S-Klasse Cabrio - im Gleitflug durch L.A.

  04 Dezember 2017    Gelesen: 723
S-Klasse Cabrio - im Gleitflug durch L.A.
Natürlich gibt es auf US-amerikanischen Straßen auch Fahrzeuge mit Vierzylindermotoren. Aber wer im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" den Ton angeben möchte, fährt selbstverständlich V8. Insbesondere, wenn es sich um die Luxusgleiter von Mercedes handelt.
Wenn man die Chance hat, die aufgefrischten Modelle des Mercedes S-Klasse Coupés und Cabrios in Kalifornien zu fahren, dann kann es eigentlich nur eine Form der Motorisierung geben und die heißt Achtzylinder. In den USA gehört das freudige Böllern dieser Leistungsmonster einfach zum guten Ton. Und spratzen können die fetten V8 aus Stuttgart mindestens genauso gut wie die US-Kollegen.

Doch der Reihe nach: Mit dem S-Klasse Coupé und mit dem Cabrio haben die Stuttgarter jetzt den Reigen der Luxuslimousinen geschlossen und den betuchten Sonnenanbetern und Sportlern die Option gegeben, sich abseits des Sternenkreuzers auf höchstem Niveau zu bewegen. Fragt man Entwicklungschef Hermann Storp, wofür denn sein Herz im Segment schlägt, dann bekommt man die spontane Antwort: "Natürlich fürs Coupé:" Und wenn der Herr der S-Klassen das sagt, dann soll dieses Auto auch als Erstes zum Test antreten.

Man muss daran glauben

Gewählt wird das S 560 Coupé mit dem neuen 4,0-Liter-V8-Biturbomotor. Beim Druck auf den Startknopf räuspert sich der Kraftprotz unterstützt durch die Sportabgasanlage vernehmlich, aber dennoch vornehm, ohne sich tonal in den Vordergrund zu drängen. Das Ganze beobachtet der Fahrer eingeschmiegt in angenehm straffe Lederpolster, ein Lenkrad in den Händen, über dessen zwei Touch Buttons die beiden riesigen TFT-Screens angesteuert werden können. Hinter dessen Glasflächen befinden sich die fahrrelevanten Daten und die Bedienung der Unterhaltungs- und Wellness-Programme.

Wem das nicht passt, der kann natürlich wie gewohnt über das Touchpad in der Mittelkonsole oder den Druckdrehsteller die Steuerung übernehmen oder ganz einfach über die Linguatronik. Was nichts anderes heißt, als dass das gesprochene Wort auch alle Funktionen des "Energizing"-Programms auslösen und wieder stoppen kann. Ja, Entspannung wird auch in der sportlichsten Ausführung der S-Klasse groß geschrieben. Da werden zum Beispiel Klimaanlage, Beduftung, Licht, Musik und die Massagefunktion der Sitze zu einem ganzheitlichen Entspannungsprogramm gebündelt. Na gut, ein bisschen muss man daran auch glauben, aber das ist ja auch bei anderen Wellness-Angeboten abseits einer S-Klasse so.

Gleiter ohne Kurvenzwang

Glauben muss man nicht an Motor, Fahrwerk und Lenkung, das hat man einfach. Der V8 leistet 469 PS und drückt 700 Newtonmeter maximales Drehmoment auf die Achsen. Die Spreizung haben Storp und seine Ingenieure so gestaltet, dass das Coupé die Gangarten von feinem Cruisen bis hin zum sportlichen Sturmlauf bravourös beherrscht. Gesteuert wird das Ganze über vier Fahrprogramme, die Gaskennlinie, Schaltzeiten der Neungang-Automatik und Dämpfer-Einstellungen verändern. Wobei Letztgenannte im Testwagen adaptiv arbeiteten, was dazu führt, dass die Luftfederung - von Mercedes Air-Body-Control genannt - ungelogen alles wegfedert, was sich auf Straßen den Rädern in den Weg legen kann. In den USA sind das zum Beispiel bösartige Buckel in Wohngebieten, die bei der Überfahrt in einem normalen Fahrzeug den letzten Wirbel bis unter die Schädeldecke schieben, im S-Klasse Coupé hingegen kaum zu spüren sind.

