Nun, der Verein ist halt der reichste der Welt, aber nicht der erfolgreichste. Und gerade hat er so kläglich verloren, als sei er gar ein kleiner Verein. Viele Mitglieder glauben, das habe essenziell mit ihm, Pérez, zu tun.
Deswegen schien es ihm, dem Präsidenten dieses Real Madrid und Chef des Baukonzerns ACS, am Montagabend dann doch ratsam, sich bei angenehm gedimmter Beleuchtung im Ehrenbereich des Estadio Santiago Bernabéu ein paar Fragen zu stellen.
Zwei Tage nach dem 0:4-Debakel gegen den FC Barcelona, während dem ein großer Teil der Anhängerschaft seinen Rücktritt gefordert hatte, unternahm Pérez einen Parforce-Ritt der Dementis. "Nicht ein Wort" sei bei der vorherigen Präsidiumssitzung über die Möglichkeit einer Entlassung von Trainer Rafael Benítez gefallen. Soweit die wichtigste Botschaft: "Er hat unsere totale Unterstützung". Fürs erste jedenfalls: "Was in sechs Monaten passiert, kann doch keiner vorhersagen, auch ich nicht."
Was Pérez sagen konnte, und zwar ziemlich oft, war das Wort "Lüge". Dass der umstrittene Trainer ein schlechtes Verhältnis zur Mannschaft habe? "Lüge!" Dass Cristiano Ronaldo ihn aufgefordert habe, Benítez zu entlassen? "Lüge!"
Dass er Ronaldo verkaufen wolle? "Lüge!". Dass er Benítez in dessen Aufstellung reingeredet habe? Unsinn, nie passiert: "Benítez hat die volle Macht!"
Und dieses 0:4 mit einer apathischen Mannschaft? Keine Lüge, stand ja auf der Anzeigentafel. Aber, so Pérez, "auch das Ergebnis eines Ambientes der Destabilisierung", das interessierte Kreise angeblich schaffen.
30 Minuten Perez können ziemlich verwirren
Nach einer halben Stunde präsidialer Einlassungen konnte der Zuhörer tatsächlich etwas verwirrt zurückbleiben. Hatte am Ende gar nicht Rafael Benítez beim Clásico-Debakel auf der Bank gesessen, sondern immer noch Vorgänger Carlo Ancelotti? Hatten nicht Ronaldo, Gareth Bale oder Toni Kroos auf dem Platz gestanden, sondern die Journalisten von "As" und "Marca"? Und regieren im Santiago Bernabéu die rechtsradikalen Hooligans der "Ultras Sur", obwohl sie gar nicht da sind?
Der sportliche Verfall jedenfalls "kommt schon von Januar", fällt mithin unter die Verantwortung von Ancelotti: "Wir haben Benítez verpflichtet, um das zu korrigieren, aber er braucht natürlich Zeit." Berichte über unzufriedene Spieler, insbesondere Ronaldo, entsprängen der Feder von "Journalisten ohne jeden Verhaltenskodex".
Und die Rufe nach seinem Rücktritt, die Mehrheit der Anhänger, die sein erratisches Management laut Umfragen für die Hauptursache der Probleme hält? "Vor zwei Jahren haben wir die Gewalttätigen aus dem Stadion geworfen, aber es sind immer dieselben, die mit dem Schlachtruf nach meiner Entlassung beginnen".
1,2 Milliarden Euro für Spieler in der Ära Pérez
Pérez ist einer der mächtigsten Männer Spaniens. Der oppositionslose Fußball-Präsident hat zwar in seinen Amtszeiten (2000 bis 2006 und seit 2009) mehr als 1,2 Milliarden Euro für Spieler ausgegeben hat. Trotzdem weist er den schlechtesten Titel-Durchschnitt aller Real-Präsidenten seit dem 2. Weltkrieg auf.
"Ja", behauptete also dieser Florentino Pérez, "es gibt eine Kampagne gegen mich. Es gibt Leute, deren Lebensinhalt die Lüge ist."
Das klingt so schlimm, dass sich die Frage förmlich aufdrängte, ob es überhaupt eine Lösung für Reals Probleme geben könne. Pérez` Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: "Rafa Benítez."
Über den berichten etliche Medien allerdings weiter, das ihn die Mannschaft schlichtweg nicht ausstehen könne. Den "Zehner", nennen ihn die Spieler laut "Marca" ironisch – aus Spott über seine belanglose Spielerkarriere, die ihn jedoch nicht davon abhalte, sie über Dinge aufklären zu wollen, von denen er keine Ahnung habe.
Am Mittwoch tritt Real in der Champions League bei Schachtjor Donezk an, am Sonntag in der Liga bei der SD Éibar, dem kleinsten Klub der Liga mit einem Stadion für knapp 6000 Zuschauer und einem Rekordtransfer in der Vereinsgeschichte von 400.000 Euro. Eine Niederlage dort wäre wohl die einzige Peinlichkeit, die das 0:4 gegen Barcelona noch steigern könnte.
Aber könnte sie auch aus sechs Monaten eine Woche machen? Das weiß wahrscheinlich nicht mal Florentino Pérez.
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