Die Tunnel wurden von kurdischen Kämpfern freigelegt, die Sindschar im Nordwesten des Iraks in diesem Monat nach mehr als einem Jahr unter Kontrolle des IS einnahmen. Der Nachrichtenagentur AP lag umfangreiches Videomaterial von dem unterirdischen Bau vor.
"Wir fanden zwischen 30 und 40 Tunnel innerhalb Sindschars", sagte Schamo Eado, ein Kommandeur der irakischen kurdischen Kämpfer, die als Peschmerga bekannt sind. "Es war wie ein Netzwerk innerhalb der Stadt."
Nach Angaben von Eado grub der IS "diese Gräben, um sich vor Luftangriffen zu verstecken und unterirdisch Bewegungsfreiheit zu haben, sowie um Waffen und Sprengstoffe zu lagern. Dies war ihr militärisches Arsenal."
Die Videoaufnahmen wurden von einem Freiberufler gemacht, der mit kurdischen Kämpfern durch Sindschar tourte. Zu sehen sind zwei Tunnel, die mehrere hundert Meter lang sind. Jeder von ihnen beginnt und endet an Häusern.
Die schmalen Tunnel wurden offenbar mit Pressluftbohrern oder anderer Ausrüstung per Hand in den Stein gemeißelt. Sie sind gerade hoch genug, dass ein Mann darin stehen kann. Teile der Wände sind von Sandsäcken gesäumt. Stromkabel sorgen für den Betrieb von Ventilatoren und Beleuchtung. Die Decken sind mit metallenen Stützen verstärkt.
Exemplare der Koran und Medikamente liegen herum
Ein Tunnelabschnitt ähnelte einem Bunker. Über gestapelten Decken und Kissen liegen verstaubte Exemplare des Koran. Auf dem Boden verstreut liegen verschreibungspflichtige Medikamente – Schmerzmittel und Antibiotika. In einem anderen Tunnelabschnitt sind Vorräte an Munition zu sehen, darunter amerikanische Patronen und Werkzeuge für den Bombenbau.
Der IS hat in den von ihm kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien Tunnel gegraben, die zum einen dem Schutz, zum anderen der Fortbewegung dienen sollen. Den Tunnelbau betrieben die Extremisten bereits vor den ersten Luftangriffen der von den USA angeführten Koalition im Spätsommer 2014.
"Dies ist von Anfang an Teil der Strategie von ISIS (IS) gewesen", sagte Lina Khatib von der Denkfabrik Arab Reform Initiative mit Sitz in Paris. Die Terrormiliz "ist gut auf diese Art von Intervention vorbereitet gewesen".
Massengräber belegen Gräuel des IS in Sindschar
Der IS hatte im August 2014 die Kontrolle über Sindschar übernommen. Er tötete Tausende der mehrheitlich jesidischen Bewohner der Stadt oder nahm sie gefangen. Jesiden sind eine religiöse Minderheit und werden von den IS-Extremisten als Abweichler betrachtet.
Es wird angenommen, dass sich noch Hunderte jesidische Frauen in IS-Gefangenschaft befinden. Diejenigen, denen die Flucht gelang, sagten, viele jesidische Frauen würden dazu gezwungen, zum Islam zu konvertieren und IS-Kämpfer zu heiraten.
Nachdem sie den IS aus Sindschar vertrieben hatten, entdeckten Peschmerga-Vertreter und örtliche Bewohner in der Gegend zwei Massengräber. In einem davon, das nicht weit vom Stadtzentrum liegt, sollen sich Schätzungen zufolge die Leichen von 78 älteren Frauen befinden.
Das zweite Grab wurde rund 15 Kilometer westlich von Sindschar freigelegt. Es enthielt zwischen 50 und 60 Leichname von Männern, Frauen und Kindern.
Eado, der Peschmerga-Kommandeur, rechnete damit, dass bei der Beseitigung von Sprengstoffen in Sindschar weitere Tunnel und Beweise für Gräueltaten gefunden würden. "Es ist nur eine Frage der Zeit", sagte er.
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