Das ist das Szenario, in dem sich die schier unglaubliche Aktion abspielte. Mit welcher Planung, Waffengewalt, Kaltschnäuzigkeit und totaler Rücksichtslosigkeit die Täter dabei agierten, ist bisher unerreicht. Mit dem Raub wurde ein neue Kapitel im Vorgehen des internationalen organisierten Verbrechens aufgeschlagen. Die mehr als 50 Banditen setzten Granaten, Dynamit, Schnellboote, Luftabwehrgeschütze und gepanzerte Fahrzeuge ein; außerdem hatten sie mehr Munition als die paraguayischen Sicherheitskräfte. Drei Stunden dauerten die nächtlichen Gefechte in der Stadt.
20 Autos in Brand gesteckt
Die Verbrecher setzten in der Nacht zu Montag aus Brasilien mit Booten über den Fluss Paraná nach Ciudad del Este über. Dort agierten sie nach einem offenbar gut ausgearbeiteten Plan. Sie errichteten vor dem Angriff auf das Logistikzentrum der Sicherheitsfirma Barrikaden in der Stadt, steckten mindestens 20 Autos an. Außerdem attackierten sie mit Sprengstoff einige Waffendepots der Polizei, die nun nicht an ihre Ausrüstung kam. Scharfschützen der Kriminellen postierten sich auf Dächern, um die anrückenden Einheiten der paraguayische Polizei in Schach zu halten und in Gefechte zu verwickeln. Es ist ein Wunder, dass dabei nur ein Beamter eine Elite-Einheit getötet wurde. Vier weitere Menschen wurden verletzt.
Mit Dynamit sprengten die Täter unterdessen die Mauern des Gebäudes, in dem das Sicherheitsunternehmen das Geld aufbewahrte. Mit mindestens drei gepanzerten Lastern transportierten sie anschließend die erbeuteten Geldsäcke zurück nach Brasilien. Dabei streuten sie sogenannte Krähenfüße hinter sich, um Verfolgern die Reifen zu zerlöchern.
Die Firma, Prosegur, ein börsennotiertes spanisches Sicherheitsunternehmen, das weltweit operiert, war im Jahr 2000 schon Ziel des bis dato größten Raubüberfalls geworden. In der paraguayischen Hauptstadt Asunción wurde ein Geldtransporter mit elf Millionen Dollar, die der HSBC-Bank gehörten, überfallen. Das Geld soll anschließend mit einem Flugzeug vom internationalen Flughafen von Asunción abtransportierte worden sein, wie paraguayische Journalisten ermittelten.
Krieg um die Kontrolle
Nun wird der Überfall vom Montag der brasilianischen Mafia PCC zugeschrieben, dem Primeiro Comando da Capital (Erstes Kommando der Hauptstadt) aus São Paulo. Das PCC ist eine der mächtigsten Mafiaorganisationen Südamerikas, die einer Öffentlichkeit außerhalb der Region dennoch kaum bekannt ist. In Paraguay sorge das PCC schon im Juli vergangenen Jahres für Aufsehen, als PCC-Mitglieder das gepanzerten Fahrzeug einen rivalisierenden Drogenbosses mit einem Luftabwehrgeschütz durchsiebten, das sie auf einem Fahrzeuge montiert hatten. Anfang dieses Jahres waren PCC-Leute dann in die Massaker in mehreren brasilianischen Gefängnissen verwickelt, bei denen Hunderte Häftlinge rivalisierender Drogengangs sich gegenseitig bestialisch umbrachten. Schon einmal, im Jahr 2006, war das PCC in die internationalen Schlagzeilen geraten, als die Mafia tagelang die Millionenstadt São Paulo terrorisierte und lahmgelegte, um die Verlegung mehrerer ihrer inhaftierten Bosse zu verhindern.
Nun findet offenbar derzeit ein Krieg um die Kontrolle des für den Drogen- und Waffenhandel wichtigen Dreiländerecks zwischen Paraguay, Brasilien und Argentinien statt. Inwiefern der Überfall damit zu tun hat, ist noch nicht klar. Auch nicht aus welchen Quellen die 20 Millionen Dollar stammen, die erbeute worden sein sollen.
In Brasilien stieß die Polizei Stunden nach dem Überfall bei dem Ort Itaipulandia, 50 Kilometer von Ciudad del Este entfernt, auf einen Teil der Kriminellen und tötete drei von ihnen. Aber die schiere Summe an geraubten Dollars lässt vermuten, dass die Region so schnell nicht zur Ruhe kommen wird.
Quelle: tagesspiegel.de
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