Die so genannte „Stille Zeit“ zwischen Weihnachten und dem Dreikönigsfest ist auch für die Medien nicht selten mit der „Saure-Gurken-Zeit“ im Sommer vergleichbar, wenn alle wichtigen Entscheidungsträger im Urlaub sind und man sich auf die Suche nach etwas Berichtenswertem begeben muss.
Der „Cicero“ hat sich in dieser Situation wohl gedacht, in Zeiten von PEGIDA wäre es doch nahe liegend, Klicks zu generieren, indem man einfach ein bereits vor Wochen erstmals veröffentlichtes, vor Islamfeindlichkeit triefendes Pamphlet eines Frank A. Meyer umdatiert und dem geneigten Leser als Neuveröffentlichung vom 26.12. verkauft. Da die Schemata, die diesen Beiträgen zu Grunde liegen, ohnehin immer wieder die gleichen sind, würde es möglicherweise ja kaum einer merken.
Und man muss sich als Mainstreammedium wirklich langsam anstrengen, beim Stichwortgeben für Islamophobie noch aufzufallen. „Mekka Deutschland – Die stille Islamisierung“, „Islam als Integrationshindernis“, „Der Heilige Hass“, „Wie gefährlich ist der Islam?“, „Allahs blutiges Land“, „Zurück ins Mittelalter“ oder „Ghettos in Deutschland“, „Linke Lebenslügen im Umgang mit der Einwanderung“ sind keine Aufschriften von PEGIDA-Transparenten, sondern Titelschlagzeilen oder Überschriften von Leitartikeln der auflagenstärksten deutschen Massenmedien.
Nicht wenige unter jenen Medien, die heute von oben herab den deutschen Kleinbürger schelten, der bei PEGIDA-Demonstrationen mitmarschiert oder seine Sympathie dafür in sozialen Medien zum Ausdruck bringt, haben selbst zum Zweck der Auflagenmaximierung das Ressentiment angefacht.
Und diese Entwicklung vollzieht sich nicht erst seit wenigen Monaten: Bereits 2007 hatte eine Analyse der Themenstruktur von ARD und ZDF für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ergeben, dass der Islam dort hauptsächlich im Zusammenhang mit Gewalt- und Konfliktthemen vorkommt.
Im Zuge dieser Analyse wurden Thematisierungsanlässe des Islams in einschlägigen Magazinsendungen und Talkshows sowie Dokumentationen und Reportagen von ARD und ZDF im Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2006 untersucht. Es wurde erhoben, in welchem thematischen Zusammenhang der Islam in solchen Sendungen in Erscheinung trat. Dieses Verfahren war neutraler als die häufig verwendete Stereotypenanalyse, die sich nur auf vorurteilsbeladene Textbestandteile konzentriert.
Das Ergebnis war eindeutig: Insgesamt wurde der Islam in jener Zeit in 133 der oben genannten Sendungen und Einzelbeiträgen thematisiert. Im Ergebnis zeigte sich, dass 81% aller Thematisierungen bei ARD und ZDF negativ konnotierten Themen zugerechnet werden konnten; lediglich 19% repräsentierten ein neutrales oder positives Themenspektrum. 23% der Beiträge, in denen das Thema „Islam“ vordergründig eine Rolle spielte, befassten sich mit Terrorismus, 17% mit internationalen Konflikten, 16% mit Integrationsproblemen, 10% mit religiöser Intoleranz, 7% mit Fundamentalismus und so genannter „Islamisierung“, 4% mit den Themen Frauen/Unterdrückung/Emanzipation und 4% mit Menschenrechtsverletzungen und Demokratiedefiziten.
Eine aktuellere Analyse ist nicht bekannt, es ist allerdings davon auszugehen, dass sich seither allenfalls die Gewichte in einzelnen Bereichen verschoben haben.
Neutrale oder auch positive Themen, in denen nicht Gewalt und Gesellschaftskonflikte, sondern reguläre Gesellschaftsabläufe (Kategorie Alltag/Soziales 8%) bzw. Fragen der Kultur und der Religion (11%) im Vordergrund stehen, stellen weniger als ein Fünftel aller Thematisierungsanlässe dar. Am ehesten schafften diese es noch in Dokumentation und Reportagen.
In der Analyse der bpb heißt es dazu: „Diese Thematisierungsentscheidung durch die Redaktionen führt zum Aufbau und zur Verfestigung eines kulturalistischen Weltbildes. […] Diese Kulturalisierung politischer Themen und die Fokussierung auf Negativaspekte in der Berichterstattung über Muslime birgt ohne jeden Zweifel die Gefahr, eine sehr einseitige öffentliche Debatte und – in Analogie zur viel besprochenen ‚Politikverdrossenheit‘ – eine Art ‚Islamverdrossenheit‘ beim Publikum zu erzeugen.“
Das Gegenargument, dass die starke Negativthematisierung allein auf den Nachrichtenwert in Magazinsendungen oder politischen Analysen zurückzuführen ist, überzeugt dabei nicht, da die Situation in Kultursendungen oder Frauensendungen, wo ein solcher Sensationalisierungsdruck im öffentlich-rechtlichen Bereich nicht besteht, kaum anders ist.
Das Urteil der bpb-Analyse über die Form der Thematisierung des Islams in den öffentlich-rechtlichen Medien ist am Ende auch wenig schmeichelhaft:
„In der Gesamtschau lässt sich sagen, dass sich die Darstellung des Islam in den Magazin- und Talksendungen sowie Dokumentationen und Reportagen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu über 80% an einem Bild orientiert, in dem diese Religion als Gefahr und Problem in Politik und Gesellschaft in Erscheinung tritt.
Das Islambild dieser Formate bei ARD und ZDF ist ein zugespitztes Gewalt- und Konfliktbild, das den Eindruck vermittelt, dass der Islam weniger eine Religion als vielmehr eine politische Ideologie und einen gesellschaftlichen Wertekodex darstellt, die mit den Moralvorstellungen des Westens kollidieren. Antizyklisch berichten ARD und ZDF lediglich in einigen Auslandsmagazinen und in Dokumentationen und Reportagen.“
Statt einen neutralen Informationsansatz zu verfolgen, so heißt es weiter, sei die „sehr einseitige thematische Auswahl in den Magazin- und Talksendungen sowie Dokumentationen und Reportagen von ARD und ZDF dazu geeignet, eine in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung bereits vorhandene Vorurteilsbereitschaft gegenüber dem Islam und die demoskopisch messbare ‚Islamangst‘ in Deutschland weiter zu steigern“.
Dafür, dass im Rahmen von PEGIDA-Aufmärschen regelmäßig gegen die „Lügenpresse“ gewettert wird, scheint man dieser zumindest hinsichtlich ihres Islambildes nur allzu bereitwillig Glauben zu schenken.
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