US-Kampfflugzeug könnte Tornado ablösen

  09 November 2017    Gelesen: 745
US-Kampfflugzeug könnte Tornado ablösen
Deutschland könnte schon bald zum Großkunden der US-Rüstungsindustrie aufsteigen. Bei der Suche nach Ersatz für die betagten Tornados der Luftwaffe bringt Luftwaffen-Kommandeur Müllner auch den senkrechtstartenden Tarnkappen-Jet F-35 ins Spiel.
In der Diskussion über mögliche Nachfolger für die alternden Tornado-Kampfjets der Bundeswehr hat Luftwaffen-Chef Karl Müllner indirekt eine Präferenz für das US-amerikanische Hightech-Flugzeug F-35 erkennen lassen. "Aus militärischen Gesichtspunkten brauchen wir eine geringe Radar-Signatur und die Fähigkeit, aus großer Distanz Ziele zu erkennen und zu bekämpfen", sagte Müllner in einem Reuters-Interview. Diese Fähigkeiten eines Kampfjets der fünften Generation seien für eine glaubhafte Abschreckung im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung unerlässlich.

Damit lässt Müllner wenig Spielraum für etwaige Alternativen. Nach Einschätzung von Militärexperten ist derzeit allein die F-35 in der Lage, die genannten Anforderungen zu erfüllen. Die überschallschnelle F-35 "Lightning II" gilt als das teuerste Kampfflugzeug aller Zeiten. Hersteller ist der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin, der die futuristische Maschine in verschiedenen Versionen anbietet: Als Abfangjäger und Jagdbomber, als Senkrechtstarter und als trägertauglicher Marineflieger. Alle drei Varianten verfügen über Stealth-Eigenschaften und sind damit für etwaige Gegner nahezu unsichtbar.

Teuerster Kampfjet aller Zeiten

Die jüngste Neuentwicklung der US-Militärluftfahrt ist in den USA nicht nur aufgrund der hohen Kosten hoch umstritten. Experten zufolge dürften sich viele Einsätze künftig durch Kampfdrohnen leichter, sicherer und vor allem auch billiger erledigen lassen. Angesichts der aufstrebenden Drohnen-Technologie halten Branchenkenner es für möglich, dass es sich bei der F-35 um die letzte größere Neuentwicklung in der Geschichte des bemannten Kampfjets-Baus handeln könnte.

Die Gesamtkosten des Rüstungsprogramms zur Anschaffung der F-35 dürfte den US-Steuerzahler jüngsten Schätzungen zufolge mehr als 400 Milliarden Dollar kosten. Ein Großauftrag aus Deutschland käme der US-Rüstungsindustrie und Hersteller Lockheed Martin vor diesem Hintergrund sehr gelegen.

Der Marktpreis für eine F-35 wird auf etwa 80 Millionen Dollar (rund 69 Milliarden Euro) pro Stück geschätzt. Dazu kommen über die Jahre noch Kosten für die Piloten-Ausbildung, das Training der Boden-Crews sowie die Ausgaben für Ersatzteile, Upgrades und Wartung. Zu den F-35-Kunden zählen bislang Nato-Partner wie Großbritannien, Kanada, Norwegen, Dänemark, Italien, Niederlande und die Türkei.

Tornados werden immer teurer

"Die Risiken und Kosten für den Betrieb des Tornados werden gegen Ende des nächsten Jahrzehnts so erheblich steigen, dass man sich jetzt um eine Nachfolge kümmern muss", sagte Generalleutnant Müllner, der als Inspekteur der Luftwaffe dem Bundesverteidigungsministerium untersteht und mit der Materie bestens vertraut ist.

Ab 2025 brauche die Luftwaffe die ersten neuen Jets, um den Tornado nach und nach abzulösen, betonte Müllner. Um diesen Zeitplan halten zu können, wären seinen Worten zufolge eine Grundsatzentscheidung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode sowie ein verbindlicher Vertrag zum Ankauf eines Tornado-Nachfolgers bis 2020 nötig.

