„Für ihn waren die Beziehungen zu Russland nie wichtig“, widersprach der SPD-Außenpolitik jenen, die Trumps außenpolitische Vorstellungen anders einschätzen. „Aber die Russen haben relativ positiv über ihn berichtet, deshalb war er auch für sie, in einer etwas plumpen Art.“
Es handele sich nicht um einen tief verwurzelten Wunsch Trumps nach einer Politik der tiefen Kooperation mit Moskau. „Deshalb ist für ihn jetzt, wo die Beziehungen mit Russland offensichtlich in der Innenpolitik ihm schaden, das relativ leicht möglich, sich darauf anzupassen. Er wird das gar nicht mal als Kurswechsel sehen, sondern sagen: In der Außenpolitik lerne ich, während ich den Job habe. Das ist für Amerika nicht untypisch für Präsidenten.“ Er habe zwar nicht damit gerechnet, dass Trump gewinnt, aber dessen Sieg sei Ausdruck einer langfristigen Entwicklung in der US-Politik. Schon vor 15 Jahren habe er darauf hingewiesen, dass sich das politische System der USA wie auch die Gesellschaft immer mehr polarisiere.
„US-Desinteresse beleidigt Russland“
Die Außenpolitik von US-Präsidenten wird immer von innenpolitischen Signalen bestimmt, erklärte Voigt den Zuhörenden. Er widerspreche in Gesprächen mit Partnern in Moskau deren These von der angeblichen durchgehenden Strategie des Westens, die russische Macht zurückzudrängen, die die USA eingeführt und durchgesetzt hätten, unabhängig wer regiert. Voigt glaubt, „dass es viel schlimmer ist: Die Amerikaner haben sich für Russland überhaupt nicht interessiert.“ Die USA hätten sich stattdessen für China interessiert. „Als der Obama gesagt hat, Russland ist eine zweitrangige Macht oder eine Regionalmacht, war das politisch unklug, aber genau das, was vorherrschende Meinung in den USA war. Die waren nicht interessiert.“ Das sei einer der Gründe gewesen, warum Washington bei der Ukraine-Krise Berlin und Paris den Vortritt gelassen habe. Das Desinteresse sei aber für Russland eigentlich eine „noch größere Beleidigung“, so der SPD-Politiker.
Das aktuell neu erwachte Interesse in den USA an Russland stehe unter negativen Vorzeichen. Es spiele beispielsweise jeden Abend beim TV-Sender CNN eine Rolle, berichtete er und fügte hinzu: „Aber als Teil der amerikanischen Innenpolitik!“ Dazu gehöre „von morgens bis abends“ die Debatte um den angeblichen russischen Einfluss auf die Wahlen, um die Kontakte des ehemaligen Trump-Beraters Michael Flynn zu russischen Diplomaten oder ganz aktuell, warum der FBI-Chef James Comey abgesetzt wurde. Voigt wies auf die Wirkungen hin: Wenn die Innenpolitik so sehr dominiere, sei „es sehr schwer, eine kooperative Außenpolitik zu machen“. Ein solche werde „zunehmend unwahrscheinlicher“, was sich unter anderem daran zeige, dass die zu den antirussischen „Falken“ zählende Fiona Hill in den Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses berufen wurde. Dazu gehöre ebenso, dass General Herbert McMaster als Vertreter des republikanischen Mainstreams gegen Moskau zum neuen Sicherheitsberater ernannt wurde. „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich die sehr kritische Distanz zu Russland auf absehbare Zeit verändert“, schätzte der SPD-Außenpolitiker ein.
