Warum Amokläufe in den USA nichts ändern

  04 Oktober 2017    Gelesen: 545
Warum Amokläufe in den USA nichts ändern
Immer wieder zeigen sich die USA schockiert von blutigen Massakern. Und immer wieder verkündet die amerikanische Waffenlobby, dass schärfere Gesetze nichts ändern würden. Niemand hat es bislang geschafft, ihre Macht zu brechen.

Das blutige Attentat von Las Vegas hat in den USA eine neue Debatte zum Thema Waffengewalt ausgelöst - wieder einmal. Erneut fordern die Demokraten strengere Waffengesetze. Doch schon ein flüchtiger Blick in die jüngste Vergangenheit zeigt: All die Amokläufe, Anschläge und sonstigen Massaker haben bislang keine grundlegende Veränderung im Land herbeigeführt.

In Las Vegas hat ein 64-jähriger Rentner namens Stephen Paddock am Sonntag während einer Konzertveranstaltung mit einer automatischen Schusswaffe in die Menschenmenge gefeuert. Dabei tötete er mindestens 59 Menschen und verletzte mehr als 500 weitere zum Teil schwer. Zu den Hintergründen des Attentats herrscht weiterhin Rätselraten. Das Arsenal, das Paddock für seine Tat anhäufte, enthielt laut Polizeiangaben Dutzende Waffen und eine enorme Anzahl von Munition.

Trotz der Tragödie und der über die nächsten Wochen zweifellos folgenden Debatte ist eine Reform der amerikanischen Waffengesetze praktisch aussichtlos. Ein Grund dafür ist die politische Macht der National Rifle Association. Die Organisation kämpft seit gut dreißig Jahren für die Rechte der Waffenbesitzer in den USA sowie für den Erhalt des zweiten Verfassungszusatzes, der jedem Staatsbürger das Recht gibt, Waffen zu tragen.

Die NRA (National Rifle Association) hat, wie so oft nach Massenschießereien, am Montag geschwiegen. Die Internetseite der Organisation sowie deren sonst äußerst aktiven Kanäle in den sozialen Netzwerken wurden nicht aktualisiert. In der Vergangenheit dauerte es manchmal Wochen, bis die NRA öffentlich Stellung zu einem Attentat bezog. Ganz anders die Demokraten. "Gedanken und Gebete sind nicht genug", schrieb die linke Senatorin Elizabeth Warren am Montag auf Twitter. "Tragödien wie in Las Vegas passieren viel zu häufig. Wir brauchen eine Debatte, wie die Waffengewalt zu stoppen ist. Wir brauchen sie jetzt!"

"Unsere tröstenden Worte sind wertlos"

Mark Kelly, ein ehemaliger Astronaut und Ehemann der früheren Kongress-Abgeordneten Gabby Giffords, die einen Anschlag auf ihr Leben im Jahr 2011 knapp überlebte, trat in Washington vor die Presse, um eine eindrucksvolle Rede zu halten. "Eure Gedanken und Gebete werden den nächsten Amoklauf nicht stoppen", sagte er, während seine Frau neben ihm stand. "Nur Handeln und Führung können das tun", sagte er. "Wir und ihr, wir müssen Führung verlangen. Wir brauchen einen Präsidenten, der erkennt, dass wir ein Problem mit der Waffengewalt haben, und der an einer Lösung arbeitet. Amerikaner brauchen mehr als die Gebete unseres Präsidenten. Wir brauchen seine Pläne."

Nancy Pelosi, die Anführerin der demokratischen Minderheit im US-Repräsentantenhaus, schrieb an den republikanischen Sprecher der Kammer, Paul Ryan, und verlangte von ihm, ein spezielles Komitee zur Waffengewalt einzurichten. "Als Kongressmitglieder sind unsere tröstenden Worte an die Opferfamilien des Massakers von Las Vegas wertlos, solange wir nicht die schon lange überfälligen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass keine weitere Familie gezwungen ist, eine solche unvorstellbare Tragödie zu erleiden", so die Demokratin aus Kalifornien.

Las Vegas liegt im US-Bundesstaat Nevada, der als besonders waffenfreundlich gilt. Das Recht auf den Besitz von Feuerwaffen steht dort sogar im ersten Artikel der Staatsverfassung: "Jeder Bürger hat das Recht, Waffen zur Sicherheit, Verteidigung, Jagd, Freizeitbetätigung und anderen gesetzlich zulässigen Aktivitäten zu besitzen und zu tragen", heißt es dort. Anders als andere Bundesstaaten hat Nevada weder eine vorgeschriebene Wartezeit beim Kauf von Schusswaffen noch ist es nötig, eine Lizenz zu besitzen oder die Waffen registrieren zu lassen.

