"Die Kommandostruktur muss sich verändern, wenn sich das Sicherheitsumfeld verändert", erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die erweiterte Kommandostruktur sieht den Aufbau von zwei neuen Planungs- und Führungszentren vor. Ein Hauptquartier soll im Ernstfall Truppenverlegungen innerhalb Europas steuern. Das zweite soll Marineeinsätze im Atlantik koordinieren, um im Kriegsfall den Seeweg zwischen den USA und Europa frei zu halten.
Detailplanungen sollen nun bis zum Treffen der Verteidigungsminister im Februar erfolgen. Unklar ist beispielsweise noch, ob eines der neuen Hauptquartiere in Deutschland angesiedelt wird und wie viel zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt wird. Deutschland wird im Bündnis wegen seiner zentralen Lage als möglicher Standort für die Logistikzentrale genannt. Standortentscheidungen würden aber erst später getroffen, sagte Stoltenberg, der auf das nächste Verteidigungsministertreffen im Februar verwies.
Der Ausbau der Kommandostruktur stellt eine weitere Kehrtwende der Nato in ihrer strategischen Ausrichtung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ab 1990 dar. Die Pläne sind offenkundig eine Reaktion auf die als aggressiv wahrgenommene Politik Russlands. Im Zuge der einstigen Entspannungspolitik hatte die Nato ihre Strukturen noch massiv reduziert. Von den 33 Hauptquartieren, die es in den Hochzeiten des Kalten Krieges einst gab, sind nach Nato-Angaben heute nur noch 7 übrig geblieben. Die Personalstärke der Hauptquartiere sank von 22.000 auf 6800.
Nun soll wieder aufgestockt werden, um für das neue "Sicherheitsumfeld" gewappnet zu sein. In einem als geheim eingestuften Nato-Bericht hatten Militärs zuvor zum Beispiel Zweifel daran geäußert, ob die Allianz derzeit angemessen und schnell genug auf einen russischen Überraschungsangriff reagieren könnte. Vor allem östliche Bündnispartner halten ein solches Szenario nach den Ereignissen in der Ukraine und auf der Krim nicht für völlig ausgeschlossen.
Um ein klares Signal in Richtung Moskau zu senden, wurden zuletzt bereits mehrere Tausend Nato-Soldaten im Baltikum und in Polen stationiert. Im Ernstfall sollen sie von einer schnellen Eingreiftruppe Verstärkung bekommen. Fraglich blieb bis zuletzt allerdings, ob die Einsatzkräfte in einem solchen Horrorszenario - wie etwa einer Attacke auf die sogenannte Suwalki-Lücke - lang genug einem Großangriff widerstehen könnten, bis die Nato Verstärkung herangeholt hat.
Militär-Vorgaben für zivile Infrastruktur
"Militärische Mobilität ist der Schlüssel zu Abschreckung und Verteidigung", sagte Stoltenberg. "Wir brauchen eine Kommandostruktur, die sicherstellen kann, dass die richtigen Truppen am richtigen Ort sind - mit der richtigen Ausrüstung und zur richtigen Zeit." Nur so könne in Europa eine glaubwürdige Abschreckung sichergestellt werden. Gleichzeitig machte er klar, dass sich auch die EU und die Privatwirtschaft an den Anstrengungen beteiligen müssten.
Die zivile Infrastruktur - Straßen, Schienennetze und Flughäfen - müsse militärischen Anforderungen entsprechen, sagte der Norweger. "Die nationalen Regierungen, der private Sektor und die Europäische Union haben Schlüsselrollen", betonte Stoltenberg, ohne näher auf das geforderte Engagement der Unternehmen einzugehen.
Wie genau die neuen militärischen Anforderungen umgesetzt werden sollen, müsse noch geklärt werden, heißt es aus Brüssel. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kündigte an, dass die EU-Kommission bis Ende der Woche Vorschläge unterbreiten wolle, wie der Truppentransport innerhalb Europas verbessert werden könne.
Nato leiht sich Cyber-Truppen
Bei dem Nato-Treffen in Brüssel einigten sich die Verteidigungsminister nach Angaben von Stoltenberg zudem auf Leitlinien für militärische Hackerangriffe. Im Cyber-Bereich müsse die Nato "so effektiv werden wie wir es zu Lande, zu Wasser und in der Luft" sind, sagte er. Hier gehe es um die Analyse von Bedrohungen in Echtzeit "und die Fähigkeit zu reagieren, wie und wann immer wir wollen". Als Teil der neuen Kommandostruktur hätten die Minister deshalb auch ein neues Cyber-Operationszentrum beschlossen.
Eigene Fähigkeiten für Cyberangriffe will die Nato vorerst aber nicht entwickeln. Sie sollen im Ernstfall freiwillig von Mitgliedstaaten bereitgestellt werden. Stoltenberg verwies darauf, dass die Nato schon 2016 beschlossen hatte, den Cyberspace zum eigenen Operationsgebiet zu machen und dass Cyber-Angriffe auch den Bündnisfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages auslösen können.
Die Nato bleibe aber wie in den anderen Bereichen ein "defensives Bündnis", sagte Stoltenberg auf eine Frage nach "Cyber-Waffen" der Militärallianz. "Was wir tun, ist immer verhältnismäßig." Er wolle nicht darüber spekulieren, wann und wie die Nato Cyber-Operationen nutzen werde. Dies werde aber immer in Übereinstimmung mit internationalem Recht erfolgen.
Cyber-Attacken sollen künftig auch zu den Fähigkeiten der Bundeswehr gehören. Die Truppe übt solche Angriffe seit Jahren in einer geheim agierenden Einheit in Rheinbach bei Bonn. Die IT-Soldaten könnten etwa in einem Auslandseinsatz Kommunikationskanäle des Gegners stören. Die Einheit soll bis 2021 aufgestockt werden und künftig als eigene Teilstreitkraft neben Heer, Luftwaffe und Marine arbeiten.
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