Geht es so weiter, dürften sich die Pole irgendwann umkehren - die Kompassnadel würde nicht mehr nach Norden, sondern nach Süden zeigen. Während der Umkehrphase würde gefährliche kosmische Strahlung verstärkt auf die Erde prasseln.
Derzeit schiebt sich der magnetische Pol, der sich in der Nähe des geografischen Nordpols befindet, mit etwa 50 Kilometern pro Jahr von Kanada Richtung Russland. Und das Magnetfeld hat sich örtlich deutlich abgeschwächt.
Die größte Schwachstelle liegt in einer Gegend von Südafrika bis Südamerika: Über dem Südatlantik sind Flugpassagiere einer Strahlung ausgesetzt, die tausendmal so hoch ist wie auf anderen Routen in Reiseflughöhe. Die Besatzung der Internationalen Raumstation empfängt in diesen Breiten 90 Prozent ihrer Strahlendosis, obwohl sie dort nur etwa zehn Minuten pro Tag entlangfliegt.
In diesen Regionen, glauben Forscher, werde die nächste Umpolung ihren Anfang nehmen. Vergrößern sich die Zonen und entstehen zudem weitere solche Areale, dürfte der Polwechsel losgehen.
Um zu klären, ob es so weit kommt, versuchen Forscher herauszufinden, wie sich das Magnetfeld früher entwickelt hat. Der Fußboden tausend Jahre alter Lehmhütten in Südafrika liefert ihnen nun eine wichtige Antwort.
Brennende Hütten
Die Böden haben das Magnetfeld früherer Jahrhunderte gespeichert - zu verdanken sind die Aufzeichnungen einem lokalen Brauch: Die Bewohner am Limpopo-Fluss an Südafrikas Grenze zu Zimbabwe und Botswana brannten ihre Hütten einem Ritual folgend ab, wenn Dürre herrschte.
Die Hitze des Feuers von mehr als tausend Grad ließ den Lehm weich werden. Als das Feuer ausging, der Boden erkaltete und starr wurde, richteten sich magnetische Minerale im Lehm gemäß dem damals herrschenden Erdmagnetfeld aus.
Partikel, die radioaktiv in berechenbarer Rate zerfallen, lassen zudem auf das Alter der Hütten schließen.
Das überraschende Ergebnis: Die tausend Jahre alten Brandspuren deuten auf ein schwaches Magnetfeld: Zwischen 1000 und 1500 nach Christus war das Erdmagnetfeld dort um 30 Prozent abgeschwächt, berichtet der Geophysiker John Tarduno von der University of Rochester in den USA, der für seine Arbeit in dieser Woche auf der Jahrestagung der European Geosciences Union (EGU) in Wien mit einer Medaille geehrt wird.
Die Krise bekommen
Seine Entdeckung in Afrika sei eine gute Nachricht, sagt Tarduno. Sie beweise, dass das Erdmagnetfeld häufiger schwächele als angenommen, die aktuelle Ermattung mithin nichts Besonderes zu sein scheint.
Es laufe also nicht zwingend auf eine Umpolung hinaus, schließlich habe sich das Feld nach der Schwächephase im Mittelalter auch wieder vorübergehend erholt, bevor es vor 180 Jahren wieder die Krise bekam.
Die Lehmböden der afrikanischen Hütten verraten die mittelalterliche Magnetfeldschwäche aufgrund ihrer magnetischen Partikel: Zwar zeigten sie auch bei ihrer Erstarrung nach den Hüttenbränden nach Norden. Doch ihr Winkel, Inklination genannt, variiert in ungewöhnlicher Weise.
Normalerweise steht die Kompassnadel an den Polen senkrecht, am Äquator waagerecht und in den Breiten dazwischen in entsprechender Mittelstellung. Ist das Magnetfeld aber gestört, verändert sich die Inklination von Ort zu Ort in geradezu chaotischer Manier.
Wie ein Fahrrad
Die Ursache liegt nicht - wie man vielleicht vermuten könnte - Kilometer über der Erdoberfläche, sondern im flüssigen Erdinneren: Große Temperaturunterschiede zwischen Kern und Erdmantel lassen die glutflüssige Eisenschmelze im äußeren Kern zirkulieren wie in einem Kochtopf. Die Erdrotation verwirbelt die Masse - wie bei einem Fahrraddynamo wird aus Bewegung Strom gemacht.
Der Strom erzeugt das Erdmagnetfeld. Und weil sich die Eisenwirbel ungefähr parallel zur Erdachse ausrichten, befinden sich die magnetischen Pole fast immer in der Nähe der geografischen Pole.
Die Schwankungen des Magnetfeldes an der Erdoberfläche sind ein Spiegel der gewaltigen Walzen im Inneren. Derzeit schwächt sich das Feld ab, weil Teile des Dynamos eine Gegenbewegung begonnen haben, wie Computersimulationen zeigen.
Je größer die sogenannten Antidynamos werden, desto schwächer das Magnetfeld. Gibt es irgendwann mehr Antidynamos als Dynamos, polt es sich um.
Mysterium in der Tiefe
Eine dieser Regionen liegt offenbar unter Südafrika. Das zeigen Bilder des Erdinnern, die bei Erdbeben gewonnen werden: Wie beim Ultraschall ändern die Wellen ihre Geschwindigkeit, je nach dem Zustand des Materials, das sie queren - weichere Substanz bremst die Wellen.
Unter Südafrika, dem Südatlantik und Südamerika an der Grenze zum Erdkern in knapp 3000 Kilometer Tiefe offenbaren die Bilder eine Zone niedriger Geschwindigkeit - dort muss das Gestein in besonderer Weise beschaffen sein. Ein Zusammenhang mit dem schwachen Magnetfeld in jenen Gebieten liege nahe, meint Tarduno: Vermutlich ändere sich dort die Strömung des flüssigen Eisens im Erdkern, die das Feld erzeugt.
Dass das Magnetfeld in der Region gestört ist, können Schiffskapitäne auch auf dem Kompass ablesen. Die Inklination ihrer Kompassnadel variiert ähnlich stark wie in den Lehmböden der afrikanischen Hütten.
Grob lassen sich die Feldschwankungen über Jahrmillionen zurückverfolgen. Auch erstarrtes Lavagestein schließt seine Magnetisierung ein. Die Untersuchung solcher Felsblöcke zeigt, dass sich das Erdfeld im Mittel alle paar Hunderttausend Jahre umpolt.
Die letzte Umkehrung ist 780.000 Jahre her. Was der Natur offenbar nicht viel ausmacht, könnte für die Menschheit zum Problem werden. Der hochenergetische Sonnenwind würde tief in die Atmosphäre eindringen und Schaltkreise von Computerchips stören. Besonders gefährdet sind Flugzeuge und Satelliten, Energie- und Kommunikationsnetze.
Eindeutige Messdaten über die Feldstärke gibt es erst seit 1840, um 16 Prozent hat sich das Erdmagnetfeld seither abgeschwächt. Zuvor jedoch war das Feld jahrhundertelang stabil. Und so könnte es auch bald wieder sein, das ist das beruhigende Ergebnis von Tardunos Arbeit an den alten afrikanischen Lehmhütten.
Quelle : spiegel.de
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