Westen hat neuen Plan zur Ukraine-Regelung – Russland soll ersten Schritt tun

  10 Juli 2017    Gelesen: 970
Westen hat neuen Plan zur Ukraine-Regelung – Russland soll ersten Schritt tun
In Kiew wurde gestern ein neuer Aktionsplan zur Konfliktregelung im Donezbecken erörtert, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Montag.
Das teilte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nach seinem Treffen mit US-Außenminister Rex Tillerson mit. Gleichzeitig traf sich der ukrainische Premier Wladimir Groisman mit UN-Generalsekretär António Guterres. Und heute findet in Kiew eine Sitzung des Ukraine-Nato-Komitees statt.

Experten merken an, dass sich die Rhetorik der ukrainischen Politiker gegenüber Russland verändert hat.

Auf einer Pressekonferenz nach dem G20-Gipfel in Hamburg hatte der russische Präsident Wladimir Putin der ukrainischen Regierung „Russland-Hass“ vorgeworfen. „Sie (die Behörden in Kiew) haben eine einzige Ware, die sie aber erfolgreich verkaufen – das ist der Russland-Hass“, stellte der Kremlchef fest. „Zudem handeln sie mit der Politik zur Trennung Russlands und der Ukraine, zur Spaltung der beiden Völker und Staaten. Manchen Kräften im Westen gefällt das, denn sie denken, dass man eine Annäherung Russlands und der Ukraine keineswegs zulassen kann – egal in welcher Hinsicht. Deshalb handelt die aktuelle Ukraine Führung intensiv und erfolgreich mit dieser Ware.“

Der ukrainische Experte Igor Garbaruk stellte im Kontext der gestrigen Verhandlungen in Kiew fest, dass Poroschenko inzwischen den kriegerischen Ton in Richtung Moskau vermeide. „Die politische Position bleibt unverändert. Aber die Rhetorik ist milder geworden“, sagte Garbaruk in einem TV-Interview. Früher habe man in Kiew von der „russischen Aggression“ gesprochen, aber auf seiner Pressekonferenz mit Tillerson habe Poroschenko vorsichtig vom „Verhalten Russlands im Osten der Ukraine“ gesprochen. Das bedeute wohl, dass Kiew zwar nicht seine Ziele aufgebe, aber die russische Führung auch nicht verärgern wolle.

Garbaruk vermutete darüber hinaus, dass Tillerson und der erst vor kurzem ernannte Sonderbeauftragte des US-Außenministeriums, Kurt Volker, die Ergebnisse der jüngsten Treffen in Hamburg nach Kiew mitbrachten. „Möglicherweise wurde ein realer Plan zur Einstellung des Kriegs im Donezbecken erarbeitet“, so der Experte.

Poroschenko sagte dazu auf der Pressekonferenz in Kiew: „Eines der wichtigsten Ergebnisse unseres heutigen Treffens besteht darin, dass wir (…) ein Verfahren zur Fortsetzung des Friedensprozesses vereinbart haben.“

Eine Quelle, die anonym bleiben wollte, sagte ihrerseits, dass dieser Plan Kompromisse von beiden Seiten vorsehe: „Seit 2016 hatten die ukrainischen Machthaber auf folgender Reihenfolge der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen bestanden: Zunächst sollten alle Punkte im Kontext der Gewährleistung der Sicherheit erfüllt werden, und dann wären alle politischen Punkte an der Reihe. Die Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie Russland verlangten die gleichzeitige Erfüllung beider Blöcke. Der Westen hat offenbar die ‚goldene Mitte‘ festgelegt: Zunächst stellen alle Seiten das Feuer ein und ziehen ihre Kräfte zurück, und dann werden alle Punkte der Minsker Vereinbarungen der Reihe nach erfüllt“, so der Insider.

Poroschenko unterstrich auf der Pressekonferenz, dass Moskau den ersten Schritt tun müsse. „Kiew hat diesen Krieg nicht entfesselt, und es gibt keine ukrainischen Truppen auf russischem Territorium. (…) Deshalb liegen die Schlüssel zur Friedensregelung in Moskau“, betonte er. „Als erstes“ sollte ihm zufolge das Feuer „nachhaltig eingestellt werden“. Zweitens sollten alle Okkupationstruppen vom ukrainischen Territorium abgezogen werden. Ferner sollten internationale Beobachter in der Ostukraine nicht mehr eingeschüchtert werden, wobei internationale Kräfte den unkontrollierten Abschnitt der ukrainisch-russischen Grenze und die Trennungslinie im Konfliktraum unter ihre Kontrolle nehmen müssten. Und schließlich sollten „alle Geiseln, die illegal auf dem okkupierten Territorium sowie in russischen Gefängnissen festgehalten werden, befreit werden“.

Dann wäre Kiew bereit, den politischen Teil seiner Verpflichtungen zu erfüllen. Poroschenko sagte jedoch nicht, in welcher Reihenfolge diese Punkte umgesetzt werden und wer dabei als Garant auftreten sollte. Er gab aber zu verstehen, dass er mit einer aktiven Rolle der USA im Sinne des Budapester Memorandums von 1994 rechne. Washington wird sich dabei offenbar nicht unmittelbar am Verhandlungsprozess beteiligen, die Situation aber kontrollieren.

Wie erfolgreich diese neue Phase der Verhandlungen sein wird, kann man aus den Telefonaten der Mitglieder des so genannten „Normandie-Quartetts“ schließen. Poroschenko sagte, diese Gespräche könnten bis Ende Juli stattfinden. Dabei könnte ein Treffen von Wladimir Putin, Petro Poroschenko, Angela Merkel und Emmanuel Macron vereinbart werden. Zum letzten Mal trafen sich die Spitzenpolitiker Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs (noch der damalige Präsident Francois Hollande) im Oktober 2016. Damals wurde beschlossen, bis Anfang 2017 einen „Fahrplan“ zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu entwickeln, doch dies wurde nicht getan. Dann wurde wegen der Präsidentschaftswahlen in den USA und Frankreich eine Pause eingelegt. Jetzt kann endlich eine neue Gesprächsphase beginnen.

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