Opposition ist irgendwie auch Mist

  23 Oktober 2017    Gelesen: 362
Opposition ist irgendwie auch Mist
Während Union, Grüne und FDP sondieren, liefern sich die Sozialdemokraten intern erbitterte Machtkämpfe: Linke gegen Rechte, Männer gegen Frauen. Für SPD-Chef Schulz wird die Lage allmählich brenzlig.
Wenn gewarnt wird, ist es meistens schon zu spät. "Nach einem 20,5-Prozent Wahlergebnis haben wir wirklich andere Sorgen als nur die Frage 'Wer wird was?'", sagte SPD-Vizechef Ralf Stegner am Morgen im ZDF. Ob seine Ermahnung erhört wird? Zurzeit deutet jedenfalls wenig darauf hin. Die Sozialdemokraten befinden sich vier Wochen nach der Wahl in einer schwierigen Phase. Von dem überraschenden Selbstbewusstsein am wenig erfreulichen Wahlabend, als Parteichef Martin Schulz den Gang in die Opposition ausrief, ist wenig geblieben. Während Union, Grüne und FDP sondieren, hat die SPD mit ihrer neuen Rolle erkennbar zu kämpfen.

Worauf Stegner anspielt, ist die komplizierte Gemengelage vor der Konstituierung des neuen Bundestags an diesem Dienstag und im Vorfeld der heutigen Fraktionssitzung der Genossen. Darin geht es auch um die Wahl des eigentlich wenig herausragenden Postens des stellvertretenden Bundestagspräsidenten. Favorit ist der Kandidat von Fraktionschefin Andrea Nahles, ihr Vorgänger Thomas Oppermann. Aber er ist nicht der einzige Bewerber. Denn Ulla Schmidt - bisher Parlamentsvize der SPD - will nicht weichen und tritt auch an, Ex-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht ebenfalls. Kampfabstimmungen sind eigentlich nichts Schlechtes. Im Parteienbetrieb gibt es die Tendenz, den Wettbewerb zu vermeiden und sich schon im Vorfeld auf einen alleinigen Kandidaten festzulegen. Die Wahl verkommt damit häufig zur Formsache.

Im Fall der SPD sind die Hintergründe weniger erfreulich. Vier Wochen nach der Wahl verheddern sich die Sozialdemokraten in Selbstbeschäftigung. Durch den Wechsel in die Opposition verlieren viele Minister und Amtsträger der Partei ihre Jobs, umso größer ist das Gerangel um die wenigen verbliebenen, halbwegs lukrativen Spitzenposten. Um Einfluss und Proporz ringen Parteilinke und Parteirechte, Männer und Frauen und verschiedene Landesverbände.

Die Bundestagswahl war kaum beendet, da machte Parteichef Martin Schulz Nahles zur Fraktionschefin. Als Parlamentarischen Geschäftsführer wollte er seinen Generalsekretär Hubertus Heil durchsetzen, scheiterte jedoch. Nach internem Gerangel wählte die Fraktion Carsten Schneider, Mitglied des rechten Parteiflügels Seeheimer Kreis. Vor ein paar Tagen sickerte durch, dass Schulz Lars Klingbeil (ebenfalls Seeheimer) zum neuen Generalsekretär machen will.

"Kein guter Stil"

Der erfolglose Kanzlerkandidat steht wegen seiner Personalentscheidungen zunehmend in der Kritik. "Es ist kein guter Stil, wenn Medien vor dem Parteipräsidium über die Personalie Generalsekretär informiert werden. Die SPD beschäftigt sich jetzt mehr mit sich selbst als mit den politischen Gegnern", sagte Fraktionsvize Axel Schäfer der "Welt". "Genau das macht unsere Partei kaputt, dass selbst nach diesem Desaster wieder im Hinterzimmer entschieden wird, wer die Fraktion leitet", twitterte der SPD-Abgeordnete Marco Bülow Ende September.

Er und andere wünschen sich nach der Wahlniederlage eine echte Erneuerung, inhaltlich wie personell. Sie fordern mehr Beteiligung der Partei und einen breiteren Einfluss auf Personalentscheidungen, mehr unverbrauchte Gesichter an der Spitze und vor allem mehr Frauen. Was sie nicht wollen: Männer vom rechten Parteiflügel. Oppermann und Klingbeil, beide Seeheimer und beide aus Niedersachsen, stoßen bei vielen nicht auf Begeisterung.

Für Nahles und Schulz sind aus eigentlich mittelmäßig spektakulären ziemlich nervöse Angelegenheiten geworden. Die heutige Sitzung wird dadurch zur kleinen Machtprobe. Verliert Oppermann, hätte die Autorität der neuen Fraktionschefin Nahles schon vor der ersten Bundestagssitzung ihren ersten Kratzer. Scheitert der Parteichef mit Klingbeil, wäre er vor dem für ihn ohnehin heiklen Parteitag im Dezember, wo er sich zur Wiederwahl stellen will, zusätzlich erheblich beschädigt.

Vor der schwierigen Fraktionssitzung musste Schulz vor ein paar Tagen einen weiteren Dämpfer hinnehmen. Er wollte Johanna Uekermann zur neuen Bundesgeschäftsführerin machen. Die scheidende Juso-Chefin hätte ein versöhnliches Signal an Linke und Frauen in der Partei sein können. Daraus wurde aber nichts. Uekermann lehnte nämlich ab.

Quelle: n-tv.de

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