Zusätzlich zu den üblichen Baugruppen hat Huawei hier auch eine Art Zusatzprozessor für künstliche Intelligenz (KI) eingebaut. Der chinesische Konzern bezeichnet ihn als Neural Network Processing Unit (NPU). Und der Smartphone-Chef der Firma, Richard Yu, verspricht Wunderdinge für diesen Chip im Chip.
Von der KI spüren Nutzer wenig
Bei der Abarbeitung von KI-Aufgaben soll er bis zu 25-mal schneller und 50-mal effizienter sein als herkömmliche Prozessoren. Der KI-Prozessor soll beispielsweise der Kamera-App helfen, Bildinhalte zu erkennen und dadurch automatisch die optimalen Einstellungen zu finden, egal ob Porträt oder Architekturfoto. Beim Telefonieren soll die KI Umgebungsgeräusche dämpfen und leise Stimmen lauter machen. Die KI soll auch dafür sorgen, dass Apps von Drittanbietern besser und intelligenter werden.
Eine solche App ist der Microsoft Translator, der in einer Huawei-Version auf dem Gerät vorinstalliert ist. Hier machte der KI-Prozessor beim Ausprobieren aber keinen Unterschied zur Standardversion ohne KI im Hintergrund - weder hinsichtlich der Geschwindigkeit noch hinsichtlich der Genauigkeit (Details in der Fotostrecke). Von der künstlichen Intelligenz, die das neue Smartphone mitbringen soll, ist im Alltag in ersten Tests also nicht viel zu spüren.
Durch Messdaten belegen lässt sich die Behauptung des Konzerns in Sachen KI-Prozessor ebenfalls nicht. Gängige Apps zur Leistungsmessung attestieren dem Mate 10 Pro eine Performance, die auf dem Niveau von LG V30 und Samsung Galaxy Note 8 liegt. Es dürfte schwer sein, eine App zu finden, die das Gerät an seine Grenzen treibt. Was davon aber auf die künstliche Intelligenz im Hintergrund zurückgeht, bleibt unsichtbar. Dadurch lässt sich kaum beurteilen, welche Effekte der KI zu verdanken sind, und welche nicht.
Schöne Fotos, zu schöne Selfies
Mit 2160 x 1080 Punkten auf sechs Zoll erzeugt der Bildschirm auch ohne KI-Unterstützung ein sehr kräftiges, detailreiches Bild. Die seitlichen Ränder sind noch schmaler als beim LG V30. Das sieht gut aus und wirkt, als würde das Display direkt ins Gehäuse übergehen.
Die Kameras wurden erneut zusammen mit Leica entwickelt. Im Rücken sind übereinander eine 12-Megapixel-Farbkamera und eine Schwarz-weiß-Kamera mit 20 Megapixeln angeordnet, deren Aufnahmen im Automatikmodus zu einem farbigen Gesamtbild verrechnet werden. Meine Test-Schnappschüsse gelangen durchweg gut bis sehr gut.
Viel Spaß macht der Modus "Offene Blende", mit dem sich der Hintergrund verschwommen abbilden lässt, wie bei einer Spiegelreflexkamera. Sogar im Nachhinein lassen sich Fokuspunkt und Hintergrundschärfe ändern. Bei Aufnahmen mit wenig Licht helfen die große Blende von F1/1,6 und optische Bildstabilisatoren.
Für Selfies ist eine 8-Megapixel-Kamera eingebaut, die bei Porträts den Hintergrund per Software weichzeichnen kann. Das sieht gut aus und dürfte eine der Aufgaben für Huaweis KI sein. Die Verschönerungsfunktion der Selfiecam geht für meinen Geschmack aber zu weit. Selbst wer hier die dezenteste Bearbeitungsfunktion anwählt, bekommt Fotos, die überdeutlich schöngefärbt wurden durch die Technik.
Fettes Ausstattungspaket
Darüber hinaus ist das Mate 10 Pro technisch bestens ausgestattet. Der Prozessor hat sechs Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher, um sich mit mehreren Apps gleichzeitig auszutoben. Der Hauptspeicher ist mit 128 GB bestückt, aber nicht erweiterbar. Dafür ist mein Testgerät Dual-Sim-fähig, kann also zwei Sim-Karten parallel nutzen.
Außerdem beherrscht es alle gängigen LTE-Standards und schnelles WLAN. Verwunderlich ist, dass das Gerät statt des neuen Bluetooth 5.0 noch die alte Version 4.2 nutzt. Dafür ist es wasserdicht nach dem IP67-Standard. Lange sollte man es also nicht untertauchen, aber im Regen fotografieren ist kein Problem.
Trotz intensiver Nutzung hat das Mate 10 Pro bei mir immer den Tag durchgehalten, für wirklich belastbare Aussagen zur Akkulaufzeit müsste der Testzeitraum aber deutlich länger sein. Eine kabellose Ladefunktion gibt es leider nicht, dafür liefert Huawei ein zwar etwas klobiges, dafür aber sehr kräftiges Ladegerät mit. Es brachte das Testgerät binnen 15 Minuten von 0 auf 35 Prozent Akkukapazität.
Fazit
Ich bin gespannt, wie sich das Huawei Mate 10 Pro in einem längeren Test schlägt. Die Fotoqualität hinterlässt schon nach wenigen Tagen einen guten Eindruck. Von der KI, die Huawei beim Bewerben des Geräts in den Vordergrund stellt, ist für den einfachen Nutzer nichts zu spüren. Mit einem Listenpreis von 799 Euro könnte das neue Huawei-Handy eine interessante Alternative zu den Top-Modellen von Samsung, LG und Co. sein.
Quelle : spiegel.de
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