küste quer durch das Land zu den Verbrauchern geleitet werden. Der geplante Netzausbau genügt aber nicht, um sehr große Mengen an Offshore-Windenergie in den Süden zu transportieren", erklärt Quaschning.
So sollen die heimischen Stromautobahnen, deren Bau derzeit vorbereitet wird, eine Kapazität von zusammen etwa acht Gigawatt haben. Werden auf der Dogger Bank bei kräftigem Wind große Mengen an Strom erzeugt, könnte das Netz schnell an seine Belastungsgrenze kommen.
Politisch ist der Bau weiterer Leitungen in den Süden aber kaum durchsetzbar. Alternativ, sagt Quaschning, könnte man jedoch an der Küste Power-to-Gas-Anlagen und andere Speicher bauen, die den Strom aus der Nordsee bei Bedarf aufnehmen.
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