Nichtsdestotrotz sind laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew 83 Prozent der Amerikaner der Ansicht, dass Waffengewalt ein großes Problem in den USA darstellt. Wenn es darum geht, wie das Problem zu bekämpfen ist, gehen die Meinungen jedoch stark auseinander. Nur 47 Prozent glauben, dass strengere Waffengesetze zu weniger Massenschießereien in den USA führen würden. Dem gegenüber stehen 39 Prozent, die sagen, dass es keinen Unterschied machen würde. Weitere 13 Prozent waren sogar der Ansicht, dass strengere Vorschriften zu mehr Amokläufen führen würden. Das entspricht der Argumentation der Waffen-Befürworter, die behaupten, dass Waffen in den Händen der "richtigen" Menschen Tote durch Waffengewalt verhindern würden. Auch US-Präsident Donald Trump hat diese durch nichts belegte Behauptung nach dem Anschlag auf das Konzerthaus Bataclan in Paris vor zwei Jahren wiederholt.

Bevor er Präsident werden wollte, war Trump für Waffengesetze

Dieser Logik folgen auch die Reaktionen aus dem Weißen Haus auf das Massaker von Las Vegas. Eine Diskussion über schärfere Waffengesetze sei "verfrüht", sagte Trumps Sprecherin Sarah Sanders. "Es wäre voreilig, politische Maßnahmen zu diskutieren, solange wir nicht vollständig wissen, was gestern Abend passiert ist."

Die Tatsache, dass die republikanische Partei beide Häuser des US-Kongresses kontrolliert und mit Trump auch wieder im Weißen Haus das Sagen hat, bietet keine vielversprechende Grundlage für eine Gesetzesreform. Viele Republikaner im Kongress sind der Ansicht, dass das Recht auf Waffenbesitz grundlegend für den Charakter des Landes ist. Zudem ist die NRA weiterhin ein mächtiger Faktor in der republikanischen Politik. Und nicht nur dort.

Nach dem Amoklauf in der Sandy-Hook-Grundschule in der Kleinstadt Newtown im Bundesstaat Connecticut im Dezember 2012 stand die gesamte Nation unter Schock. 26 Schüler und Lehrer hatten dort ihr Leben verloren. Trotzdem scheiterte ein Gesetz, mit dem Obama ein Waffenregister auf Bundesebene einführen wollte, im Senat. "Dies ist ein ziemlich beschämender Tag für Washington", erklärte der damalige US-Präsident Barack Obama damals.

Die Macht der NRA, die eine wirkliche Debatte zum Thema zwecklos erscheinen lässt, hat mehrere Gründe. Einer davon heißt Geld. Die Organisation hat dem Magazin "New Yorker" zufolge ein jährliches Budget von 250 Millionen Dollar zur Verfügung. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts investierte die NRA 15 Mal so viel Geld für politische Zwecke wie die Befürworter von Waffengesetzen. Neben den finanziellen Mitteln sind es aber vielleicht sogar in einem noch größeren Ausmaß die ungefähr fünf Millionen Mitglieder der NRA, die die Organisation zu einem politischen Powerplayer machen. Juraprofessor Adam Winkler, der an der kalifornischen UCLA unterrichtet und das Buch "Gunfight" (Waffenkampf) veröffentlicht hat, erklärte, dass NRA-Mitglieder überdurchschnittlich häufig politisch aktiv sind. Wahrscheinlich betreibt die NRA eine der erfolgreichsten Propaganda-Kampagnen in der Geschichte der USA.

Seit den 1970ern stellt die NRA das Recht auf Waffenbesitz als unantastbar dar. Die Organisation benutzt die Angst vor steigender Kriminalität und das in den USA verbreitete Misstrauen gegenüber der Regierung für ihre Zwecke. Ladd Everitt von der "Coalition to Stop Gun Violence" beschreibt das Vorgehen so: "Menschen, die für strengere Waffenkontrollen sind, zitieren öffentliche Statistiken, um ihren Standpunkt zu vertreten. Die NRA hingegen verknüpft Waffenrechte mit amerikanischen Kernwerten wie Individualismus und persönlicher Freiheit."

Trumps Präsidentschaftswahlkampf im vergangenen Jahr unterstützte die NRA mit mehr als 30 Millionen Dollar. In der Vergangenheit hatte der New Yorker Milliardär sich für Einschränkungen beim Waffenbesitz ausgesprochen. Im Wahlkampf jedoch versprach er immer wieder, den zweiten Verfassungszusatz zu verteidigen.

Quelle: n-tv.de

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