Berlin folgt eigenen Interessen
Er widersprach auch der russischen Einschätzung, dass die Politik Berlins mit den Sanktionen nur dem Druck aus Washington folge. Das sei „von Anfang an eine Fehlanalyse“ gewesen: Die deutsche Politik folge der eigenen Definition von deutschen und europäischen Interessen, was auch hierzulande nicht ausreichend diskutiert werde. Mit der „Verletzung von Normen der europäischen Friedensordnung, nämlich Grenzveränderung mit Gewalt“, könnten die USA mit ihrer globalen Orientierung „lockerer umgehen als die Europäer“. Moskau verweise zu Recht immer wieder auf US-Beispiele für solches Vorgehen, aber: „Für die Europäer ist es etwas Anderes, wenn es in Europa passiert“, erklärte Voigt mit Blick auf die Krim. „Wenn wir als Deutsche Grenzveränderungen mit Gewalt akzeptieren würden, hätte das Rückwirkungen auf unsere östlichen Nachbarn. Das Misstrauen würde bei denen wieder wachsen.“ Deshalb seien sich bis auf die Linkspartei alle Parteien im Bundestag einig gewesen bei den antirussischen Sanktionen, die mit der Ukraine-Krise und den Ereignissen um die Krim begründet werden.
Die deutsche Politik sage nun: „Wir wollen gute Beziehungen zu Russland, aber nicht um den Preis von schlechten Beziehungen zu unseren östlichen Nachbarn.“ Voigt beschrieb die neuen Berliner Prioritäten „ganz brutal“: „Russland ist das wichtigste Land für uns östlich von der EU und der Nato, aber es ist nicht das wichtigste Land östlich von uns. Die Summe der kleineren Staaten östlich von uns sind durch ihre Mitgliedschaft in der EU und der Nato welche, die wir in der EU und in der Nato brauchen bei Abstimmungsprozeduren.“ Der Handel mit Polen allein sei beispielswiese größer als der mit Russland, erinnerte der SPD-Politiker. Berlin werde für ein gutes Verhältnis zu Moskau nicht die Beziehungen zu seinen östlichen Nachbarn aufs Spiel setzen, betonte er. Diese seien sogar psychologisch näher an Washington als an Berlin orientiert. Das gehöre zu den veränderten Rahmenbedingungen für die deutsche Außenpolitik, die in Russland nicht vollständig wahrgenommen würden.
EU aus zwei Richtungen bedroht?
Voigt meinte, dass der neue US-Präsident anfangs bereit für einen Deal mit Moskau zur Ukraine-Krise gewesen sei, ohne vorher Kiew zu fragen. Das hätte aber zu einem deutschen Veto geführt, was ebenso zu den Veränderungen gehöre, die Moskau verstehen müsse. Für Washington sei wichtig, was in Europa geschehe, aber bei der Rolle der EU gebe es einen Konflikt. Aus seinem Verständnis sei es „erstes nationales Interesse“ für die deutsche Politik, die EU und die Euro-Zone zusammenzuhalten. Heute kämen die transatlantischen Beziehungen erst auf Platz zwei, dann folge das Verhältnis zu Russland. Für die USA stünden die Beziehungen zu China an erster Stelle. Trump habe nur wenig Interesse an der EU, so Voigt, der meinte: „Das kann ich auch nicht von Putin erwarten“. Daraus ergebe sich für Berlin das Problem: „Wir haben zwei wichtige Partner, mit dem einen durch ein Bündnis verbunden, mit dem anderen durch viele Verträge und auch die Geschichte, die an sich nicht für die Stärkung der EU sind.“ Die EU werde nun nicht mehr nur aus dem Osten bedroht, gab der SPD-Außenpolitiker die Stimmung im Berliner Establishment wieder.
Eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik müsse deshalb dazu beitragen, sich „in kleinen Schritten“ von den USA loszulösen. Dafür sei auch eines der Projekte der neuen Regierung in Paris und der Bundesregierung. Im sicherheitspolitischen Bereich gebe es eine fortschreitende Integration innerhalb der EU, stellte Voigt fest. Er bezeichnete es immerhin als „Problem“, dass deutsche Truppen nun wieder im Baltikum stehen, ohne aber weiter darauf einzugehen.
Quelle : sputnik.de
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