Nord Stream 2: Moskau lässt Brüssel abblitzen

  16 Juni 2017    Gelesen: 772
Nord Stream 2: Moskau lässt Brüssel abblitzen
Russland hat zum ersten Mal offiziell erklärt, nicht bereit zu Verhandlungen mit der EU-Kommission über die Anwendung von EU-Gesetzen gegenüber der Pipeline „Nord Stream 2“ zu sein. Das berichtet die Zeitung Kommersant am Freitag.
Diese Position erklärte der russische Vize-Energieminister Anatoli Janowski gestern auf einer Konferenz in Berlin, die von der Russischen Gasgesellschaft organisiert wurde.

„In den vergangenen Jahren sah Russland nur in solchen Regierungsabkommen einen Sinn, die günstige Bedingungen für die Umsetzung von Projekten schaffen könnten, insbesondere durch die Verabschiedung von neuen Gesetzesnormen“, betonte er.

Nach seinen Worten gibt es einen Beschluss des juristischen Dienstes der EU-Kommission, dass die Normen des so genannten „Dritten Energiepakets“ für den Abschnitt der Pipeline in der Ostsee nicht gelten.

„Angesichts dessen stellt sich die Frage: Was könnte uns der Vertreter der EU-Kommission anbieten? Dass wir über die Erweiterung dieser Normen verhandeln? Ich denke, das wäre einfach inkorrekt.“

Der Beamte erinnerte auch, dass Russland nach wie vor die Normen des „Dritten Energiepakets“ im WTO-Gericht bestreite. Die Zustimmung der Erweiterung seiner Normen auch auf die „Nord Stream 2“-Leitung würde unter anderem Moskaus Positionen im Rahmen dieses Prozesses schwächen.

Brüssel hatte in der vergangenen Woche das Thema, wie das „Dritte Energiepaket“ in Bezug auf „Nord Stream 2“ angewendet werden kann. Die Kapazität der Pipeline, die Gazprom von Russland bis zur deutschen Küste bauen will, soll jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich betragen.

Nach den Einwänden mehrerer EU-Länder (Polen, Dänemark, die baltischen Länder und einige andere) beantragte die EU-Kommission beim EU-Rat das Recht, mit Russland über ein „spezielles Regime“ für die neue Pipeline zu verhandeln, und bekam es auch. Aber selbst dann kann die EU-Kommission Moskau nicht zu den Verhandlungen zwingen, denn für den Pipelineabschnitt in der Ostsee gelten nicht die Regeln des EU-Binnenmarktes. Diese Gespräche sieht auch die Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG als zwecklos an.

Diese Position Moskaus war zwar von Anfang an vorhersagbar, aber de facto bedeutet das, dass es keinen realen Dialog mit der EU-Kommission über den Status des „Nord Stream 2“-Projekts geben kann. Einige Experten meinen, dass das größte Problem darin besteht, dass die EU-Kommission den Teilnehmern dieses Projekts – neben Gazprom sind das auch Engie (Frankreich), OMV (Österreich), Shell (Großbritannien und Niederlande) und die deutschen Unternehmen Uniper und Wintershall – nichts bieten kann. Diese werfen Brüssel „böse Absichten“ vor, denn bis zuletzt hatte die EU-Kommission keine Gas-Beratungen mit Russland geplant und nur einseitige Entscheidungen getroffen.

So gab es unter den Teilnehmern der erwähnten Konferenz in Berlin keinen einzigen Vertreter der EU-Kommission. Mehr noch: Daran nahm auch kein einziger Vertreter der deutschen Regierung teil, obwohl Berlins positive Einstellung zu „Nord Stream 2“ allgemein bekannt ist. Dadurch entstand der Eindruck, dass die „Trennungslinie“ bezüglich der Gas-Beziehungen mit Russland nicht zwischen dem „alten“ und dem „neuen“ Europa liegt, sondern zwischen dem EU-Establishment im Allgemeinen und den traditionellen Geschäftspartnern Gazproms, die mit den Russen seit Jahrzehnten erfolgreiche Beziehungen pflegen.



Zu den potenziellen Zugeständnissen des russischen Gas-Riesen an seine europäischen Partner sagte die Juristin des Rechtsanwaltsbüros A2, Jekaterina Waschtschilko, sie könnten „als Anlass für die Rückkehr zu den alten Fragen bezüglich des ‚Nord Stream 1‘-Projekts wahrgenommen werden“, für das Gazprom von den europäischen Aufsichtsbehörden kritisiert worden sei. Zudem könnte die EU-Kommission für die Verweigerung des Dialogs mit dem Verbot des Baus der zusätzlichen Infrastruktur für die „Nord Stream 2“-Leitung drohen. Allerdings habe Gazprom bereits Erfahrungen bei der Lösung solcher Probleme, ergänzte die Juristin.

Tags:


Newsticker