Das Innenleben des XZ Premium macht seinem Namen alle Ehre. Das 5,5-Zoll-Display löst mit 2160 x 3840 Pixeln superscharf auf, der Snapdragon-835-Prozessor ist Qualcomms aktuelles Spitzenmodell, die Kamera filmt 4K-Videos, kann Superzeitlupen aufnehmen und schießt Fotos, bevor man auf den Auslöser drückt. Klingt nach einem echten Technik-Monster - aber kann das XZ Premium auch Begehrlichkeiten wecken? Schließlich darf man Premium-Technik bei einem Smartphone für 750 Euro getrost voraussetzen. Worauf es ankommt, ist also nicht die Hardware, sondern das Gefühl.
Kantiges Design
Nimmt man das XZ Premium in die Hand, fällt sofort das kantige Äußere auf. Das Gerät ist groß, und das ist nicht nur der Bildschirmgröße geschuldet. Ober- und unterhalb des Displays ist viel Platz, die Displayränder fallen recht breit aus. Von der effektiven Platzausnutzung eines Samsung Galaxy S8 oder LG G6 ist das XZ Premium weit entfernt. Mit einer Hand lässt es sich nicht immer gut bedienen, aus der Hosentasche ragt es gerne leicht heraus und drückt beim Hinsetzen in den Oberschenkel.
Ober- und Unterseite sind aus Metall und flach mit angeschliffenen Ecken. Das fühlt sich wertig an und trägt zum kantigen Eindruck bei - Sony verzichtet bewusst auf abgerundete Ecken, wie es die meisten anderen Hersteller derzeit anbieten. Das passt zwar zu den Japanern, die beim Design schon immer einen eigenen Weg gingen. Das Sony-Flaggschiff ist dadurch aber weniger gefällig als zum Beispiel das S8 oder ein iPhone. Für den Kunden bedeutet das: Wer ein Xperia XZ Premium kauft, entscheidet sich wahrscheinlich bewusst dafür, denn die naheliegendste Option unter den Top-Modellen ist es nicht.
Bild- und Tonmeister
Dabei hat es neben der starken Hardware samt zuverlässig funktionierendem seitlichem Finger-Scanner und der praktischen Kamera-Taste noch weitere Stärken. Es ist wasserdicht, der Akku mit 3230 Milliamperestunden hält lange durch und schafft auch mal zwei Tage ohne Zwischenstopp am Ladekabel. Das Display zeigt 4K-Inhalte mit HDR-Unterstützung an, mit dem entsprechenden Kopfhörer- oder Lautsprecher-Zubehör lassen sich HiRes-Audiodateien abspielen.
Die Kamera macht in den meisten Aufnahmesituationen gute Fotos. Sony hebt zudem die Super-Zeitlupe hervor: Die Knipse kann 960 Bilder pro Sekunde aufnehmen. Das ist beeindruckend viel, im Praxiseinsatz zeigen sich aber schnell die Grenzen: Entsprechende Videos filmt die Kamera nur in HD-Auflösung (720p), eine per Fingertipp gestartete Zeitlupen-Sequenz dauert zudem nur rund 0,2 Sekunden, die bei der Wiedergabe auf ungefähr 6 Sekunden gestreckt werden. Hobbyfilmer müssen also Abstriche machen und schnell reagieren. Denn es erfordert Übung und Glück, genau den richtigen Zeitlupenmoment zu erwischen. Für gelungene Aufnahmen braucht es zudem viel Licht, am besten Tageslicht.
Auch interessant: Die Kamera kann Situationen voraussehen und in Szenen, in denen viel Bewegung ist, Bilder aufnehmen, bevor der Nutzer auf den Auslöser drückt. Damit ist die Chance größer, in rasanten Situationen den richtigen Moment zu erwischen.
So richtig alltagstauglich sind beide Funktionen aber nicht, zumal die Superzeitlupe genannte Einschränkungen hat und die automatische Vorhersage nicht vom Nutzer ein- oder ausgeschaltet werden kann. Auch ärgerlich: die nach wie vor teils unlogische Programmierung der Kamera-App, in der man manche Standardfunktionen erst suchen muss. 4K-Videos und Panorama-Fotos sind eigene "Kamera-Apps", HDR gibt's nur im manuellen Modus über das Einstellungsrädchen, Belichtungskorrektur und Fokus haben eine separate Schaltfläche. Hier muss Sony dringend aufräumen.
Grummel-Gründe
Die Verarbeitung der Fotos selbst könnte auch noch besser erfolgen: Wie bei allen Sony-Vorgängern zeigt die "überlegene Automatik" Schwächen bei der Bildberechnung. Vor allem in dunklen Bildbereichen sind unschöne Artefakte erkennbar, vermutlich weil die Software etwas zu stark ins Bildergebnis eingreift und versucht, Details glattzubügeln. So macht das XZ Premium im Automatikmodus "nur" gute Fotos, produziert aber auch viel Ausschuss und kommt nicht ganz an die mühelos gelungenen Schnappschüsse von anderen aktuellen Handy-Kameras heran.
Auch bei der Benutzeroberfläche gibt's Grund für leises Grummeln: 64 Gigabyte Flash-Speicher sind zwar groß genug für viele Apps und reichlich Daten, doch ab Werk sind viele Apps vorinstalliert, die nicht jeder braucht. Dazu gehört Sonys eigenes Software-Paket, aber auch Dritt-Apps wie Facebook, AVG Protection oder Amazon, die nicht deinstalliert werden können. Immerhin: Einmal deaktiviert und auf Werkzustand zurückgesetzt, nehmen sie kaum noch Platz weg und erscheinen auch nicht mehr in der App-Übersicht.
Der Gesamteindruck des XZ Premium wird durch Details wie diese unnötig getrübt. Das Smartphone ist eigentlich toll, doch wer dessen gesamtes Potenzial ausschöpfen will, muss sich intensiv damit beschäftigen. HiRes-Audio nutzt kaum ein Handy-Hörer, 4K-Inhalte sind selten, gute Fotos erfordern Konzentration, die Kamera-App ist nicht intuitiv, und Superzeitlupe und Vorhersage-Funktion sind recht spezielle Einsatzgebiete. Extras wie ein Paar gute Kopfhörer (wie beim HTC U11) oder ein Schnellladegerät (wie bei fast allen anderen Topmodellen) fehlen dem XZ Premium, und ein großes und brillantes Display steckt auch im LG G6 oder Galaxy S8.
Damit ist das XZ Premium für Sony-Fans sicher erste Wahl, wer's kleiner mag, kann auch das ähnlich starke XZs kaufen. Unschlüssige werfen auf der Suche nach Kaufargumenten vielleicht einen Blick auf Sonys Website. Dort heißt es beim XZ Premium etwas unglücklich übersetzt "Wo zu kaufen". Gemeint sind die Händler, aber man kann es auch als "Wozu kaufen?" lesen. Die Antwort muss jeder selbst finden.
Quelle: n-tv.de
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