Mit dem 20-Megawattstunden-Speicher - und ein paar zusätzlichen Solarmodulen - wollen sich die Fraunhofer-Forscher den Traum von der Energieautarkie erfüllen. Genug sauber erzeugter, eigenproduzierter Strom soll immer dann zur Verfügung stehen, wenn er benötigt wird.
Denn das ist eines der Kernprobleme der Energiewende: Strom aus erneuerbaren Quellen lässt sich schon jetzt billig herstellen. Wenn die Witterungsverhältnisse passen, wenn also der Wind weht oder die Sonne scheint. Oder beides. Doch lässt sich kaum überschüssiger Strom speichern für die Zeit, wenn das eben nicht der Fall ist - und das ist dummerweise die meiste Zeit des Jahres.
Was also tun? Wasserstoffgas lässt sich aus überschüssigem Strom gewinnen. Doch das Verfahren ist nicht besonders effizient. Pumpspeicherkraftwerke können Wasser in stromreichen Zeiten in höher gelegene Becken pumpen und später über Generatoren wieder herabrieseln lassen. Doch neue Anlagen sind kaum durchzusetzen. Zwar wird über die Nutzung alter Kohlezechen als Pumpspeicher nachgedacht - aber praktisch passiert ist bisher nichts. Genau wie bei geplanten Pumpspeichern am Meeresgrund.
Druckluftspeicher, erhitztes Salz - die Liste weiterer möglicher Speichertechniken ist lang. Doch vom großtechnischen Einsatz sind sie weit entfernt. Also sollen Batterien helfen. In Pfinztal ist das eine Lagerhalle voll mit riesigen 45.000-Liter-Tanks. In den darin gelagerten Flüssigkeiten wird der überschüssige Strom zwischengespeichert.
Redox-Flow heißt das zugrunde liegende Prinzip bei Experten - und wie das Ganze im Detail funktioniert, dazu später mehr. Die Anlage vor den Toren von Karlsruhe gilt jedenfalls einstweilen als größte Batterie Deutschlands. Doch geht es nach dem Oldenburger Energieversorger EWE und Wissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, könnte die Anlage von Pfinztal ihren Titel in ungefähr fünf Jahren verlieren.
75.000 Haushalte einen Tag mit Strom versorgen
In einem Projekt namens "brine4power" wollen sie sogar die größte Batterie der Welt bauen- in riesigen unterirdischen Salzkavernen, wie sie derzeit für die Speicherung von Erdgas genutzt werden. Die Anlage soll eine Kapazität von 700 Megawattstunden haben. Das heißt, sie könnte 75.000 Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgen.
Am Mittwoch stellte das Projektteam in Berlin nun Zwischenergebnisse vor, die es für sehr ermutigend hält. "Es besteht die Möglichkeit, etwas wirklich Revolutionäres zu schaffen", sagt Ulrich Schubert vom Center for Energy and Environmental Chemistry in Jena. Er hat zusammen mit Kollegen verschiedene organische Kunststoffe entwickelt, die in der Riesenbatterie zum Einsatz kommen könnten. Im vergangenen Jahr berichteten die Forscher darüber bereits im Fachmagazin "Nature".
Die von ihnen hergestellten Polymer-Moleküle können Elektronen aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben. Und sie sind - und das ist die vergleichsweise neue Erkenntnis - auch in gesättigtem Salzwasser stabil. Genau solche Salzlösungen (englisch: "brine", daher der Projektname) gibt es in den unterirdischen Salzkavernen, von denen allein EWE insgesamt 38 Stück an vier Standorten in Deutschland betreibt.
Als Speicher besonders interessant wäre wohl zum Beispiel der Standort im ostfriesischen Jemgum. Nur rund 50 Kilometer von dort entfernt betreibt EWE den Offshorewindpark Riffgat.
Für die riesige Batterie braucht es gleich zwei Salzstöcke. In beiden müssen jeweils mehrere Tausend Tonnen der Polymermoleküle in der Lauge gelöst werden. Eine Kaverne fungiert als sogenannter Katolyt, die andere als sogenannter Anolyt. Die Moleküle im Katolyten haben eine stärkere Bindung zu Elektronen, die im Anloyten eine schwächere. Der eine Salzstock ist sozusagen der Plus-, der andere der Minuspol.
Nun kommen sich beide Substanzen der Anlage nahe, beide Elektrolyte aus den Salzstöcken werden nur noch durch eine dünne Membran getrennt. Durch Stromzufuhr von außen - zum Beispiel eben aus einem Windpark - werden nun dem Katolyten Elektronen entrissen. Das ist chemisch gesehen eine Oxidation. Dem Anolyten werden die Elektronen dann zugeführt. Das nennt man eine Reduktion.
Und so bekommt die Batterie auch ihren Namen: Redox-Flow
Das Prinzip ist seit Jahrzehnten bekannt und wurde nach dem Krieg in Deutschland entwickelt. Attraktiv ist unter anderem, dass es bei den Batterien keine Selbstentladung gibt. Sogar an Autos mit Redox-Flow-Batterie wird gearbeitet. Hier könnte man zum Aufladen einfach die Elektrolytflüssigkeiten austauschen.
Die Technik war allerdings unter anderem deswegen bis vor Kurzem sehr teuer, weil man Schwermetalle wie Vanadium benötigte. Doch das muss nun nicht mehr sein - dank der Polymere.
Und noch einen Vorteil haben die Batterien: Die Speicherleistung wird nur durch die Größe der Elektrolytspeicher begrenzt - in Pfinztal also durch das Volumen der Tanks und beim geplanten EWE-Projekt durch die Größe der Kavernen im Salzstock. Und die sind so um die 100.000 Kubikmeter groß.
Vergleichbar mit Pumpspeichern
Die Kosten der Redox-Flow-Batterie seien vergleichbar mit denen anderer Batterien oder denen von Pumpspeicherkraftwerken, sagt Peter Schmidt, Chef der EWE Gasspeicher. Der Wirkungsgrad des Systems soll bei 70 Prozent liegen. Rund 20.000 Ladezyklen seien ohne starke Effizienzverluste möglich, wirbt Forscher Schubert. Bei zwei Lade- und Entladezyklen pro Tag käme man damit auf eine Standzeit von 25 Jahren.
Was ist nun der Haken? EWE hat sich bisher noch nicht entschieden, ob das Projekt tatsächlich umgesetzt wird. Und damit gibt es auch noch keinen geplanten Standort. Das alles will man bis Ende 2019 festlegen. Erstens verdient die Firma mit dem Speichern von Erdgas in den Salzstöcken ja bisher gutes Geld. "Aktuell sind alle unsere Kavernen vermarktet", sagt Projektleiter Ralf Riekenberg. Und zweitens wollen die nötigen Millioneninvestitionen wohlüberlegt sein. "Wenn wir unter die Erde gehen, werden wir viel Geld ausgeben", so Riekenberg.
Wissenschaftliche und technische Risiken bleiben. Das gestehen die Projektteilnehmer ein - und externe Experten sehen das genauso: "Das ist auf jeden Fall eine große Herausforderung und sehr ambitioniert", sagt etwa Peter Fischer vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie. "Ob das im großen Maßstab tatsächlich funktioniert, werden die ersten Vorversuche zeigen."
Dazu kommt noch ein anderer Punkt: Die unterirdischen Erdgasspeicher sind dicht, die Menschen in der Region leben schon lange mit diesen Anlagen - und doch könnte es gegen eine Nutzung als Riesenbatterie womöglich Widerstände von Anwohnern geben.
Quelle : spiegel.de
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