Mordprozess gegen Eltern – Hat Tochter traditionelle Normen verletzt?

  23 September 2015    Gelesen: 838
Mordprozess gegen Eltern – Hat Tochter traditionelle Normen verletzt?
Eine 19-Jährige wird erwürgt, jetzt stehen die Eltern wegen Mordes vor Gericht. Die junge Frau habe aus Sicht der Angeklagten die traditionellen Werte der Familie verletzt, heißt es von der Staatsanwaltschaft.

Acht Monate nach dem gewaltsamen Tod einer 19-Jährigen müssen sich die Eltern wegen Mordes vor dem Landgericht Darmstadt verantworten. Der Staatsanwaltschaft zufolge wurde die Tochter umgebracht, weil die junge Frau aus Sicht der aus Pakistan stammenden Familie traditionelle Normen verletzt haben soll. Die junge Frau habe einen Freund gehabt, mit dem sie nicht verlobt gewesen sei. Die Eltern sollen von sexuellen Kontakten des Pärchens erfahren und beschlossen haben, ihre Tochter zu töten. Die Eltern hatten die Tat laut Anklage zugegeben.

Der Prozess soll an diesem Freitag (25. September) beginnen, so die dpa. Der Fall hatte im Januar Aufsehen erregt. Die Leiche der 19-Jährigen war außerhalb von Darmstadt an einem Parkplatz in der Nähe eines Naherholungsgebietes entdeckt worden. Die Eltern sitzen in Untersuchungshaft. Zunächst sind sieben Verhandlungstage terminiert. Die jüngere Schwester der Getöteten tritt als Nebenklägerin auf.

Der Prozess in Darmstadt weckt Erinnerungen an Fälle, in denen die Werte der Familie Auslöser für ein Verbrechen waren. Bekannt wurde vor allem der Mord an der Deutsch-Türkin Hatun Sürücü im Februar 2005 in Berlin. Die 23-Jährige war von ihrem jüngsten Bruder erschossen worden, weil die Familie den westlichen Lebensstil der jungen Frau nicht akzeptierte. Hatun Sürücü hatte sich nach einer Zwangsehe von ihrem ersten Mann getrennt, das Kopftuch abgelegt und ihren Sohn in Berlin allein aufgezogen.

«Oft geht es um einen Kulturkampf», sagte der Direktor der von Bund und Ländern getragenen Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, Martin Rettenberger. Die Lage sei zugespitzt: «Entweder du bist dabei – oder du bist draußen.» Die Anwältin Brigitta Biehl hat den Eindruck, «dass das zunimmt». Sie ist stellvertretende Vorsitzende von Peri, einem Verein für Menschenrechte und Integration.

In dem Darmstädter Fall erwürgte der Vater nach Angaben der Anklage in der Nacht zum 28. Januar zwischen 2.00 Uhr und 4.00 Uhr seine schlafende Tochter im Beisein der Mutter. Die Mutter habe sich darum gekümmert, dass die zweite Tochter nicht zu Hause gewesen sei, damit die Tat nicht gestört werden konnte. Einer ersten Obduktion zufolge wurde die junge Frau mit bloßen Händen erwürgt.

Der toten Tochter sollen die Eltern laut Anklage Straßenkleidung angezogen und sie mit einem Rollstuhl zum Auto in der Tiefgarage des Hochhauses gebracht haben. Die Leiche sei in einem Wald zehn Autominuten von der Wohnung entfernt am Rande eines Parkplatzes die Böschung hinunter geworfen worden.

Die Ermittler waren den Eltern schnell auf die Spur gekommen. Bei ihrer Festnahme hatten sie die Tat zunächst bestritten, dann aber zugegeben. Nachbarn hatten die Tat nicht fassen können. Sie beschrieben die Familie als ruhig, nett und korrekt.


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