Nun wäre das Coupé kein Coupé, wenn nicht auch eine andere Gangart als die des gemütlichen Gleitens möglich wäre. Im Sport- und vor allem im Sport-Plus-Modus kann der zahme Gleiter richtig Zähne zeigen. Willig folgt er den Befehlen des rechten Fußes und gehorsam ist er bei der Annahme der Richtungswechsel. Aber Achtung! Obgleich er auch enge Kurven kann, fordert das S-Klasse Coupé sie nicht. Lastwechsel nimmt er souverän in Kauf, drängt aber mit seinem Gewicht schon kräftig über die Vorderräder. Dabei kommt zu keiner Sekunde Unbehagen auf oder der Gedanke, die Situation wäre nicht mehr beherrschbar. Lediglich die Leichtigkeit der Fahrt geht etwas verloren. Anders ist es bei weiten Kurven. Die lassen sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit durchfliegen, wobei dem schicken Schwaben hier auch nicht sein 2,94 Meter langer Radstand im Weg ist.

Ohne Dach noch eins drauf

Um das kurz in Leistungsdaten zu packen: Wird der S 560 richtig gefordert, beschleunigt er seine 2,15 Tonnen behände in 4,6 Sekunden auf Landstraßentempo. Wie gewohnt ist bei 250 km/h Schluss, denn da wird elektronisch abgeregelt. Und der Verbrauch? Nun, der spielt bei Fahrzeugen in diesem Segment eigentlich keine Rolle, weil es die Käufer nicht die Bohne interessiert. Dennoch soll nicht unerwähnt bleiben, dass Mercedes ordentlich am V8 gefeilt hat, so dass er inzwischen weit vom Image des Schluckspechts entfernt ist. Dank der Zylinderabschaltung im Drehzahlbereich von 900 bis 3250 Umdrehungen in den Fahrprogrammen Comfort und Eco wird der Verbrauch wesentlich reduziert. Schließlich gleitet der Luxus-Sportler dann als Vierzylinder über die Straße. Versprochen sind so kombiniert 8,7 Liter Super Plus.

Natürlich kommt, wer den S 560 gefahren ist, nicht an den potenten AMG-Kollegen in der Riege der S-Klasse-Modelle vorbei. Hier fiel die Wahl auf das Mercedes-AMG S 63 Cabrio. Warum? Nun, weil das Triebwerk mit dem des S 560 identisch ist. Natürlich hat das Gerät in Affalterbach zum Beispiel über die Twin-Scroll-Lader eine entsprechende Leistungsspritze bekommen: 612 Pferde erhalten hier auf Wunsch freien Lauf und wirklich fette 900 Newtonmeter maximales Drehmoment werden an alle vier Räder verteilt, was erstaunlich leichtfüßig vonstatten geht. Das Cabrio reagiert nicht zickig, zieht sauber an und beschleunigt in 3,5 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo.

Der zaust ganz schön

Wer will, kann das im Race-Mode mit einem entsprechenden Race-Start unter wildem Gebrüll aus den Endrohren vollführen, sich dabei so richtig in den Sitz pressen lassen und laut jubeln, wenn die Wandlerautomatik mit AMG-Anpassung die neun Gänge in Windeseile nach oben schießt und im umgekehrten Fall wieder runterrechnet. Das macht Spaß und sorgt für Aufmerksamkeit der Umstehenden. Dadurch, dass die Lenkung enger ist und das Fahrwerk straffer, geht der Kurvenlauf etwas leichter von der Hand. Am Ende ist aber auch der AMG kein Supersportler, wenngleich eine mögliche Spitzengeschwindigkeit von 300 km/h eine andere Sprache spricht. Auch ihn behindern für die ultimative Hatz der Radstand und das Gewicht von 2,25 Tonnen.

