Problem 1: Die russische Reaktion
Die Trump-Administration gibt an, russische Stellen vorab von dem Luftschlag informiert zu haben. Nach derzeitigem Kenntnisstand waren zu dem Zeitpunkt keine russische Militärangehörigen auf der Basis anwesend. Wären russische Militärangehörige betroffen gewesen, wäre die russische Reaktion auf den Luftschlag wohl deutlich aggressiver ausgefallen. Aber auch so ist Trump ein hohes Risiko eingegangen, indem er sich offenbar darauf verließ, dass die Russen auf einen einzelnen Luftschlag mit begrenzter Wirkung nicht militärisch reagieren würden.
Kurzfristig scheint diese Kalkulation aufzugehen, aber Russland hat bereits erste mittelfristige Gegenmaßnahmen angekündigt: Russland will den Kommunikationskanal zu US-Militärs über Flugbewegungen in Syrien kappen. Über diese Absprachen sollte eigentlich sichergestellt werden, dass es nicht zu versehentlichen Kollisionen oder ähnlichen Vorfällen zwischen russischer und US-Luftwaffe kommt. Ohne Absprachen dürfte entsprechend das Risiko solcher Vorfälle steigen – und damit auch das Risiko einer direkten militärischen Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland.
Außerdem kündigte Russland an, seine Luftabwehr syrischer militärischer Infrastruktur auszubauen. Das ist eine ziemlich deutliche Warnung an die US-Administration, ihr militärisches Engagement nicht noch mehr auszuweiten. Putin-Sprecher Dmitrij Peskow sagte am Freitag, Moskau stufe das amerikanische Vorgehen als „Aggression gegen einen Verbündeten“ ein. Nur weil Moskau zunächst auf eine militärische Antwort verzichtet hat, heißt das nicht, dass die Russen sich nicht in irgendeiner Form rächen werden.
Problem 2: Ein einzelner Luftschlag reicht nicht aus.
Wenn Trumps Plan darauf abzielt, Assads Giftgas-Angriffe durch Angriffe unmöglich zu machen, dann reichen einige Dutzend Marschflugkörper auf eine einzige syrische Luftwaffenbasis nicht aus. Bei einer größeren Militär-Operation liefen die USA jedoch Gefahr, in einen langwierigen verlustreichen Krieg hineingezogen zu werden.
Das liegt nicht in Trumps Interesse. „Man darf nicht vergessen, dass US-Präsidenten ständig ein Auge auf ihre Wähler haben, auch in der Außenpolitik“, sagt USA-Experte Thomas Jäger zu FOCUS Online. Für die meisten US-Bürger habe Syrien keine Priorität.
„Aber es ist ihnen nicht egal, wenn jemand so wie Trump emotional über Kinder und Babys spricht, die durch Giftgas umgekommen sind“, sagt Jäger. Seine Wähler erwarteten ein starkes Signal von Trump – und das hat er jetzt geliefert. Innenpolitisch betrachtet gilt für Trump also jetzt: mission accomplished. Dieses Problem ist also eher eines der syrischen Zivilbevölkerung als der Amerikaner – und man weiß, was Trumps Motto ist: America first.
Problem 3: Internationale Unterstützung und Legitimation
Es gibt viele Anzeichen dafür, dass der Giftgas-Angriff auf Assads Konto ging – aber eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls gab es bisher nicht. Trump hat dennoch militärisch Fakten geschaffen, ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates. Der Völkerrechtler Stefan Talmon äußerte gegenüber der dpa Bedenken, ob Trumps Vorgehen völkerrechtlich gedeckt sei: „Hier haben die USA mehr oder weniger als Ankläger, Richter und Vollstrecker gehandelt, was völkerrechtlich natürlich nicht in Ordnung ist“, sagte der Bonner Professor.
Deswegen ist internationale Rückendeckung für Trump besonders wichtig. Die bekam er auch von vielen westlichen Regierungen: Zum Beispiel ließen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande mitteilen, der syrische Präsident Assad trage „die alleinige Verantwortung für diese Entwicklung“.
Gleichzeitig müssen die USA aber fürchten, dass einige Länder nach der Militär-Aktion aus der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition ausscheren könnten, weil sie nicht in eine mögliche Eskalation in Syrien hineingezogen werden wollen. Das könnte Trumps Plan unterminieren, den IS zu besiegen.
Russland und die syrische Regierung werden alles versuchen, den USA das Recht zu diesem Luftschlag abzusprechen. Ein Mittel ist das Zurückschlagen mit der Moralkeule: Die syrische Regierung hält Trump bereits vor, bei dem Luftschlag seien auch Zivilisten getötet worden – darunter auch Kinder. Trump wird hier gegenarbeiten müssen, schließlich hat er die Moral-Frage mit dem Herausstellen der getöteten „schönen Babys“ in Syrien erst aufs internationale Tableau gebracht.
Fazit
Donald Trump ist ein hohes Risiko eingegangen – möglicherweise vor allem, um den Amerikanern und der Welt zu beweisen, dass er seine „roten Linien“ anders als Barack Obama durchsetzt. Jetzt muss allerdings dringend eine politische Lösung für Syrien forciert werden. Bisher ist nicht zu erkennen, dass Trumps neue Syrien-Politik die Friedensverhandlungen einfacher machen würde.
Gleichzeitig muss der US-Präsident den Schaden des russisch-amerikanischen Verhältnisses begrenzen, ohne sich beim Kreml anzubiedern. Es ist nicht gesagt, dass Russland bei anderen Gelegenheiten ebenso so zurückhaltend auf einen Trump-Vorstoß reagieren wird wie jetzt. Bis jetzt hat Moskau die Unerfahrenheit der neuen US-Regierung und ihre Unfähigkeit, endlich alle Stellen im Außen- und Verteidigungsministerium zu besetzen, nicht ausgenutzt. Das kann sich schnell ändern.
Quelle:focus
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