Die Wissenschaftler des Klinikums der Universität München waren 2015 täglich auf dem Oktoberfest unterwegs. Im Bierzelt sprachen sie Besucher an und baten sie um eine anonyme Teilnahme an einer EKG-Untersuchung mittels Smartphone sowie einem Atemalkoholtest. "Das Ergebnis war: Je mehr man trinkt, desto mehr Herzrhythmusstörungen entwickelt man", sagte Moritz Sinner, der die Studie mit seinem Kollegen Stefan Brunner leitete. Fast ein Drittel der Bierzeltbesucher hatte akute Rhythmusstörungen, ein Viertel Herzrasen - und die Probleme stiegen mit der Alkoholmenge.
Aus früheren Studien wissen Forscher, dass viel Alkohol über einen kurzen Zeitraum zu Herzrhythmusstörungen führt. Insbesondere das sogenannte Holiday Heart Syndrome ist bekannt, bei dem Alkohol Vorhofflimmern auslöst. Meist werden die Rhythmusstörungen aber erst Stunden nach dem Verzehr des Genussmittels dokumentiert und nicht währenddessen oder unmittelbar danach.
Holiday Heart Syndrome
Das Oktoberfest sei für die Studie besonders geeignet, sagte Sinner. Tatsächlich gibt es kaum irgendwo über eine so lange Zeit so massiven Alkoholkonsum: An 16 Festtagen kommen an die sechs Millionen Besucher - und sie trinken insgesamt etwa sieben Millionen Maß Bier.
Die untersuchten Bierzeltbesucher hatten im Schnitt 0,84 Promille Alkohol im Blut, im Einzelnen lagen die Werte zwischen Null und knapp unter drei Promille. Ab drei Promille sind Menschen zu betrunken, um an Studien teilnehmen zu können. "Drei Promille Alkohol im Blut entspricht einer sehr großen Menge an konsumiertem Alkohol und erreicht dabei die Grenze zur Alkoholvergiftung", sagte Brunner. Die nötige Menge Bier liege je nach persönlicher Konstitution bei sechs bis zehn Litern.
Bei 30 Prozent der Studienteilnehmer - der Altersschnitt lag bei etwa 35 Jahren - fanden die Mediziner Herzrhythmusstörungen, in knapp 26 Prozent der Fälle raste das Herz. Sie verglichen die Daten mit Ergebnissen aus einer Langzeitstudie in der allgemeinen Bevölkerung: Die Häufigkeit der Herzrhythmusstörungen lag hier bei ein bis vier Prozent.
Bei den Wiesn-Besuchern stieg das Risiko für Herzrhythmusstörungen pro zusätzlichem Promille um 75 Prozent an. "In einigen Fällen gab es auch Vorhofflimmern", sagte Sinner. Die Erkenntnisse sind bedeutend, da Vorhofflimmern über einen längeren Zeitraum zu Schlaganfällen oder Herzschwäche führen kann.
Nun wollen die Forscher die Ergebnisse vertiefen. "Das ist unser Ausgangspunkt für nachfolgende Studien", sagte Sinner. Um die längerfristige Wirkung zu testen, laufen am Uniklinikum Großhadern Untersuchungen mit Langzeit-EKGs an rund 200 Freiwilligen, "die privat Alkohol trinken gehen".
Quelle : spiegel.de
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