Streit um Amtsenthebungsverfahren gegen Brasiliens Präsidentin

  04 Dezember 2015    Gelesen: 664
Streit um Amtsenthebungsverfahren gegen Brasiliens Präsidentin
In Brasilien spitzt sich der Kampf um die Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff weiter zu. Nach der Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens im Parlament kündigte Rousseffs Arbeiterpartei (PT) an, Einspruch vor dem Oberstern Gerichtshof einzulegen. "Wir prüfen eine Reihe von Maßnahmen, um diesen Prozess zu stoppen", sagte der PT-Abgeordnete Paulo Pimenta. Die Opposition wirft der linksgerichteten Staatschefin vor, den Haushalt geschönt zu haben.
Der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, hatte am Mittwoch einen Antrag der konservativen Opposition angenommen. Damit startete ein langes Verfahren, in dem mehrere Hürden genommen werden müssen, bevor endgültig über Rousseffs Verbleib an der Staatsspitze entschieden wird. Der Streit im Parlament blockiert zunehmend die Handlungsfähigkeit der Regierung.

Die Opposition wirft der Staatschefin vor, den Haushalt unter anderem im Wahljahr 2014 geschönt zu haben. Ein Gericht erklärte den Etat im Oktober dieses Jahres wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten für illegal. Bei der Präsidentschaftsstichwahl im Oktober 2014 war Rousseff im Amt bestätigt worden. Sie hatte aber nur knapp drei Prozentpunkte Vorsprung vor ihrem konservativen Herausforderer Aécio Neves erzielt.
"Ich bin überzeugt und vollkommen sicher, dass dieser Antrag jeder Grundlage entbehrt", sagte Rousseff am Mittwochabend im Fernsehen. Sie habe "keine einzige illegale Tat" begangen. Rousseffs Arbeiterpartei kündigte am Donnerstag an, vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen. In dem Einspruch werde Parlamentspräsident Cunha "Machtmissbrauch" vorgeworfen sowie der Versuch, die Parlamentsstrukturen zu nutzen, um sich selbst zu verteidigen, sagte der PT-Abgeordnete Pimenta.
Cunha hatte bei der Annahme des Antrags zur Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens erklärt, er habe daran "keine Freude". Brasilianische Medien warfen dem Mitte-rechts-Politiker aber vor, "Rache" üben zu wollen, nachdem Abgeordnete von Rousseffs Arbeiterpartei gefordert hatten, Cunha wegen seiner Verwicklung in die Petrobras-Affäre von seinem Posten zu entfernen. Cunha ist angeklagt, Schmiergelder im Umfang von umgerechnet knapp 4,5 Millionen Euro angenommen zu haben.

Es wurde damit gerechnet, dass Cunha noch am Donnerstag einen 66-köpfigen Sonderausschuss einberuft, in dem alle Parteien vertreten sind. Spricht sich dieser für das Amtsenthebungsverfahren aus, geht die Frage ins Abgeordnetenhaus zur Abstimmung, wobei eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Sollte diese zustande kommen, würde Rousseff suspendiert und durch ihren Vize Michel Temer abgelöst. Anschließend müsste der Senat abschießend über Rousseffs Verbleib im Amt entscheiden. Für eine Amtsenthebung sind hier ebenfalls zwei Drittel der Stimmen erforderlich.

Experten sehen die Vorwürfe gegen die Präsidentin zwar als relativ schwach begründet an, verweisen aber auch auf ihre Unbeliebtheit in der Bevölkerung und die abnehmende Unterstützung in der eigenen Partei. Die Zustimmungswerte der Staatschefin sanken zuletzt auf weniger als zehn Prozent.

Im Oktober hatte der Oberste Wahlgerichtshof TSE entschieden, gegen Rousseff wegen Korruptionsverdachts zu ermitteln. Konkret soll geprüft werden, ob Rousseff ihren Wahlkampf 2014 illegal mit Spenden von Zulieferern des staatlichen Ölkonzerns Petrobras finanzierte. In dem weitläufigen Skandal, der seit Jahren die brasilianische Politik erschüttert, sind dutzende Politiker verschiedener Parteien verwickelt.

Die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt kämpft seit Monaten mit einer schweren Wirtschaftskrise: Das Bruttoinlandsprodukt sank im dritten Quartal um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Inflation sowie die Arbeitslosigkeit steigen. In dieser Situation schafft das Amtsenthebungsverfahren, das erst nach Wochen abschließend entschieden sein dürfte, zusätzliche politische Unsicherheit.

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