Und noch etwas lässt das AMG-Cabrio etwas hinter das Coupé zurückfallen: Es fehlt ihm die Ruhe des Cruisers. Nicht nur die Optik mit dem genialen Panamericana-Grill lässt den Affalterbacher scheinbar ständig unter Strom stehen. Auch die Attitüde aus den Endrohren sorgt dafür, dass der S 63 wie ein Tiger auf dem Sprung wirkt. Hinzu kommt, dass das Cabrio, was Verwirbelungen bei offener Fahrt betrifft, schon einiges von den Insassen verlangt. Trotz Windshot, geschlossenen Fenstern und Aircap zaust es ab etwa 120 km/h ganz schön an den Haaren. Wer das Dach in 20 Sekunden und bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h schließt, darf sich ähnlich geräuscharm wie im Coupé aufgehoben fühlen, obgleich der Deckel doch deutlich näher an die Schädel der Insassen gerückt scheint.

Schwebendes Rücklicht und Bling-Bling

Ansonsten erfreut der AMG natürlich mit den Features, die auch den S 560 auszeichnen: Dazu gehören neben den Assistenzsystemen, die den Wagen teilautonom lenken, auch die Fähigkeit, selbständig die Spur zu wechseln, wenn der Blinker gesetzt ist, vor Kurven oder Kreisverkehren selbständig abzubremsen oder die Geschwindigkeit in Eigenregie den Verkehrszeichen anzupassen. Natürlich kann der Fahrer diese Form des Autopiloten jederzeit deaktivieren und ist dann wieder ganz allein Herr über seinen Gleiter.

Auch optisch gibt es einige Gemeinsamkeiten. Da sind zum Beispiel die OLED-Heckleuchten. Insgesamt scheinen 66 ultraflache OLED im Rücklicht zu schweben, was nicht nur ein sehr eigenständiges Lichtdesign mit sich bringt, sondern auch super aussieht. Zudem wird die Ent- und Verriegelung des Fahrzeugs durch eine animierte Lichtsequenz mit anschließendem Hochdimmen hervorgehoben. Auch in der Frontpartie ist das Lichtdesign auf Wunsch so auffällig, dass es sich deutlich von allem unterscheidet, was sonst so aus dem Hause Daimler auf der Straße fährt. Auf Wunsch ist das LED-Licht nämlich mit Swarovski-Kristallen erhältlich. Das ist echt Bling-Bling, aber so abgedreht, dass es schon wieder richtig gut aussieht.

Da gibt's noch was

Wem die oben beschriebenen Motorisierungen nicht zusagen, der hat natürlich die Wahl: ganz unten steht der S 450 mit 3,0-Liter-V6 mit 367 PS. Der drückt 500 Newtonmeter auf beide Achsen,beschleunigt die Fuhre in 5,5 Sekunden auf 100 km/h und wird am Ende 250 km/h schnell. Ganz oben - sozusagen in der Königsklasse - fährt der AMG S65 mit einem 6,0-Liter-V12. Dieses Triebwerk leistet 630 PS und verteilt bombastische 1000 Newtonmeter an alle vier Räder. Der Drehmoment-Gigant dürfte mit Abstand der teuerste Spaßwagen im Bereich der S-Klasse Cabrios und Coupés werden. Wie viel er genau kosten wird, steht noch nicht fest. Fakt ist aber, dass alle Modelle ab April 2018 auf dem Markt verfügbar sein werden.

Ein letzter Satz soll noch zum Platzangebot verloren werden. Nach wie vor sind die sportlichen Luxusgleiter aus Stuttgart auch bei einer Länge von 5,0 Metern und einer Breite von 1,93 Meter keine Familienkutschen. Klar, die vier Einzelsitze schmiegen ihre Besetzer ein, allerdings reicht das Gepäckabteil mit 400 Litern im Coupé und 350 Litern im Cabrio höchstens für zwei kleinere Koffer. Insofern muss bei der Fernreise eh die zweite Reihe als Taschenträger herhalten.

Quelle: n-tv.de

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