Als potenzielle Kandidaten untersucht die Luftwaffe derzeit neben der F-35 von Lockheed Martin auch die beiden zweistrahligen Kampfjets F-15 und F-18 von Boeing sowie den Eurofighter aus europäischer Produktion. Letzterer wurde zwar ursprünglich als reiner Luftüberlegenheitsjäger entworfen, kann aber nach mehreren Modernisierungen mittlerweile auch die Rolle eines Mehrzweckkampfflugzeugs einnehmen.

"Eigentlich schon zu spät"

"Aus diesen Optionen wird dann eine Auswahl getroffen werden müssen, weil es für eine Entwicklungslösung eigentlich schon zu spät ist", sagte Müllner mit Blick auf die teils Jahrezehnte dauernden Vorarbeiten, die für den Bau eines komplett neuen Kampfjets üblicherweise erforderlich sind. "Es wäre auch ziemlich unsinnig, für den Bedarf der Luftwaffe von vielleicht hundert Flugzeugen oder weniger ein neues Flugzeug zu entwickeln", fügte Müllner hinzu. "Das kann kein Mensch bezahlen."

Anders als die US-Luftwaffe verfügt die Bundeswehr weder über Flugzeugträger - von denen aus Kampf- oder Aufklärungseinsätze in Krisenregionen gestartet werden könnten - noch über bewaffnete Kampfdrohnen, die geforderten Fähigkeiten eines Tornado-Nachfolgers übernehmen könnten. Die Suche nach einer sinnvollen Ersatz-Lösung läuft unter großem Zeitdruck. Deutschland sieht sich seinen Bündnispartnern verpflichtet, rechtzeitig entsprechende Fähigkeiten beisteuern zu können.

Aktuell zum Beispiel plant die Luftwaffe bereits den Kauf oder die Nachrüstung von Flugzeugen mit einer Technik, die gegnerische Radaranlagen stören oder vernichten kann - auch das ist eine Aufgabe, die bislang von speziell ausgerüsteten ECR-Tornados geleistet wird. Deutschland habe der Nato bis Mitte des kommenden Jahrzehnts 14 derartige Flugzeuge zugesagt, sagte Müllner. Um genügend Flugzeuge einsatzfähig zu haben, seien etwa 20 Maschinen nötig.

A400M als Tornado-Ersatz?

Vorstellbar sind seinen Angaben zufolge eine Aufrüstung von Eurofightern, ein ECR-Upgrade für den Militärtransporter A400M oder die Beschaffung spezieller Boeing-Maschinen für die elektronische Kampfführung, sogenannte "Growler", die auf dem Modell F-18 beruhen. Eine Entscheidung ist nach den Worten des Luftwaffen-Chefs aber noch nicht gefallen.

Zugleich machte sich Müllner erneut für die Beschaffung von Drohnen stark, die bewaffnet werden können. Dies war in der vergangenen Legislaturperiode am Widerstand der SPD gescheitert. Auch ein Großteil der Grünen lehnt die Beschaffung dieser unbemannten Luftfahrzeuge ab. "Ich werde das Thema nicht ruhen lassen, weil es eine Fähigkeit ist, die wir brauchen", sagte der Inspekteur der Luftwaffe.

Derzeit sind bei der Luftwaffe noch 85 Tornado-Jets im Einsatz. Die Entwicklung dieser zweistrahligen Schwenkflügel-Kampfjets reicht zurück bis in die späten 1960er Jahre. Gebaut wurden die überschallschnellen Mehrzweck-Flieger ab den 1970er Jahren. Ein Bundeswehr-Kontingent fliegt derzeit von Jordanien aus mit Tornados der Luftwaffe Aufklärungseinsätze gegen die Extremistenmiliz IS in Syrien und dem Irak.



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