May verliert Wahl - Folgen für Brexit und Regierung unklar

  09 Juni 2017    Gelesen: 910
May verliert Wahl - Folgen für Brexit und Regierung unklar
Die britische Premierministerin Theresa May hat die von ihr vorgezogene Unterhauswahl verloren.
Die Konservative Partei büßte ihre absolute Mehrheit nach den am Freitag vorliegenden Ergebnissen ein, die sie eigentlich mit der Abstimmung ausbauen wollte. Zwar wurden die Tories stärkste Kraft, aber sie mussten deutlich Federn lassen. Dagegen konnte die Labour Partei ihre Präsenz im Parlament ausbauen. Eine absolute Mehrheit erreichte aber keine der beiden Parteien, was eine Hängepartie bei der Regierungsbildung zur Folge haben dürfte. In die Brexit-Verhandlungen dürfte das Land nun eher geschwächt gehen. EU-Kommissar Günther Oettinger erwartet mehr Unsicherheit in den Gesprächen. Die deutsche Wirtschaft äußerte sich am Freitag besorgt, die Aktienmärkte reagierten indes eher positiv.

Von den 650 Sitzen im britischen Unterhaus gehen nach Auszählung der Stimmen für 647 Mandate 316 an die Konservativen und 261 an Labour. Für die absolute Mehrheit sind 326 Mandate notwendig. Sie ist für keine Partei mehr zu erreichen. Die Premierministerin hatte die Neuwahlen im April angesetzt. Damals sagten ihr die Umfragen eine klare Mehrheit voraus, und May versprach sich von der Abstimmung ein starkes Mandat für die Brexit-Verhandlungen. Nunmehr steht ihre Zukunft als Regierungschefin selbst infrage. So forderte Labour-Chef Jeremy Corbyn bereits ihren Rücktritt. Der finanzpolitische Sprecher der Labour Partei, John McDonnell, lehnte eine Koalition mit den Tories ab und sprach sich für eine Minderheitsregierung seiner Partei aus. Zunächst haben aber die Tories als stärkste Partei das Recht, Möglichkeiten für eine Regierungsbildung auszuloten. May will sich am Vormittag (11.00 Uhr MESZ) äußern.

WIE GEHT ES IN GROSSBRITANNIEN WEITER NACH DER WAHL

Für die politische Zukunft Großbritanniens gibt es damit mehrere Optionen. Die Konservativen können sich um eine Koalition bemühen, wobei die Chancen dafür angesichts tiefgehender Meinungsverschiedenheiten eher gering sind. Als Alternative könnten die Tories auch eine Minderheitsregierung bilden und auf die Unterstützung anderer Parteien in Einzelfragen setzen. Möglich wäre aber auch eine von der Labour-Partei angeführte Koalition, denn sie ist in mehreren Positionen näher an den anderen Parteien, etwa die Liberaldemokraten oder die schottischen Nationalisten, als die Konservativen. Funktionieren alle diese Möglichkeiten nicht, stünde Großbritannien vor Neuwahlen.

Schwieriger dürften auf jeden Fall die Brexit-Verhandlungen werden. Die Konservativen setzten auf einen harten Schnitt mit der Europäischen Union, benötigten dafür aber eine klare Mehrheit im Parlament und darauf basierend ein klares Verhandlungsmandat. Die ist nun nicht mehr gegeben. Alle anderen Parteien im Parlament sind gegen einen "harten Brexit" oder sogar gegen den EU-Austritt. Dass dies zu einem Rücktritt vom Brexit führt, gilt jedoch als unwahrscheinlich.

Elmar Brok, Brexit-Beauftragter der EVP im Europaparlament, sagte unmittelbar nach der ersten Prognose im ZDF, er erwarte bei einem solchen Ausgang erschwerte Brexit-Gespräche. "Dieses Ergebnis bedeutet, dass überhaupt keiner Kompromisse machen kann. Das wird für die Brexit-Verhandlungen sehr große Erschwernisse mitbringen." Zudem werde es bei den Konservativen einen heftigen Kampf um Mays Nachfolge geben.

Auch EU-Kommissar Oettinger erwartet nach dem Ausgang der Wahl mehr Unsicherheit bei den Brexit-Verhandlungen. Unklar sei, ob diese wie geplant am 19. Juni beginnen könnten, sagte er dem Deutschlandfunk.

DEUTSCHE WIRTSCHAFT NACH WAHLAUSGANG BESORGT

In der deutschen Wirtschaft hat die Wahl Sorgen ausgelöst. Es steige die Unsicherheit, beklagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Martin Wansleben. "Der Fahrplan für die Brexit-Verhandlungen ist nun Makulatur." Auch Außenhandelspräsident Anton Börner rechnet mit neuen Unwägbarkeiten rund um den Brexit. "Das ist überhaupt kein Grund zur Schadenfreude, denn das ist eine schlechte Nachricht für Brüssel", sagt er. Börner hält es für möglich, dass von britischer Seite nun eine noch härtere Gangart in den Brexit-Verhandlungen verfolgt wird. Insgesamt sei das Wahlergebnis schlecht für Großbritannien und die EU, und das in einem ohnehin durch Unsicherheiten gekennzeichneten weltpolitischen Umfeld.

Die Aktienbörsen wurden durch den Wahlausgang nicht aus dem Tritt gebracht. Der deutsche Leitindex Dax-notierte zur Eröffnung leicht im Plus. Der Londoner Auswahlindex FTSE gewann sogar ein Prozent, weil der erneute Kursverfall des Pfund Sterling britische Waren auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger macht. Die Währung des Vereinigten Königreichs verbilligte sich um rund zwei US-Cent auf 1,2668 Dollar.

Quelle. reuters.de

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