Drei Superminister für Jamaika

  04 Oktober 2017    Gelesen: 721
Drei Superminister für Jamaika
Die Jamaika-Koalition quält sich langsam zueinander. Während noch lautstark um Inhalte gestritten wird, formieren sich im Hintergrund die Personalien. Joachim Herrmann dürfte zur Überraschung der Republik Verteidigungsminister werden.
Erst nach der Niedersachsen-Wahl am 15. Oktober werden Union, FDP und Grüne konkret über die neue Jamaika-Koalition verhandeln - aber hinter den Kulissen wird schon jetzt über Posten gesprochen. Wer könnte welches Ministerium bekommen? Eines steht schon fest: Finanzminister Wolfgang Schäuble soll Bundestagspräsident werden. Dafür wird er parteiübergreifend gelobt und als Mann gepriesen, der die AfD parlamentarisch in Schach halten könne. Trotzdem würde ein machtbewusster Großpolitiker seines Schlages den Schritt in ein eher repräsentatives Amt nicht tun, wenn es für ihn im Machtzentrum der Republik noch Platz gegeben hätte. Das ist aber nicht der Fall.

Sowohl die Grünen (Außenpolitik) als auch die FDP (Finanzen) beanspruchen jeweils ein Kernressort und zwei Fachressorts für sich. Auch die CSU will dieses Mal auf ein Kernressort bestehen. In München wird es rückblickend als Fehler angesehen, dass man in der letzten Legislatur kein Hauptressort belegt habe. Anders als gemeinhin kolportiert, sind die Bayern aber nicht auf das Innenressort festgelegt.

Die drei kleineren Koalitionsparteien wollen - so ist in Berlin zu hören - ihre "Superminister" so stark wie möglich werden lassen. Dabei spielen auch Überlegungen zur Neuordnung von Ministerien eine Rolle. So könnte das Entwicklungshilfeministerium dem Auswärtigen Amt zugeschlagen werden. Das Finanzministerium dürfte sich die wichtige Grundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums, die Hans Eichel einst an Wolfgang Clement verlor, zurückholen. Die gilt als "Erhards Truppe" und ist zuständig für Konjunkturstatistik, Jahreswirtschaftsbericht, den Sachverständigenrat und die Wirtschaftsforschungsinstitute. Im Verteidigungsministerium wiederum dürfte das Thema "Heimatschutz" eine neue Rolle spielen. Zudem ist ein neu geschaffenes Integrationsministerium ebenso im Gespräch wie ein Digitalisierungsministerium.

Die drei Superminister würden nach derzeitiger Lage der Dinge:

Außenminister: Cem Özdemir (Grüne)

Cem Özdemir führte die Grünen als Spitzenkandidat zu einem passablen Wahlergebnis. Er ist außenpolitischer Vordenker seiner Partei, kann Klartext sprechen und beherrscht doch die Sprache der Diplomaten. Özdemir war Mitglied im Europaparlament und dort außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Im auswärtigen Ausschuss kümmerte er sich bereits um diplomatische Spezialfragen und war zum Beispiel Mitglied der Kontaktgruppe Nordzypern. Doch auch in die USA sind seine Verbindungen gut. Im Jahre 2001 absolvierte Özdemir das Young Leader-Programm des deutsch-amerikanischen Netzwerks Atlantik-Brücke und dem American Council on Germany. 2003 trat er einen Auslandsaufenthalt in den USA als Transatlantik Fellow des German Marshall Fund an.

Er wäre der erste Außenminister mit Migrationshintergrund und könnte sich mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan, zu dem er eine gepflegte Abneigung kultiviert, in dessen Muttersprache unterhalten. Das wird interessant, denn kurz vor der Wahl kündigte Özdemir im n-tv.de-Interview an: "Wenn wir mitregieren, werden wir uns dafür einsetzen, die Maßnahmen zu ergreifen, die Präsident Erdogan wirklich wehtun."

Finanzminister: Christian Lindner (FDP)

Der strahlende Held der Freidemokraten ist noch unsicher, ob er nicht besser Fraktionschef der Liberalen bleiben solle. Er weiß, dass der Koalitionsausschuss bei einer labilen Viererkoalition das eigentliche Steuerungsgremium der Jamaika-Regierung werden könnte. Daher wird er entweder selbst Fraktionschef bleiben oder Wolfgang Kubicki dazu machen (der ist immerhin Deutschlands längst-gedienter Fraktionschef aller Zeiten). Beide gleichzeitig werden jedenfalls nicht Minister.

Lindner dürfte den Fehler Westerwelles, aus Eitelkeit das Außenamt anzustreben, nicht wiederholen. Die FDP will vielmehr das Finanzressort übernehmen und wichtige Wahlversprechen (Abschaffung des Soli, Steuerreform, Beschränkung der EU-Finanztransfers) von dort aus umsetzen. Bei Lindner reift dieser Tage die Überzeugung, dass er im Finanzressort die beste Chance hat, gegen Angela Merkel eigenes Profil zu wahren - und vielleicht sogar ein sehr eigenes Thema auf die Tagesordnung der Republik zu setzen. Er hat seine Magisterarbeit an der Bonner Universität einst über das Thema geschrieben, das jetzt wieder interessant wird: "Steuerwettbewerb und Finanzausgleich. Kann die Finanzverfassung reformiert werden?"

Verteidigungsminister: Joachim Herrmann (CSU)

Herrmann ist seit 10 Jahren Innenminister in Bayern und auch bundesweit in dieser Rolle gut respektiert. Nach dem Wahlkampf sehen ihn viele bereits als neuen Bundesinnenminister, der mit seinem "Law and Order"-Kurs für mehr Sicherheit und Grenzkontrollen sorgen soll. Das scheint indes nicht Wirklichkeit zu werden. Einerseits hält Angela Merkel am hochloyalen Thomas de Maizière fest, andererseits kann Hermann die Rolle des schwarzen Sheriffs in einer anderen Besetzung - so hofft man in München - auch gut spielen. Er soll Verteidigungsminister werden. Die CSU verbindet damit den Wunsch, dass die Bundeswehr umfassender zum Schutz der deutschen Bevölkerung eingesetzt werden kann als bislang, insbesondere bei Terrorgefahren auch im Inland. In München wird daher das Thema "Heimatschutz" auf die Tagesordnung gesetzt.

Herrmann wäre für die Truppe eine Kameradenbesetzung. Er absolvierte in Mellrichstadt beim Panzergrenadierbataillon 352 und in Hammelburg nicht nur seinen Wehrdienst, sondern auch den Unteroffizierlehrgang der Infanterieschule. In den folgenden Jahren leistete Herrmann mehrere Wehrübungen ab, darunter auch den Reserveoffizierlehrgang als Lehrgangsbester. Im November 2014 wurde er zum Oberstleutnant der Reserve befördert. Erst vor wenigen Monaten machte Herrmann eine weitere Wehrübung mit. Hauptthema: Hilfseinsätze der Bundeswehr in Inneren.

Quelle: n-tv.de

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