Nun haben die 28 EU-Innenminister in Brüssel die Verteilung der 120.000 auf die EU-Staaten beschlossen - gegen die Stimmen der Slowakei, Tschechiens, Ungarns und Rumäniens. Am Ende, berichten Verhandlungsteilnehmer, wollten die Widerständler die Entscheidung verschieben, um einen Beschluss im Konsens fassen zu können. Doch damit hatten sie keinen Erfolg: Es wurde abgestimmt, und die Osteuropäer wurden überstimmt.
Damit hat die EU erstmals in einer Entscheidung von höchster Bedeutung das Prinzip der qualifizierten Mehrheit angewandt. Das hat lange gedauert: Schon 2009 wurde das Verfahren durch den Vertrag von Lissabon auf zahlreiche Entscheidungsprozesse in der EU ausgeweitet. Dennoch wurde meistens weiterhin nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht.
Auch die Bundesregierung ist - zumindest offiziell - mit genau dieser Linie in die Verhandlungen in Brüssel gegangen. EU-Entscheidungen im Konsens zu treffen sei für Deutschland "ein ganz hoher Wert", sagte Kanzlerin Angela Merkel noch am Montag. Dann aber, so heißt es, hätten sich die Osteuropäer als derart hartleibig herausgestellt, dass man keine andere Wahl gehabt habe, als sie zu überstimmen. Offensichtlich war die Angst vor einem erneuten Scheitern in der Flüchtlingskrise noch größer als die Sorge vor dem innereuropäischen Ärger.
Ungarn-Kontingent wird zur flexiblen Reserve
Damit ist es jetzt amtlich: Es werden insgesamt 120.000 Flüchtlinge von sogenannten Hotspots - Registrierungsstellen, die in den Erstaufnahmeländern erst noch errichtet werden müssen - auf andere Staaten verteilt. Zunächst sollen 50.400 Flüchtlinge aus Griechenland und 15.600 aus Italien neue Bleiben finden. Hinzu kommen jene 54.000 Flüchtlinge, die eigentlich Ungarn hätte abgeben sollen. Da Budapest dabei nicht mitspielen möchte, soll dieses Kontingent nun "grundsätzlich" ebenfalls Italien und Griechenland zugutekommen, erklärte Luxemburgs Außen- und Migrationsminister Jean Asselborn. Falls sich innerhalb von zwölf Monaten eine Notlage in einem anderen Staat ergebe, könnte ein Teil des Ungarn-Kontingents auch dort eingesetzt werden.
Welcher Staat wie viele der 120.000 Flüchtlinge aufnimmt, orientiert sich an Quoten, die die EU-Kommission vorgeschlagen hatte. Deutschland wird nach Angaben des Bundesinnenministeriums 31.000 Menschen aufnehmen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) betonte, dieser Anteil von 26 Prozent sei zwar nicht unerheblich, stelle aber unter dem Strich eine Entlastung dar, da Deutschland zurzeit fast die Hälfte der Flüchtlinge aufnehme. "Ohne diesen Verteilschlüssel wären viele mehr zu uns gekommen."
Vom Tisch ist die Idee, dass sich EU-Staaten von der Aufnahme von Flüchtlingen freikaufen können. Hier stand ein Betrag von 6500 Euro pro Person im Raum. Frankreich und Deutschland seien "absolut dagegen gewesen", sagte de Maizière. "Es kann kein Geschäft geben: Geld gegen Flüchtlinge."
Scharfe Kritik aus Osteuropa
Vertreter der überstimmten Staaten zeigten sich zutiefst verärgert. Der slowakische Regierungschef Robert Fico sprach von einem "Diktat der Mehrheit" und kündigte an, er werde sich nicht an den Beschluss halten. Dafür werde er auch ein Vertragsverletzungsverfahren riskieren. "Der gesunde Menschenverstand hat heute verloren", schrieb der tschechische Innenminister Milan Chovanec im Kurznachrichtendienst Twitter. Polen hatte dagegen vorher die Kritiker-Front verlassen und stimmte für die Flüchtlingsverteilung. Damit waren am Ende nur noch vier Staaten dagegen, die zusammen weniger als zehn Prozent der EU-Gesamtbevölkerung stellen.
Luxemburgs Minister Asselborn gab sich gelassen. Europa befinde sich in einer Notsituation und werde zudem immer wieder dafür kritisiert, zu langsam zu handeln. Ohne den Beschluss wäre die EU "auf andere Weise gespaltener gewesen und in ihrer Glaubwürdigkeit getroffen". Er habe "keinen Zweifel", dass auch die Kritiker die Entscheidung vollständig umsetzen würden.
rans Timmermans verlieh dem Nachdruck: Seine Behörde habe schon des öfteren
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