Jetzt wird es hingegen ernst: Tsipras ist mit einer klaren Mission in die Türkei gereist. Sein Land ist in den vergangenen Monaten zum Haupteinfallstor vor allem syrischer Flüchtlinge in der EU geworden. Die meisten der Schutzsuchenden wiederum kommen über die Türkei, wo sie nahezu ungehindert auf Schlauchbooten auf eine der zahlreichen griechischen Inseln in der Ägäis übersetzen. Tsipras muss etwas tun – und sucht daher den Schulterschluss mit Ankara.
Es ist nicht so, dass der griechische Premier in der Flüchtlingskrise noch keine Erfolge zu vermelden hat. Den seiner Meinung nach „unlogischen Ansatz“ der EU, ein Auffanglager für 50.000 Flüchtlinge in Athen zu errichten, hat er genauso abgeschmettert wie den Vorschlag, die griechische und türkische Küstenwache könnt gemeinsam im Mittelmeer patrouillieren. Nicht nur, dass eine Vielzahl Boote und Personal dazu nötig wäre; hinzu kommt, dass sich die beiden Länder ständig um vermeintliche Grenzübertritte von Schiffen der jeweils anderen Marine streiten.
Aus der griechischen Sicht hat die Türkei eine Mitschuld an der Flüchtlingskrise. Das Land habe zu lange die Augen gemacht vor den Massen, die aus dem Nahen Osten über Anatolien Richtung Westen flohen. Außerdem moniert Athen, dass ein Rückführungsabkommen mit der Türkei aus dem Jahr 2013 gar nicht angewendet würde. Es sieht vor, dass die Türkei Flüchtlinge aus der EU zurücknimmt, wenn sie zuvor im eigenen Land registriert worden seien.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die Anwendung dieses Abkommens bei ihrem Besuch in Istanbul im Oktober. Sie stellte der Türkei drei Milliarden Euro aus der EU, Visa-Erleichterungen für Reisen in das Staatenbündnis und neue Gespräche für einen möglichen EU-Beitritt in Aussicht.
Ankara wiederum argumentiert, derzeit weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen zu haben. Nach Regierungsangaben leben derzeit mehr als 2,5 Millionen Geflohene in dem Land, über zwei Millionen davon allein aus Syrien.
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