Ein Drittstaat könne nicht besser gestellt werden als ein Mitglied der Europäischen Union, sagte Merkel. "Ich habe das Gefühl, dass sich einige in Großbritannien darüber noch Illusionen machen. Das aber wäre vergeudete Zeit."
Britische Befürworter des EU-Ausstiegs hatten unter anderem im Wahlkampf vor dem Referendum im vergangenen Jahr suggeriert, das Königreich könnte bei einem Austritt zwar Verpflichtungen loswerden, trotzdem aber weiter von der Union profitieren. Mittlerweile hat Premierministerin Theresa May auf die Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt verzichtet, um etwa bei der Einwanderung strengere Regeln durchsetzen zu können.
Merkel untermauerte zudem die EU-Haltung, keine wesentlichen Gespräche über das zukünftige Verhältnis mit den Briten zu führen, bevor nicht die Austrittsmodalitäten geklärt seien. Unter anderem gibt es Streit über die Frage ausstehender Verpflichtungen der Briten. London würde diese Gespräche am liebsten aufschieben. Merkel sagte: "Diese Verhandlungen können wir nicht ganz zum Schluss führen." Sie gehörten zu den wichtigsten Aspekten, "die von Beginn an Thema sein werden". Deshalb "kann und wird es nur in dieser Reihenfolge gehen und nicht umgekehrt".
Die Kanzlerin versprach den Briten "faire und konstruktive" Verhandlungen. Es gehe aber auch darum, die Interessen der eigenen Bürger zu wahren und "Schaden von der Europäischen Union insgesamt" abzuwenden.
Merkel kritisiert "Vorverurteilungen" in der Türkei
Zu Beginn ihrer Regierungserklärung äußerte sich Merkel auch zur Situation in der Türkei - erstmals seit dem umstrittenen Verfassungsreferendum. Merkel mahnte die Türkei zur Einhaltung rechtsstaatlicher Standards und warnte sie zugleich vor einem Bruch in den Beziehungen des Landes zu Europa.
"Eine endgültige Abwendung der Türkei von Europa, aber auch Europas von der Türkei wäre weder im deutschen noch im europäischen Interesse", sagte Merkel. "Mit Klugheit wie mit Klarheit werden wir im Kreise der Europäischen Union darüber beraten, welche präzisen Konsequenzen wir zu welchem Zeitpunkt für angemessen halten." Die Türkei müsse sich unter anderem zu massiven Bedenken zum Ablauf des Verfassungsreferendums erklären.
Merkel betonte mit Blick auf den in der Türkei inhaftierten deutschtürkischen Journalisten Deniz Yücel: "Es ist - um das unmissverständlich zu sagen, mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar, wenn eine Exekutive, in diesem Fall die türkische Exekutive, Vorverurteilungen vornimmt, wie das etwa mit Deniz Yücel öffentlich geschehen ist."
Quelle : spiegel.de
Tags: