Seyran Ateş-Initiative „Stop Extremism“: Feindbild Türkei durch saudische Finanzhilfe

  02 November 2017    Gelesen: 633
Seyran Ateş-Initiative „Stop Extremism“: Feindbild Türkei durch saudische Finanzhilfe
Nachdem es lange Zeit ruhig um Seyran Ateş und ihre neu gegründete Gemeinde in Berlin war, rückt sie wieder in die Schlagzeilen der deutschen Medien – dieses Mal steht sie jedoch eher im negativen Rampenlicht. Denn wie es aussieht, bekommt ihre Initiative „Stop Extremism" eine beträchtliche finanzielle Unterstützung aus Saudi Arabien. Dem entsprechend ist die Initiative vor allem eine politische, auch wenn Ateş sich davon freizusprechen versucht.
Die Vereinigung hat das primäre Ziel, europaweit 1 Million Unterschriften zu sammeln. „Die EU-Kommission soll dazu gebracht werden, drakonische Maßnahmen gegen mutmaßliche Extremisten, deren finanzielle Förderer sowie ihre Sympathisanten zu ergreifen", schreibt taz-Redakteur Daniel Bax.

Denn was im ersten Moment wie eine sinnvolle Initiative klingt, offenbart sich bei näherer Betrachtung der Forderungen, als eine aus bürgerrechtlicher Sicht, fragwürdiges Vorhaben. Religiöse Vereine und Unternehmen – gemeint sind hier primär islamische - sollen demnach unter die Pflicht gestellt werden, sich klar von Extremismus zu distanzieren. Tun sie dies nicht, bekommen sie kein „Gütesiegel" und landen auf der „Warnliste" - das soll auch für Individuen gelten, jene würden dann beispielsweise keinen Kündigungsschutz mehr erhalten. Vorgesehen sind zudem Geldstrafen von bis zu 20 Millionen Euro. Doch damit nicht genug, denn vor Gericht soll eine „Umkehr der Beweislast" stattfinden, wodurch „Opfer von Extremismus", in ihren Forderungen begünstigt werden sollen. Dabei muss es sich bei einer möglichen Extremismus-Anklage noch nicht mal um eine Gewalttat handeln. Problematisch ist darüber hinaus auch der Begriff an sich: Wann handelt es sich beispielsweise um Extremismus? Ganze 39 Seiten lang ist der entsprechende Gesetzentwurf formuliert.

Auffällig ist bei der Initiative vor allem die Tatsache, dass man neben Links- und Rechtsextremismus, den Fokus in der religiösen Dimension, lediglich auf den „Islamistischen Extremismus" richtet.

Die Gesetzesinitiative stößt auf breite Kritik. Der Journalist Alan Posener schreibt dazu in der „Welt", dass dadurch „die Demokratie aus den Angeln gehoben werden soll". Geplant sei in Wirklichkeit ein „Maulkorbgesetz", das „mit den Werten Europas unvereinbar" sei. Man wolle damit „einen europäischen McCarthyismus" begründen.

Der österreichische Protagonist der Bewegung, Efgani Dönmez, sorgt darüber hinaus mit seinen dubiosen Machenschaften für Furore in den österreichischen Blättern. Es liegen Verträge, E-Mails und geheime Chat-Verläufe vor. In dem Zusammenhang werden Finanzströme aus Saudi-Arabien ersichtlich. Laut taz fasst er seinen Auftrag dort an einer Stelle mit den Worten zusammen: „Türkei = Bad, Katar = Bad, Saudis = Good". Er soll später auf Nachfrage behauptet haben, dass es sich lediglich um einen Scherz gehandelt habe. Doch das klingt für viele wie eine billige Ausrede.

