Könnte Trump einen Atomschlag anordnen?

  01 Juni 2017    Gelesen: 990
Könnte Trump einen Atomschlag anordnen?
Im Konflikt mit Nordkorea setzt US-Präsident Trump auf chinesische Hilfe, schließt aber einen Militärschlag nicht aus. Theoretisch ist für Kriegserklärungen in den USA der Kongress zuständig. Praktisch sieht die Sache jedoch anders aus.
Nordkorea hat in diesem Jahr bereits neun Raketentests veranstaltet, der jüngste am vergangenen Montag. Zwar ist dies ein klarer Verstoß gegen diverse Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Dennoch haben bislang weder die USA noch die internationale Gemeinschaft ein Mittel gefunden, um die isolierte Diktatur zu stoppen.

US-Präsident Donald Trump äußerte sich nach dem koreanischen Raketentest nur kurz auf Twitter: "Nordkorea hat durch den Abschuss einer weiteren Rakete große Respektlosigkeit gegenüber seinem Nachbarn China gezeigt … aber China gibt sich wirklich Mühe!"

Mit Blick auf Nordkorea setzt Trump auf die Unterstützung aus Peking, dem wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Verbündeten von Nordkorea. Zugleich schließt er ein militärisches Vorgehen nicht aus. In einem Interview mit dem US-Sender CBS sagte Trump auf die Frage nach einer möglichen Militärintervention: "Ich weiß es nicht. Ich denke, wir werden sehen."

Dass US-Präsidenten militärische Maßnahmen nicht ausschließen, ist keineswegs ungewöhnlich. Trumps Unberechenbarkeit sorgt allerdings dafür, dass solche Äußerungen mit Sorge aufgenommen werden. Weltweit fragt man sich: Kann Trump einen atomaren Angriff auf ein Land anordnen?

Die rechtlichen Schritte bei einem militärischen Vorgehen der USA sind kompliziert und letztlich eine Frage der Auslegung. Eigentlich gibt die amerikanische Verfassung dem Kongress die Macht, einen Krieg zu erklären. Faktisch sei es jedoch der US-Präsident, der dazu autorisiert sei, erklärt der Politologe Matthew Kroenig, der an der Georgetown Universität in Washington internationale Beziehungen lehrt.

Die letzte Kriegserklärung des Kongresses war 1942

"Praktisch gesehen hat der Präsident die volle rechtliche Autorität, um einen begrenzten Militärschlag durchzuführen. Dies würde auch auf ein hypothetisches Vorgehen gegen Nordkorea zutreffen", so Kroenig. "Zwar hat einzig und allein der US-Kongress die Macht, eine Kriegserklärung auszusprechen. Es gibt jedoch eine große Anzahl militärischer Aktivitäten, die außerhalb einer offiziellen Kriegserklärung anzusiedeln sind."

Tatsächlich ist die Befugnis des Kongresses nicht viel wert: Die letzte offizielle Kriegserklärung, die von den Senatoren und Abgeordneten verabschiedet wurde, erfolgte am 4. Juni 1942. Damals erklärte die US-Regierung Rumänien, Bulgarien und Ungarn den Krieg. Insgesamt hat der Kongress von seinem Verfassungsrecht elf Mal gebrach gemacht – zum ersten Mal beim Britisch-Amerikanischen Krieg von 1812. Deutschland und Ungarn sind die einzigen Länder, denen die USA zweimal den Krieg erklärten.

Die verlustreichen und zermürbenden Kriege der USA in Korea (1950-53) und Vietnam (1955-75) erfolgten ohne offizielle Kriegserklärung. Der Einsatz in Korea war Teil einer UN-Resolution. Im Fall von Vietnam war es gemeinsame Entscheidung des Kongresses und des Präsidenten Lyndon B. Johnson, die 1964 zu einer Eskalation des Konflikts führte. Um daraufhin die kriegerische Macht des US-Präsidenten wieder zu beschränken, verabschiedete der Kongress 1973 die sogenannte War Powers Resolution.

Die Bestimmung besagt, dass ein Präsident nur nach einer Kriegserklärung des Kongresses Truppen in fremde Länder entsenden kann. Sie besagt auch, dass der Präsident den Kongress innerhalb von 48 Stunden über sein Vorhaben informieren muss und Truppen nicht länger als 60 Tage ohne Zustimmung des Kongresses im Ausland stationiert seien dürfen. Einigen Präsidenten, unter anderem Bill Clinton und Barack Obama, wird vorgeworfen, gegen diese Bestimmungen verstoßen zu haben. Auch Trump wurde nach dem US-Raketenangriff auf einen syrischen Flughafen eine Verletzung dieser Resolution vorgeworfen.

Kroenig glaubt an indirekte Sanktionen

"Die meisten Präsidenten haben diese Bestimmung als verfassungswidrigen Eingriff in die exekutive Autorität des Präsidentenamts, internationale Politik zu betreiben, angesehen", erklärt Kroenig. Trotz dieser eher undurchsichtigen rechtlichen Lage glaubt Kroenig nicht, dass die Regierung diesen Schritt auch wirklich gehen wird. "Es ist fast unmöglich sich vorzustellen, dass die USA einen Präventivangriff gegen Nordkorea, weder mit atomaren oder konventionellen Waffen, vornehmen werden", sagt er. Allerdings unternehme die US-Regierung durchaus die nötigen Schritte, um einen möglichen Angriff aus Nordkorea abwehren zu können.

Kroenig glaubt, dass die USA die Sanktionen gegen Nordkorea verstärken sollten. Da die USA keine direkten Handelsbeziehungen mit Pjöngjang unterhalten, sind derzeit nur indirekte Sanktionen möglich. Diese hätten sich auch bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogram als äußert effektiv erwiesen, so Kroenig.

"Washington hat keine direkten Handelsbeziehungen mit Teheran, darum drohte es anderen Nationen und Unternehmen, die eine Geschäftsbeziehung zum Iran pflegten, mit Sanktionen. Dies zwang Regierungen und globale Unternehmen, sich zwischen einer wirtschaftlichen Beziehung mit den USA oder dem Iran zu entscheiden. Die USA könnten diesen Vorgang mit Blick auf Nordkorea wiederholen und chinesischen Firmen und Banken, die Nordkorea unterstützen, mit Sanktionen drohen."

Berichten zufolge treibt Nordkorea knapp 90 Prozent seines Handels mit China. Trotz der UN-Sanktionen gegen das Land ist das Handelsvolumen zwischen den beiden kommunistisch geführten Ländern im ersten Quartal dieses Jahres um mehr als 37 Prozent gewachsen. Im Vergleich zum ersten Quartal 2016 stiegen die chinesischen Exporte um 54,5 Prozent und Importe um 18,4 Prozent in den ersten drei Monaten des Jahres, wie die chinesische Regierung im April bestätigte.

"Nur China hat die Möglichkeit, schwerwiegenden wirtschaftlichen Druck auf Nordkorea auszuüben", sagt Kroenig. "Bisher hat es jedoch Grenzstabilität der Nichtverbreitung von Atomwaffen vorgezogen."

Wie gefährlich die Situation ist, machte Navy-Admiral Harry B. Harris vor kurzem deutlich. Der Chef der US-Pazifikstreitkräfte sagte im vergangenen Monat vor einem Kongressausschuss, die Krise auf der koreanischen Halbinsel sei "die schlimmste, dich ich je gesehen habe". Nordkorea stelle die "aktuell größte Gefahr" für die Sicherheit der USA dar.

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