Doch während in Katalonien Hunderttausende Menschen für die Unabhängigkeit demonstrieren und sich ein ernster Konflikt zwischen der Zentralregierung in Madrid und der Regionalregierung in Barcelona entwickelte, ist die Lage in Italien entspannter. «Die Referenden sind in keiner Weise mit den Autonomiebestrebungen Kataloniens vergleichbar. Separatistische Motive spielen in der italienischen Autonomiediskussion keine Rolle», erklärt der Geschäftsführer der deutschen Außenhandelskammer in Mailand, Jörg Buck. «Die jeweiligen Pro-Referenden-Bewegungen bekennen sich parteiübergreifend ausdrücklich zur "Patria Italia".»
Das Referendum ist nicht bindend, sondern soll vor allem der Regionalregierung mehr Legitimation bei Verhandlungen mit Rom geben. Die Menschen werden gefragt, ob die Bemühungen der Regionalregierung unterstützt werden, sich für eine stärkere Autonomie einzusetzen. Alles bewege sich im verfassungsrechtlichen Rahmen und habe nicht die Unabhängigkeit zum Ziel, betont der Chef der Partei Lega Nord, Matteo Salvini. «Es sind zwei komplett unterschiedliche Dinge. Wir haben den friedlichen Weg gewählt, um mehr Kompetenzen zu bekommen.»
Seine Partei steht maßgeblich hinter den Autonomiebestrebungen. Schließlich gründete sich die Lega einst mit dem Ziel, den reichen Norden vom armen italienischen Süden komplett abzuspalten. Man träumte von einem eigenen Land namens «Padanien». Doch mittlerweile konzentriert sich die Lega auf einen fremdenfeindlichen Kurs und hat die Sezessionswünsche ad acta gelegt. Bei den anstehenden Parlamentswahlen will sie auch im Süden punkten. Ob ein Referendum, das letztlich dazu beitragen soll, dass der reiche Norden weniger Geld an den armen Süden verteilt, da hilfreich ist, bezweifeln allerdings manche.
Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt laut EU-Statistik in Venetien bei 30 800 Euro, in der Lombardei bei 35 700 Euro. Nur die autonome Provinz Bozen in Südtirol toppt das in Italien. Dagegen kommt Kalabrien nur auf 16 600 Euro. Venetien und die Lombardei mit ihren insgesamt 15 Millionen Einwohnern sind auch die wichtigsten Handelsregionen für Deutschland.
Die Regierung in Mailand rechnet stets vor, dass sie 54 Millionen Euro mehr Steuern nach Rom überweist, als sie zurückbekommt. Der Präsident der Lombardei, Roberto Maroni von der Lega Nord, geht davon aus, dass mehr als 34 Prozent der Menschen abstimmen gehen. Sein Parteikollege Luca Zaia in Venetien erklärt, dass durch mehr Autonomie bis zu einer Milliarde Euro mehr für Krankenhäuser bereitstünden. Doch Kritiker monieren Geldverschwendung für ein symbolisches Referendum, das in ihren Augen sowieso keine Konsequenzen haben wird.
Erstaunlich: Auch der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi schlug sich auf die Seite der Autonomiebefürworter und schlug vor, solche Befragungen in ganz Italien durchzuführen. Schließlich sind die Lombardei und Venetien nicht die einzigen Regionen in Italien, die auf einen Sonderstatus pochen. Sardinien hat eine traditionsreiche Unabhängigkeitsbewegung. Nach dem Katalonien-Referendum brachte der Chef der Autonomiebewegung Unidos im Parlament in Rom sogar einen Gesetzentwurf für ein Unabhängigkeitsreferendum ein.
Auch in Südtirol - das verfassungsrechtlich einen Sonderstatus in Italien genießt - wird das Referendum mit Spannung verfolgt. «Die Regierung in Rom tut gut daran, früh genug regionale Bestrebungen ernst zu nehmen, um Radikalisierung zu verhindern», sagt der Landeshauptmann Arno Kompatscher der Deutschen Presse-Agentur. Vor allem in der Wirtschaftskrise hatten viele Menschen in Südtirol, das im Vergleich zum Rest des Landes wirtschaftlich gut dasteht, die Angst, «mit dem sinkenden Schiff unterzugehen». Zwar gebe es auch in Südtirol eine Bewegung, die für die komplette Abspaltung von Italien sei, sagt Kompatscher. «Aber die ist aktuell nicht mehrheitsfähig.»
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