Dies würde auch erklären, wieso die Initiative insbesondere die Türkei und Katar ins Fadenkreuz nimmt. Denn die Golfstaaten, angeführt von den Saudis, verhängten vor einiger Zeit enorme Sanktionen gegen den kleinen Wüstenstaat, weil sie Katar vorwerfen, den Terrorismus zu unterstützen. Katar hingegen weist jene Vorwürfe entschieden zurück. Denn in Wirklichkeit scheint es den Saudis darum zu gehen, die Machtsphäre vom Iran einzuschränken. Die guten Beziehungen zwischen den politischen Gegenspieler Iran und Katar sind den Saudis ein Dorn im Auge. Die Türkei und der Iran stehen seit Ausbruch der Krise unterstützend an der Seite von Katar. Die Türkei übernimmt zudem die Vermittlerrolle. Taz-Redakteur Bax schreibt, dass die Unterstützung der „Stop Extremism"-Initiative aus saudischer Sicht Sinn machen könnte - „nach der Logik, der Feind meines Feindes ist mein Freund`".

Auffällig ist zudem, dass allein die Türkei und Katar explizit als „die größten finanziellen Förderer extremistischer Organisationen" genannt werden. Beide Länder werden in Zusammenhang mit den 293 Opfern terroristischer Anschläge der Jahre 2015 und 2016 in Ägypten gebracht. Im Mittelpunkt steht dabei die Muslimbruderschaft. Die Golfstaaten werfen Katar vor, jene Organisation direkt zu unterstützen. Entsprechende Erwähnung der salafistischen Strömungen in Europa, die teilweise von den Saudis finanziell unterstützt werden, sucht man hingegen vergeblich. Ebenso wenig wird Saudi-Arabien selbst kritisiert.

Die Finanzquellen der Initiative werden weitgehend geheim gehalten. Bekannt ist, dass Dönmez und Ateş zusammen 20.000 Euro aus eigener Tasche bereitgestellt haben, doch Verträge mit PR-Beratern legen laut taz nahe, „dass wesentlich größere Summen im Spiel gewesen sein sollen". Ein einziger PR-Berater sollte 180.000 Euro für seine Arbeit für den Verein erhalten. Genau dieser Berater geriet beim österreichischen Wahlkampf wegen seiner mutmaßlichen Mitwirkung an diversen Schmutzkampagnen in die Schlagzeilen.

Dönmez diente mehrere Jahre für die oberösterreichischen Grünen im Bundesrat, sorgte aber später mit seinen Aussagen und Unternehmungen für Ärgernis innerhalb der Parteireihen. Er bediente sich der rechtspopulistischen Rhetorik und suchte Schulterschluss mit der Identitären-Bewegung in Österreich. Für die Erdoğan-Sympathisanten sagte er, dass man für sie „5.000 One-Way-Tickets" besorgen sollte, „und keiner würde denen nachweinen". Im Mai 2017 folgte schließlich der Austritt aus der Partei.

Später nahm sich der ÖVP-Chef Sebastian Kurz seiner Person wohlwollend an – bei der Nationalratswahl setzte dieser ihn auf Platz fünf seiner Kandidatenliste. So gelangte er erst kürzlich ins österreichische Parlament.

Ateş selbst widerspricht den Vorwürfen und steht weiterhin hinter Dönmez. Von ihr erhielt sie auch Unterstützung im österreichischen Wahlkampf. Ateş teilte Wahlkampfvideo von ihm, vor er für Burka-Verbot wirbt und „null Toleranz" für derartige Verschleierungen fordert.

Doch Dönmez und Ateş sind nicht die einzigen kritischen Gesichter der Kampagne. Personen wie Necla Kelek, Ahmad Mansour, Düzen Tekkal oder Saïda Keller-Messahli sind für ihre islamfeindlichen Ansichten bekannt. Letztere ist nun auch Mitglied in der „Moscheegemeinde" von Seyran Ateş. Sie kritisiert die links-grüne Integrationspolitik der Schweiz, ein Burka-Verbot geht für sie nicht weit genug, sie fordert daher auch ein entsprechendes Verbot für Kopftücher und spricht sich für europäische Allianzen mit Rechtspopulisten wie der AfD aus.

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