Der Drogerie-König will Millionen zurück

  10 April 2017    Gelesen: 681
Der Drogerie-König will Millionen zurück
Zwölf Prozent Rendite versprach die Schweizer Sarasin-Bank dem schwäbischen Milliardär Erwin Müller - und steckte sein Geld in Fonds, die gezielt die Staatskasse plünderten. Nun will er es zurück: Vom Raubzug beim Fiskus will er nichts gewusst haben.

Die meisten von Erwin Müllers Geschäften sind grundsolide. Mit dem Verkauf von Zahnbürsten, Duschgel und Parfüm hat sich der gelernte Frisör aus Ulm in Jahrzehnten ein Milliarden-Imperium aufgebaut. Jeder kennt es: Die Drogerie-Kette Müller hat über 750 Filialen, in fast jeder größeren deutschen Einkaufsmeile steht eine.

Was die meisten Kunden, die bei Müller einkaufen, nicht wissen: Das hart erarbeitete Geld des schwäbischen Vorzeige-Unternehmers floss auch in fragwürdige Geschäfte, die längst Staatsanwälte, Gerichte und die Politik in Atem halten: sogenannte Cum-Ex-Deals, mit denen ein Heer aus Bankern und Beratern jahrelang systematisch die Staatskasse plünderte.

Seit über drei Jahren klagt Müller gegen die Schweizer Sarasin-Bank, die ihm die dubiosen Investments vermittelt, oder wie Müller sagt, ihn mit arglistiger Täuschung dazu verleitet hatte. Der Drogerie-König fühlt sich betrogen und fordert rund 50 Millionen Euro zurück. Die Klage läuft schon seit 2013, doch Müller und seine Bank stritten um den Gerichtsstand. Am Montag beginnt nun der Prozess in Ulm.

Profite aus der Staatskasse

Müller ist inzwischen 84 Jahre alt. Er will nicht gewusst haben, in was er sein Geld 2010 da eigentlich steckte: Die Sheridan-Fonds in Luxemburg machten sich Gesetzeslücken zunutze, durch die bei Leerverkäufen von Aktien um den Dividendentag Kapitalertragssteuer mehrfach bescheinigt, aber nur einmal vom Staat kassiert wurde - zur großen Freude der Investoren, die sie alle zur Anrechnung beim Finanzamt einreichten.

Das Geschäftsmodell der Sheridan-Fonds sah vor, dass auch Müllers Profite allein der Fiskus zahlt. Genau wie bei anderen der mehr als 100 internationalen Banken, die bei dem Raubzug mitmachten. Bis zu 12 Milliarden Euro verschwanden über die Jahre aus der Staatskasse. Schon seit über einem Jahr beschäftigt der größte deutsche Steuerskandal aller Zeiten einen Untersuchungsausschuss im Bundestag.

Die Sarasin-Bank drehte wie zahllose andere Finanzinstitute im Cum-Ex-Geschäft ein großes Rad. Erst Anfang 2012 wurde das Schlupfloch endgültig geschlossen. Seitdem versucht eine Armada von Staatsanwälten und Steuerfahndern das Geld des Staates zurückzuholen. Der Fiskus schüttet die erhofften Gewinne an die Sheridan-Fonds jedoch nicht aus. Deshalb zahlt die Sarasin-Bank nicht an Müller - und der wiederum fordert Schadenersatz, weil ihm das Geldhaus von dem anrüchigen Geschäftsmodell angeblich nichts gesagt hat.

Millionenwetten mit zwölf Prozent Rendite

Zwölf Prozent Rendite versprach ihm die Sarasin-Bank. Nicht nur der Drogerie-König, auch viele andere Prominente erlagen der Verlockung und investierten kräftig in die Cum-Ex-Fonds, darunter AWD-Gründer Carsten Maschmeyer und Wurstfabrikant Clemens Tönnies, angeblich ebenso unwissend wie Müller.

Ein Gutachten des Steueranwalts Thomas Koblenzers legt nahe, dass Müller mehr über die Steuertricks bei den Geschäften gewusst haben könnte. Denn schon bevor Müller 2010 in die Sheridan-Fonds investierte, verkaufte ihm die Sarasin-Bank eine ähnlich gelagerte Geldanlage, dessen Legalität Koblenzer prüfte.

Es bestehe "kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten durch Erstattung von Kapitalertragssteuer" soll es in dem Gutachten heißen, über das die ARD-Dokumentation "Milliarden für Millionäre" im Februar 2016 berichtete. Auf dem Deckblatt steht Müller zwar als Auftraggeber, der Milliardär streitet aber ab, das gewesen zu sein. Er will es auch nie gelesen haben. Wer der Auftraggeber war, will Koblenzer mit Verweis auf seine anwaltliche Schweigepflicht auf Anfrage von n-tv.de nicht sagen.

Schwarzgeld in der Schweiz

Bis zu dem Zerwürfnis über die Cum-Ex-Deals war Müllers Verhältnis zur Sarasin-Bank innig: Er vertraute ihr nicht nur beim Übernahmekampf um die Parfümeriekette Douglas. Sie half dem Drogerie-König, den Fiskus zu erleichtern: Von 1999 bis 2007 versteckte Müller laut "Süddeutscher Zeitung" auf einem Konto seines diskreten Schweizer Geldhauses Schwarzgeld in siebenstelliger Höhe vor dem Finanzamt.

2010 zeigte Müller sich selbst an und entkam so einem Strafverfahren. Heraus kam die Sache erst 2015, als er mit der Sarasin-Bank schon im Clinch wegen der geplatzten Cum-Ex-Geschäfte lag. Die hinterzogenen Steuern hat der Drogerie-König mit Zinsen zurückgezahlt, damit ist die Sache für das Finanzamt erledigt. Müllers Streit mit der Sarasin-Bank könnte sich dagegen hinziehen. Nach seiner Strafanzeige gab es 2014 eine Razzia bei dem Schweizer Geldhaus, die die Cum-Ex-Affäre erst richtig ins Rollen brachte. Im März hat die Sarasin-Bank nun ihr deutsches Privatkundengeschäft dichtgemacht.

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